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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Auswärtige Anleihen in der russischen Budgetgesetzgebung

Tadler hatten einen solchen Entschluß nicht für möglich gehalten, weil sie
Ähnliches selbst nicht zu tun vermöchten, aber Kaiser Wilhelm kennt die Ge¬
schichte seines Hauses zu genau, um nicht zu wissen, daß gerade die hervor¬
ragendsten Glieder der Dynastie im seelischen Ringen erstarkten und dann erst
recht mit dem Volke verwuchsen-




Au5wärtige Anleihen
in der russischen Budgetgesetzgebung
von George Lleinom

lährend diese Zeilen in Druck gelegt werden, findet gleichzeitig in
Paris, London und Holland die Emission der neusten russischen
^/zprozentigen Staatsanleihe im Betrage von 1350 Millionen
Franken zum Kurse von 89^ Prozent statt. Wie der Frankfurter
I Zeitung*) aus Paris gemeldet wird, "haben die Besprechungen
tagelang gedauert, und der niedrige Kurs hat allgemein überrascht; er hat auf
den Stand der ältern Anleihen einen Druck ausgeübt, während die neue Anleihe
bereits mit einer Prämie von über 2 Prozent gehandelt wurde". Wir sind
in der Lage, auf Grund eigner Information von durchaus eingeweihter Seite
hinzuzufügen, daß die russische Regierung tatsächlich nur 83 Prozent erhält
und den Stempel selbst zahlt. Die französischen Großbanken machen somit
ein glänzendes Geschäft.

Die Anbringung der Anleihe hat somit der russischen Regierung große
Schwierigkeiten bereitet. In Deutschland wird sie überhaupt nicht direkt auf den
Markt gebracht. Aber es wird genug Privatpersonen geben, die, vielleicht durch
den hohen Zinsfuß und den niedrigen Emissionskurs angelockt, ihre Ersparnisse
in dem neuen russischen Papier anlegen werden. Es scheint mir darum an der
Zeit, auf einen der wesentlichsten Gründe dafür hinzuweisen, weshalb sich die
französischen und die englischen Bankiers, die doch gegenwärtig zu Rußland in
einem besonders freundschaftlichen Verhältnis stehn sollten, ihre Bemühungen
so außerordentlich hoch bezahlen lassen. Ganz abgesehn von der immer noch
bestehenden Unsicherheit im Innern Rußlands, liegt der Hauptgrund für die
Ängstlichkeit in der Stellung, die auswärtige Anleihen in der russischen Budget-



*) Ur, 10, Erstes MoMnblatt, S, 3,
Grenzboten I 1S09 2^
Auswärtige Anleihen in der russischen Budgetgesetzgebung

Tadler hatten einen solchen Entschluß nicht für möglich gehalten, weil sie
Ähnliches selbst nicht zu tun vermöchten, aber Kaiser Wilhelm kennt die Ge¬
schichte seines Hauses zu genau, um nicht zu wissen, daß gerade die hervor¬
ragendsten Glieder der Dynastie im seelischen Ringen erstarkten und dann erst
recht mit dem Volke verwuchsen-




Au5wärtige Anleihen
in der russischen Budgetgesetzgebung
von George Lleinom

lährend diese Zeilen in Druck gelegt werden, findet gleichzeitig in
Paris, London und Holland die Emission der neusten russischen
^/zprozentigen Staatsanleihe im Betrage von 1350 Millionen
Franken zum Kurse von 89^ Prozent statt. Wie der Frankfurter
I Zeitung*) aus Paris gemeldet wird, „haben die Besprechungen
tagelang gedauert, und der niedrige Kurs hat allgemein überrascht; er hat auf
den Stand der ältern Anleihen einen Druck ausgeübt, während die neue Anleihe
bereits mit einer Prämie von über 2 Prozent gehandelt wurde". Wir sind
in der Lage, auf Grund eigner Information von durchaus eingeweihter Seite
hinzuzufügen, daß die russische Regierung tatsächlich nur 83 Prozent erhält
und den Stempel selbst zahlt. Die französischen Großbanken machen somit
ein glänzendes Geschäft.

Die Anbringung der Anleihe hat somit der russischen Regierung große
Schwierigkeiten bereitet. In Deutschland wird sie überhaupt nicht direkt auf den
Markt gebracht. Aber es wird genug Privatpersonen geben, die, vielleicht durch
den hohen Zinsfuß und den niedrigen Emissionskurs angelockt, ihre Ersparnisse
in dem neuen russischen Papier anlegen werden. Es scheint mir darum an der
Zeit, auf einen der wesentlichsten Gründe dafür hinzuweisen, weshalb sich die
französischen und die englischen Bankiers, die doch gegenwärtig zu Rußland in
einem besonders freundschaftlichen Verhältnis stehn sollten, ihre Bemühungen
so außerordentlich hoch bezahlen lassen. Ganz abgesehn von der immer noch
bestehenden Unsicherheit im Innern Rußlands, liegt der Hauptgrund für die
Ängstlichkeit in der Stellung, die auswärtige Anleihen in der russischen Budget-



*) Ur, 10, Erstes MoMnblatt, S, 3,
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[0229] Auswärtige Anleihen in der russischen Budgetgesetzgebung Tadler hatten einen solchen Entschluß nicht für möglich gehalten, weil sie Ähnliches selbst nicht zu tun vermöchten, aber Kaiser Wilhelm kennt die Ge¬ schichte seines Hauses zu genau, um nicht zu wissen, daß gerade die hervor¬ ragendsten Glieder der Dynastie im seelischen Ringen erstarkten und dann erst recht mit dem Volke verwuchsen- Au5wärtige Anleihen in der russischen Budgetgesetzgebung von George Lleinom lährend diese Zeilen in Druck gelegt werden, findet gleichzeitig in Paris, London und Holland die Emission der neusten russischen ^/zprozentigen Staatsanleihe im Betrage von 1350 Millionen Franken zum Kurse von 89^ Prozent statt. Wie der Frankfurter I Zeitung*) aus Paris gemeldet wird, „haben die Besprechungen tagelang gedauert, und der niedrige Kurs hat allgemein überrascht; er hat auf den Stand der ältern Anleihen einen Druck ausgeübt, während die neue Anleihe bereits mit einer Prämie von über 2 Prozent gehandelt wurde". Wir sind in der Lage, auf Grund eigner Information von durchaus eingeweihter Seite hinzuzufügen, daß die russische Regierung tatsächlich nur 83 Prozent erhält und den Stempel selbst zahlt. Die französischen Großbanken machen somit ein glänzendes Geschäft. Die Anbringung der Anleihe hat somit der russischen Regierung große Schwierigkeiten bereitet. In Deutschland wird sie überhaupt nicht direkt auf den Markt gebracht. Aber es wird genug Privatpersonen geben, die, vielleicht durch den hohen Zinsfuß und den niedrigen Emissionskurs angelockt, ihre Ersparnisse in dem neuen russischen Papier anlegen werden. Es scheint mir darum an der Zeit, auf einen der wesentlichsten Gründe dafür hinzuweisen, weshalb sich die französischen und die englischen Bankiers, die doch gegenwärtig zu Rußland in einem besonders freundschaftlichen Verhältnis stehn sollten, ihre Bemühungen so außerordentlich hoch bezahlen lassen. Ganz abgesehn von der immer noch bestehenden Unsicherheit im Innern Rußlands, liegt der Hauptgrund für die Ängstlichkeit in der Stellung, die auswärtige Anleihen in der russischen Budget- *) Ur, 10, Erstes MoMnblatt, S, 3, Grenzboten I 1S09 2^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/229>, abgerufen am 12.12.2024.