Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Auswärtige Anleihe," in der russischen Budgetgesetzgebung

gebung abgeändert werden kann. Derart haben die Regeln für Maximal¬
budgets den Charakter von besondern, für einen bestimmten Zeitraum ausge¬
gebnen Gesetzen und erinnern an die in Deutschland bekannten Quinquennate,
Septennate und andre.*) In einzelnen Fällen ist die Anwendung des Maximal¬
budgets für mehrere Jahre auch für Zivilbehörden angängig, zum Beispiel bei
der Festsetzung von Krediten für Bauzwecke. Einen praktischen Zweck haben
solche limitierten Budgets in einem autokratisch regierten Staate nicht. Denn
sie können jederzeit, wie bei den 1902 geforderten Mehrbewilligungen für die
Marine, durch einen entsprechenden Vortrag eines Ministers beim Zaren ver¬
größert werden.

Nach Durchsicht der Einzelvoranschläge im Departement für Staatswirt¬
schaft des Reichsrath stellte der Finanzminister den Gesamtentwurf zum Reichs¬
budget auf und reichte ihn spätestens sieben Tage nach der letzten Sitzung
des genannten Departements wieder an dieses zurück. Dieses Departement
hatte nun die Aufgabe, den Reichsbudgetvoranschlag nebst den Voranschlägen
des Finanzministers im Rahmen der Aufgaben der allgemeinen Staatswirtschaft
zu begutachten und im besondern nachzuprüfen, wieweit die vorgeschlagnen
Ausgaben zeitgemäß und nützlich sein würden. Das Departement hatte somit
im wesentlichen die Aufgabe, die in konstitutionellen Staaten durch die Volks¬
vertretung erledigt wird. Der Beschluß des Departements für Staatswirtschaft
gelangte mit dem Budgetvoranschlag an das Plenum des Reichsrath und mit
dessen Einverständnis zur Bestätigung an den Zaren. Das durch den Zaren
bestätigte Reichsbudget wurde durch den Finanzminister gemeinsam mit dessen
Jmmediatberichr über das Budget veröffentlicht. Dabei wurden die einzelnen
Etats als Anlage zum Reichsbudget mit veröffentlicht, jedoch ohne Angabe
von Einzelheiten.

Das ist in kurzen Strichen das allgemeine Bild vom Zustandekommen
des russischen Budgets unter normalen politischen Verhältnissen. Die Termine
für die einzelnen Instanzen sind dabei derart gewählt worden, daß es dem
Zaren möglich war, das Reichsbudget zum 1. Januar jeden Jahres bestätigen
und veröffentlichen lassen zu können. Tatsächlich konnten die Termine acht¬
undzwanzig Jahre hindurch, das heißt seit 1879 festgehalten werden. Für
Gewährung von Ausgaben zu Kriegszwecken oder in kriegerischen Zeiten waren
jedoch noch besondre Vorschriften vorhanden. Danach waren die für die
Vorbereitung einer kriegerischen Aktion sowie für die Kriegsführung selbst er¬
forderlichen Kredite im direkten Vortrag der zuständigen Minister beim Zaren
zu erbitten. Nach Mobilisierung der Armee wurden die erforderlichen Kredite
durch den "besondern Rat" festgestellt, der sich zusammensetzte aus dem Vor¬
sitzenden des Departements für Staatswirtschaft, dem Reichskontrolleur und



Gegenwärtig besteht kein Maximalbudget; das letzte durch das Gesetz vom 2. April 1903
festgelegte betraf das Kriegsministerium und ist im Jahre 1908 abgelaufen.
Auswärtige Anleihe,» in der russischen Budgetgesetzgebung

gebung abgeändert werden kann. Derart haben die Regeln für Maximal¬
budgets den Charakter von besondern, für einen bestimmten Zeitraum ausge¬
gebnen Gesetzen und erinnern an die in Deutschland bekannten Quinquennate,
Septennate und andre.*) In einzelnen Fällen ist die Anwendung des Maximal¬
budgets für mehrere Jahre auch für Zivilbehörden angängig, zum Beispiel bei
der Festsetzung von Krediten für Bauzwecke. Einen praktischen Zweck haben
solche limitierten Budgets in einem autokratisch regierten Staate nicht. Denn
sie können jederzeit, wie bei den 1902 geforderten Mehrbewilligungen für die
Marine, durch einen entsprechenden Vortrag eines Ministers beim Zaren ver¬
größert werden.

