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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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All den Wegen des Weltverkehrs

Kreuzer ins Gefecht bringen, die es mit jeder denkbaren Vereinigung von
Seestreitkrüften, die sich plötzlich in den chinesischen Gewässern bilden kann,
aufzunehmen vermag. Man hofft jedoch, daß die chinesische Station nicht
mehr lange ohne die Unterstützung von wenigstens einem oder zwei Schlacht¬
schiffen gelassen wird. Denn abgesehen von der hohen moralischen Wirkung,
die die Anwesenheit von Schlachtschiffen überall hervorruft, kann ein Kreuzer
in bezug auf seine Bewaffnung niemals mit einem Schlachtschiff konkurrieren.
Und da die vier großen Seemächte zurzeit schon über die oben aufgeführten
Secstreitkräfte verfügen, so könnte, nach englischer Ansicht, eine plötzliche Ver¬
einigung feindlicher Flottenteile den englischen Kreuzern, die meist nur mit
15-Zentimeter-Geschützen ausgerüstet sind, eine Reihe von Schlachtschiffen
gegenüberstellen mit doppelt so starker Bewaffnung. Diese Lage der Dinge
wurde natürlich von der britischen Admiralität gründlich erwogen; überall*)
aber längs des Seewegs nach dem fernen Osten wird die plötzliche Zurück¬
berufung sämtlicher Schlachtschiffe aus den chinesischen Gewässern im Jahre 1905
allgemein kritisiert.

Die ersten Anfänge britischer Besitzergreifung in der heutigen Kolonie
Hongkong reichen zurück in das Jahr 1340, bilden aber kein ruhmreiches
Blatt in der englischen Geschichte, da sie eng verknüpft sind mit dem Opium-
kriegc des Jahres 1840, der ein dunkles Kapitel in der Geschichte des
britischen Reiches darstellt. Dieser Krieg war, da er aus Geldgier und aus
niedrigsten Motiven entspringender Habsucht unternommen wurde, einer der
ungerechtesten, die je geführt worden sind. Er war nichts andres als ein
erfolgreicher Raubzug, ausgeführt, um sich durch die Vermehrung und Aus¬
beutung eines furchtbaren Lasters an einem unglücklichen Volke zu bereichem.
Seit jenem Opiumkrieg war der britische Einfluß im fernen Osten in stetem
Abnehmen begriffen. Als Deutschland Kiautschou und Rußland Port Arthur
besetzten, schwieg England still, nicht aus materieller Schwäche, sondern wegen
seiner moralischen Unfähigkeit, mit voller Macht aufzutreten. Die Hände
waren ihm gebunden, und trotz seiner Überlegenheit zur See wagte es nicht,
durch sein Eingreifen eine Erinnerung an sein Verhalten in vergangnen
Zeiten hervorzurufen- Mr. Mprley konnte am 30. Mai 1906 im Hause der
Gemeinen sagen: "Es gibt wenige Länder, auf deren Beziehungen zu uns
wir weniger Grund haben stolz zu sein, als auf die zu China!"

Die erste Besetzung der heutige" Kronkolonie Hongkong, die aus einer
der Südostküste von China vorgelagerten Insel nahe der Mündung des Flusses
Kanton und aus einem Stücke des Festlandes besteht, wurde von der britischen
Regierung im Jahre 1341 vorgenommen. Durch den Vertrag von Nanking
im Jahre 1842 wurde dann das Gebiet förmlich abgetreten, während sich im
Jahre 1860 die Erwerbung von Britisch-Kaulung anschloß auf Grund der



*> Vgl. .Colonel A.- M. Murray, a. n. O.
All den Wegen des Weltverkehrs

Kreuzer ins Gefecht bringen, die es mit jeder denkbaren Vereinigung von
Seestreitkrüften, die sich plötzlich in den chinesischen Gewässern bilden kann,
aufzunehmen vermag. Man hofft jedoch, daß die chinesische Station nicht
mehr lange ohne die Unterstützung von wenigstens einem oder zwei Schlacht¬
schiffen gelassen wird. Denn abgesehen von der hohen moralischen Wirkung,
die die Anwesenheit von Schlachtschiffen überall hervorruft, kann ein Kreuzer
in bezug auf seine Bewaffnung niemals mit einem Schlachtschiff konkurrieren.
Und da die vier großen Seemächte zurzeit schon über die oben aufgeführten
Secstreitkräfte verfügen, so könnte, nach englischer Ansicht, eine plötzliche Ver¬
einigung feindlicher Flottenteile den englischen Kreuzern, die meist nur mit
15-Zentimeter-Geschützen ausgerüstet sind, eine Reihe von Schlachtschiffen
gegenüberstellen mit doppelt so starker Bewaffnung. Diese Lage der Dinge
wurde natürlich von der britischen Admiralität gründlich erwogen; überall*)
aber längs des Seewegs nach dem fernen Osten wird die plötzliche Zurück¬
berufung sämtlicher Schlachtschiffe aus den chinesischen Gewässern im Jahre 1905
allgemein kritisiert.

