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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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ven Kaiser

eine Flotte geschaffen und es im Stande erhalten hat, sich inmitten des großen
Wettstreits der Völker nicht nur in seiner alten Größe zu behaupten, sondern
auch weitern Raum zu gewinnen. Günstige äußere Konstellationen sind ihm
dabei nicht zugunsten gekommen, im Gegenteil hat der gewaltige Aufschwung
von Industrie und Handel Deutschland weitere Feindschaften eingebracht, die
durch, Freundschafts- und Friedensversicherungen nicht zu versöhnen, aber durch
Erwiderungen feindseliger Art auch nicht mehr zu verschärfen sind. Unter diesen
Umständen, deren erste Entwicklung bis zu den letzten Jahren der Reichskanzler¬
schaft Bismarcks zurückverfolgt werden kann, ist es kein geringes Verdienst der
im Namen und mit Willen des Kaisers geführten Politik, daß das reiche Erbe
seiner Vorfahren nicht nur erhalten worden ist, sondern sich auch in weitrer
gedeihlicher Entwicklung befindet. Die im bürgerlichen Leben häufig erlebte Er¬
fahrung, daß es selbst bei unveränderter Tüchtigkeit leichter ist, in günstigen Zeit¬
läuften etwas zu erwerben, als es in ungünstigen ungefährdet zu bewahren,
hat auch für die große Politik ihre volle Bedeutung. Dieser Tatsache sollten
die häufig übereifriger Kritiker der gegenwärtigen Lage des Vaterlands stets
gewissenhaft Rechnung tragen.

^ Was unsre Armee und ihre Führung betrifft, so ist das gesamte deutsche
Volk mit bestem Grund vollkommen ruhig, ja sogar so unerschütterlich ruhig, daß
die in den letzten Jahren vollzogn" Zusammenziehung der englischen Flotte in
den heimischen Häfen mit der unverhüllt offiziös und nicht offiziös ausgesprochnen
Spitze gegen Deutschland hier nicht die geringste Besorgnis, kaum einige gereizte
Äußerungen in den Zeitungen hervorgerufen hat. Es bedürfte auch nicht des
bewundernden Zugeständnisses des französischen Majors Driant, der den Kaiser¬
manövern in den letzten Jahren beigewohnt hat, daß die Person des Kaisers
mehr als ein Armeekorps bedeute. Im deutschen Volke, innerhalb wie außer¬
halb des Heeres, hat man zu keiner Zeit daran gezweifelt, daß Kaiser Wilhelm
her Träger des seit dem Großen Kurfürsten geltenden Grundsatzes ist, daß
eine tüchtige Armee die Grundlage des Staats bildet, und daß er als oberster
Kriegsherr nach diesem Grundsatze auch mit ungewöhnlicher Begabung und
unermüdlicher Arbeit wirkt und schafft.

Kaiser Wilhelm ist nicht der Mann des tatenlosen Genusses. Was er
von seinen Vätern ererbt hat, will er erwerben, um es zu besitzen und das
Glück dieses Besitzes seinem Volke zu sichern. Deutschland war in den ersten
Jahrzehnten nach seiner Erflehung industriell zu einer gewaltigen Höhe empor¬
gewachsen und hatte den Erdball mit einem Netz von Handelsinteressen um¬
sponnen. Da war Kaiser Wilhelm der erste, der klar erkannte, daß die
Umwandlung der deutschen Verteidigungsflotte in eine Hochseeflotte nötig
war, daß die gepanzerte Faust der Entwicklung der industriellen Ausdehnung
folgen müsse, daß aber auf der andern Seite nur ein wirtschaftlich voll ent¬
wickeltes Volk auf die Dauer die Kraft haben werde, die schwere Rüstung


ven Kaiser

eine Flotte geschaffen und es im Stande erhalten hat, sich inmitten des großen
Wettstreits der Völker nicht nur in seiner alten Größe zu behaupten, sondern
auch weitern Raum zu gewinnen. Günstige äußere Konstellationen sind ihm
dabei nicht zugunsten gekommen, im Gegenteil hat der gewaltige Aufschwung
von Industrie und Handel Deutschland weitere Feindschaften eingebracht, die
durch, Freundschafts- und Friedensversicherungen nicht zu versöhnen, aber durch
Erwiderungen feindseliger Art auch nicht mehr zu verschärfen sind. Unter diesen
Umständen, deren erste Entwicklung bis zu den letzten Jahren der Reichskanzler¬
schaft Bismarcks zurückverfolgt werden kann, ist es kein geringes Verdienst der
im Namen und mit Willen des Kaisers geführten Politik, daß das reiche Erbe
seiner Vorfahren nicht nur erhalten worden ist, sondern sich auch in weitrer
gedeihlicher Entwicklung befindet. Die im bürgerlichen Leben häufig erlebte Er¬
fahrung, daß es selbst bei unveränderter Tüchtigkeit leichter ist, in günstigen Zeit¬
läuften etwas zu erwerben, als es in ungünstigen ungefährdet zu bewahren,
hat auch für die große Politik ihre volle Bedeutung. Dieser Tatsache sollten
die häufig übereifriger Kritiker der gegenwärtigen Lage des Vaterlands stets
gewissenhaft Rechnung tragen.