Nach Durchsicht der Einzelvoranschläge im Departement für Staatswirt¬
schaft des Reichsrath stellte der Finanzminister den Gesamtentwurf zum Reichs¬
budget auf und reichte ihn spätestens sieben Tage nach der letzten Sitzung
des genannten Departements wieder an dieses zurück. Dieses Departement
hatte nun die Aufgabe, den Reichsbudgetvoranschlag nebst den Voranschlägen
des Finanzministers im Rahmen der Aufgaben der allgemeinen Staatswirtschaft
zu begutachten und im besondern nachzuprüfen, wieweit die vorgeschlagnen
Ausgaben zeitgemäß und nützlich sein würden. Das Departement hatte somit
im wesentlichen die Aufgabe, die in konstitutionellen Staaten durch die Volks¬
vertretung erledigt wird. Der Beschluß des Departements für Staatswirtschaft
gelangte mit dem Budgetvoranschlag an das Plenum des Reichsrath und mit
dessen Einverständnis zur Bestätigung an den Zaren. Das durch den Zaren
bestätigte Reichsbudget wurde durch den Finanzminister gemeinsam mit dessen
Jmmediatberichr über das Budget veröffentlicht. Dabei wurden die einzelnen
Etats als Anlage zum Reichsbudget mit veröffentlicht, jedoch ohne Angabe
von Einzelheiten.

Das ist in kurzen Strichen das allgemeine Bild vom Zustandekommen
des russischen Budgets unter normalen politischen Verhältnissen. Die Termine
für die einzelnen Instanzen sind dabei derart gewählt worden, daß es dem
Zaren möglich war, das Reichsbudget zum 1. Januar jeden Jahres bestätigen
und veröffentlichen lassen zu können. Tatsächlich konnten die Termine acht¬
undzwanzig Jahre hindurch, das heißt seit 1879 festgehalten werden. Für
Gewährung von Ausgaben zu Kriegszwecken oder in kriegerischen Zeiten waren
jedoch noch besondre Vorschriften vorhanden. Danach waren die für die
Vorbereitung einer kriegerischen Aktion sowie für die Kriegsführung selbst er¬
forderlichen Kredite im direkten Vortrag der zuständigen Minister beim Zaren
zu erbitten. Nach Mobilisierung der Armee wurden die erforderlichen Kredite
durch den „besondern Rat" festgestellt, der sich zusammensetzte aus dem Vor¬
sitzenden des Departements für Staatswirtschaft, dem Reichskontrolleur und