Die ersten Anfänge britischer Besitzergreifung in der heutigen Kolonie
Hongkong reichen zurück in das Jahr 1340, bilden aber kein ruhmreiches
Blatt in der englischen Geschichte, da sie eng verknüpft sind mit dem Opium-
kriegc des Jahres 1840, der ein dunkles Kapitel in der Geschichte des
britischen Reiches darstellt. Dieser Krieg war, da er aus Geldgier und aus
niedrigsten Motiven entspringender Habsucht unternommen wurde, einer der
ungerechtesten, die je geführt worden sind. Er war nichts andres als ein
erfolgreicher Raubzug, ausgeführt, um sich durch die Vermehrung und Aus¬
beutung eines furchtbaren Lasters an einem unglücklichen Volke zu bereichem.
Seit jenem Opiumkrieg war der britische Einfluß im fernen Osten in stetem
Abnehmen begriffen. Als Deutschland Kiautschou und Rußland Port Arthur
besetzten, schwieg England still, nicht aus materieller Schwäche, sondern wegen
seiner moralischen Unfähigkeit, mit voller Macht aufzutreten. Die Hände
waren ihm gebunden, und trotz seiner Überlegenheit zur See wagte es nicht,
durch sein Eingreifen eine Erinnerung an sein Verhalten in vergangnen
Zeiten hervorzurufen- Mr. Mprley konnte am 30. Mai 1906 im Hause der
Gemeinen sagen: „Es gibt wenige Länder, auf deren Beziehungen zu uns
wir weniger Grund haben stolz zu sein, als auf die zu China!"

Die erste Besetzung der heutige» Kronkolonie Hongkong, die aus einer
der Südostküste von China vorgelagerten Insel nahe der Mündung des Flusses
Kanton und aus einem Stücke des Festlandes besteht, wurde von der britischen
Regierung im Jahre 1341 vorgenommen. Durch den Vertrag von Nanking
im Jahre 1842 wurde dann das Gebiet förmlich abgetreten, während sich im
Jahre 1860 die Erwerbung von Britisch-Kaulung anschloß auf Grund der



*> Vgl. .Colonel A.- M. Murray, a. n. O.
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[0244] All den Wegen des Weltverkehrs Kreuzer ins Gefecht bringen, die es mit jeder denkbaren Vereinigung von Seestreitkrüften, die sich plötzlich in den chinesischen Gewässern bilden kann, aufzunehmen vermag. Man hofft jedoch, daß die chinesische Station nicht mehr lange ohne die Unterstützung von wenigstens einem oder zwei Schlacht¬ schiffen gelassen wird. Denn abgesehen von der hohen moralischen Wirkung, die die Anwesenheit von Schlachtschiffen überall hervorruft, kann ein Kreuzer in bezug auf seine Bewaffnung niemals mit einem Schlachtschiff konkurrieren. Und da die vier großen Seemächte zurzeit schon über die oben aufgeführten Secstreitkräfte verfügen, so könnte, nach englischer Ansicht, eine plötzliche Ver¬ einigung feindlicher Flottenteile den englischen Kreuzern, die meist nur mit 15-Zentimeter-Geschützen ausgerüstet sind, eine Reihe von Schlachtschiffen gegenüberstellen mit doppelt so starker Bewaffnung. Diese Lage der Dinge wurde natürlich von der britischen Admiralität gründlich erwogen; überall*) aber längs des Seewegs nach dem fernen Osten wird die plötzliche Zurück¬ berufung sämtlicher Schlachtschiffe aus den chinesischen Gewässern im Jahre 1905 allgemein kritisiert. Die ersten Anfänge britischer Besitzergreifung in der heutigen Kolonie Hongkong reichen zurück in das Jahr 1340, bilden aber kein ruhmreiches Blatt in der englischen Geschichte, da sie eng verknüpft sind mit dem Opium- kriegc des Jahres 1840, der ein dunkles Kapitel in der Geschichte des britischen Reiches darstellt. Dieser Krieg war, da er aus Geldgier und aus niedrigsten Motiven entspringender Habsucht unternommen wurde, einer der ungerechtesten, die je geführt worden sind. Er war nichts andres als ein erfolgreicher Raubzug, ausgeführt, um sich durch die Vermehrung und Aus¬ beutung eines furchtbaren Lasters an einem unglücklichen Volke zu bereichem. Seit jenem Opiumkrieg war der britische Einfluß im fernen Osten in stetem Abnehmen begriffen. Als Deutschland Kiautschou und Rußland Port Arthur besetzten, schwieg England still, nicht aus materieller Schwäche, sondern wegen seiner moralischen Unfähigkeit, mit voller Macht aufzutreten. Die Hände waren ihm gebunden, und trotz seiner Überlegenheit zur See wagte es nicht, durch sein Eingreifen eine Erinnerung an sein Verhalten in vergangnen Zeiten hervorzurufen- Mr. Mprley konnte am 30. Mai 1906 im Hause der Gemeinen sagen: „Es gibt wenige Länder, auf deren Beziehungen zu uns wir weniger Grund haben stolz zu sein, als auf die zu China!" Die erste Besetzung der heutige» Kronkolonie Hongkong, die aus einer der Südostküste von China vorgelagerten Insel nahe der Mündung des Flusses Kanton und aus einem Stücke des Festlandes besteht, wurde von der britischen Regierung im Jahre 1341 vorgenommen. Durch den Vertrag von Nanking im Jahre 1842 wurde dann das Gebiet förmlich abgetreten, während sich im Jahre 1860 die Erwerbung von Britisch-Kaulung anschloß auf Grund der *> Vgl. .Colonel A.- M. Murray, a. n. O.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/244>, abgerufen am 23.07.2024.