Gegenwärtig besteht kein Maximalbudget; das letzte durch das Gesetz vom 2. April 1903
festgelegte betraf das Kriegsministerium und ist im Jahre 1908 abgelaufen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0233" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/312584"/>
            <fw type="header" place="top"> Auswärtige Anleihe,» in der russischen Budgetgesetzgebung</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_872" prev="#ID_871"> gebung abgeändert werden kann. Derart haben die Regeln für Maximal¬<lb/>
budgets den Charakter von besondern, für einen bestimmten Zeitraum ausge¬<lb/>
gebnen Gesetzen und erinnern an die in Deutschland bekannten Quinquennate,<lb/>
Septennate und andre.*) In einzelnen Fällen ist die Anwendung des Maximal¬<lb/>
budgets für mehrere Jahre auch für Zivilbehörden angängig, zum Beispiel bei<lb/>
der Festsetzung von Krediten für Bauzwecke. Einen praktischen Zweck haben<lb/>
solche limitierten Budgets in einem autokratisch regierten Staate nicht. Denn<lb/>
sie können jederzeit, wie bei den 1902 geforderten Mehrbewilligungen für die<lb/>
Marine, durch einen entsprechenden Vortrag eines Ministers beim Zaren ver¬<lb/>
größert werden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_873"> Nach Durchsicht der Einzelvoranschläge im Departement für Staatswirt¬<lb/>
schaft des Reichsrath stellte der Finanzminister den Gesamtentwurf zum Reichs¬<lb/>
budget auf und reichte ihn spätestens sieben Tage nach der letzten Sitzung<lb/>
des genannten Departements wieder an dieses zurück. Dieses Departement<lb/>
hatte nun die Aufgabe, den Reichsbudgetvoranschlag nebst den Voranschlägen<lb/>
des Finanzministers im Rahmen der Aufgaben der allgemeinen Staatswirtschaft<lb/>
zu begutachten und im besondern nachzuprüfen, wieweit die vorgeschlagnen<lb/>
Ausgaben zeitgemäß und nützlich sein würden. Das Departement hatte somit<lb/>
im wesentlichen die Aufgabe, die in konstitutionellen Staaten durch die Volks¬<lb/>
vertretung erledigt wird. Der Beschluß des Departements für Staatswirtschaft<lb/>
gelangte mit dem Budgetvoranschlag an das Plenum des Reichsrath und mit<lb/>
dessen Einverständnis zur Bestätigung an den Zaren. Das durch den Zaren<lb/>
bestätigte Reichsbudget wurde durch den Finanzminister gemeinsam mit dessen<lb/>
Jmmediatberichr über das Budget veröffentlicht. Dabei wurden die einzelnen<lb/>
Etats als Anlage zum Reichsbudget mit veröffentlicht, jedoch ohne Angabe<lb/>
von Einzelheiten.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_874" next="#ID_875"> Das ist in kurzen Strichen das allgemeine Bild vom Zustandekommen<lb/>
des russischen Budgets unter normalen politischen Verhältnissen. Die Termine<lb/>
für die einzelnen Instanzen sind dabei derart gewählt worden, daß es dem<lb/>
Zaren möglich war, das Reichsbudget zum 1. Januar jeden Jahres bestätigen<lb/>
und veröffentlichen lassen zu können. Tatsächlich konnten die Termine acht¬<lb/>
undzwanzig Jahre hindurch, das heißt seit 1879 festgehalten werden. Für<lb/>
Gewährung von Ausgaben zu Kriegszwecken oder in kriegerischen Zeiten waren<lb/>
jedoch noch besondre Vorschriften vorhanden. Danach waren die für die<lb/>
Vorbereitung einer kriegerischen Aktion sowie für die Kriegsführung selbst er¬<lb/>
forderlichen Kredite im direkten Vortrag der zuständigen Minister beim Zaren<lb/>
zu erbitten. Nach Mobilisierung der Armee wurden die erforderlichen Kredite<lb/>
durch den &#x201E;besondern Rat" festgestellt, der sich zusammensetzte aus dem Vor¬<lb/>
sitzenden des Departements für Staatswirtschaft, dem Reichskontrolleur und</p><lb/>
            <note xml:id="FID_34" place="foot"> Gegenwärtig besteht kein Maximalbudget; das letzte durch das Gesetz vom 2. April 1903<lb/>
festgelegte betraf das Kriegsministerium und ist im Jahre 1908 abgelaufen.</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0233] Auswärtige Anleihe,» in der russischen Budgetgesetzgebung gebung abgeändert werden kann. Derart haben die Regeln für Maximal¬ budgets den Charakter von besondern, für einen bestimmten Zeitraum ausge¬ gebnen Gesetzen und erinnern an die in Deutschland bekannten Quinquennate, Septennate und andre.*) In einzelnen Fällen ist die Anwendung des Maximal¬ budgets für mehrere Jahre auch für Zivilbehörden angängig, zum Beispiel bei der Festsetzung von Krediten für Bauzwecke. Einen praktischen Zweck haben solche limitierten Budgets in einem autokratisch regierten Staate nicht. Denn sie können jederzeit, wie bei den 1902 geforderten Mehrbewilligungen für die Marine, durch einen entsprechenden Vortrag eines Ministers beim Zaren ver¬ größert werden. Nach Durchsicht der Einzelvoranschläge im Departement für Staatswirt¬ schaft des Reichsrath stellte der Finanzminister den Gesamtentwurf zum Reichs¬ budget auf und reichte ihn spätestens sieben Tage nach der letzten Sitzung des genannten Departements wieder an dieses zurück. Dieses Departement hatte nun die Aufgabe, den Reichsbudgetvoranschlag nebst den Voranschlägen des Finanzministers im Rahmen der Aufgaben der allgemeinen Staatswirtschaft zu begutachten und im besondern nachzuprüfen, wieweit die vorgeschlagnen Ausgaben zeitgemäß und nützlich sein würden. Das Departement hatte somit im wesentlichen die Aufgabe, die in konstitutionellen Staaten durch die Volks¬ vertretung erledigt wird. Der Beschluß des Departements für Staatswirtschaft gelangte mit dem Budgetvoranschlag an das Plenum des Reichsrath und mit dessen Einverständnis zur Bestätigung an den Zaren. Das durch den Zaren bestätigte Reichsbudget wurde durch den Finanzminister gemeinsam mit dessen Jmmediatberichr über das Budget veröffentlicht. Dabei wurden die einzelnen Etats als Anlage zum Reichsbudget mit veröffentlicht, jedoch ohne Angabe von Einzelheiten. Das ist in kurzen Strichen das allgemeine Bild vom Zustandekommen des russischen Budgets unter normalen politischen Verhältnissen. Die Termine für die einzelnen Instanzen sind dabei derart gewählt worden, daß es dem Zaren möglich war, das Reichsbudget zum 1. Januar jeden Jahres bestätigen und veröffentlichen lassen zu können. Tatsächlich konnten die Termine acht¬ undzwanzig Jahre hindurch, das heißt seit 1879 festgehalten werden. Für Gewährung von Ausgaben zu Kriegszwecken oder in kriegerischen Zeiten waren jedoch noch besondre Vorschriften vorhanden. Danach waren die für die Vorbereitung einer kriegerischen Aktion sowie für die Kriegsführung selbst er¬ forderlichen Kredite im direkten Vortrag der zuständigen Minister beim Zaren zu erbitten. Nach Mobilisierung der Armee wurden die erforderlichen Kredite durch den „besondern Rat" festgestellt, der sich zusammensetzte aus dem Vor¬ sitzenden des Departements für Staatswirtschaft, dem Reichskontrolleur und Gegenwärtig besteht kein Maximalbudget; das letzte durch das Gesetz vom 2. April 1903 festgelegte betraf das Kriegsministerium und ist im Jahre 1908 abgelaufen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/233
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/233>, abgerufen am 12.12.2024.