^ Was unsre Armee und ihre Führung betrifft, so ist das gesamte deutsche
Volk mit bestem Grund vollkommen ruhig, ja sogar so unerschütterlich ruhig, daß
die in den letzten Jahren vollzogn« Zusammenziehung der englischen Flotte in
den heimischen Häfen mit der unverhüllt offiziös und nicht offiziös ausgesprochnen
Spitze gegen Deutschland hier nicht die geringste Besorgnis, kaum einige gereizte
Äußerungen in den Zeitungen hervorgerufen hat. Es bedürfte auch nicht des
bewundernden Zugeständnisses des französischen Majors Driant, der den Kaiser¬
manövern in den letzten Jahren beigewohnt hat, daß die Person des Kaisers
mehr als ein Armeekorps bedeute. Im deutschen Volke, innerhalb wie außer¬
halb des Heeres, hat man zu keiner Zeit daran gezweifelt, daß Kaiser Wilhelm
her Träger des seit dem Großen Kurfürsten geltenden Grundsatzes ist, daß
eine tüchtige Armee die Grundlage des Staats bildet, und daß er als oberster
Kriegsherr nach diesem Grundsatze auch mit ungewöhnlicher Begabung und
unermüdlicher Arbeit wirkt und schafft.

Kaiser Wilhelm ist nicht der Mann des tatenlosen Genusses. Was er
von seinen Vätern ererbt hat, will er erwerben, um es zu besitzen und das
Glück dieses Besitzes seinem Volke zu sichern. Deutschland war in den ersten
Jahrzehnten nach seiner Erflehung industriell zu einer gewaltigen Höhe empor¬
gewachsen und hatte den Erdball mit einem Netz von Handelsinteressen um¬
sponnen. Da war Kaiser Wilhelm der erste, der klar erkannte, daß die
Umwandlung der deutschen Verteidigungsflotte in eine Hochseeflotte nötig
war, daß die gepanzerte Faust der Entwicklung der industriellen Ausdehnung
folgen müsse, daß aber auf der andern Seite nur ein wirtschaftlich voll ent¬
wickeltes Volk auf die Dauer die Kraft haben werde, die schwere Rüstung


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[0226] ven Kaiser eine Flotte geschaffen und es im Stande erhalten hat, sich inmitten des großen Wettstreits der Völker nicht nur in seiner alten Größe zu behaupten, sondern auch weitern Raum zu gewinnen. Günstige äußere Konstellationen sind ihm dabei nicht zugunsten gekommen, im Gegenteil hat der gewaltige Aufschwung von Industrie und Handel Deutschland weitere Feindschaften eingebracht, die durch, Freundschafts- und Friedensversicherungen nicht zu versöhnen, aber durch Erwiderungen feindseliger Art auch nicht mehr zu verschärfen sind. Unter diesen Umständen, deren erste Entwicklung bis zu den letzten Jahren der Reichskanzler¬ schaft Bismarcks zurückverfolgt werden kann, ist es kein geringes Verdienst der im Namen und mit Willen des Kaisers geführten Politik, daß das reiche Erbe seiner Vorfahren nicht nur erhalten worden ist, sondern sich auch in weitrer gedeihlicher Entwicklung befindet. Die im bürgerlichen Leben häufig erlebte Er¬ fahrung, daß es selbst bei unveränderter Tüchtigkeit leichter ist, in günstigen Zeit¬ läuften etwas zu erwerben, als es in ungünstigen ungefährdet zu bewahren, hat auch für die große Politik ihre volle Bedeutung. Dieser Tatsache sollten die häufig übereifriger Kritiker der gegenwärtigen Lage des Vaterlands stets gewissenhaft Rechnung tragen. ^ Was unsre Armee und ihre Führung betrifft, so ist das gesamte deutsche Volk mit bestem Grund vollkommen ruhig, ja sogar so unerschütterlich ruhig, daß die in den letzten Jahren vollzogn« Zusammenziehung der englischen Flotte in den heimischen Häfen mit der unverhüllt offiziös und nicht offiziös ausgesprochnen Spitze gegen Deutschland hier nicht die geringste Besorgnis, kaum einige gereizte Äußerungen in den Zeitungen hervorgerufen hat. Es bedürfte auch nicht des bewundernden Zugeständnisses des französischen Majors Driant, der den Kaiser¬ manövern in den letzten Jahren beigewohnt hat, daß die Person des Kaisers mehr als ein Armeekorps bedeute. Im deutschen Volke, innerhalb wie außer¬ halb des Heeres, hat man zu keiner Zeit daran gezweifelt, daß Kaiser Wilhelm her Träger des seit dem Großen Kurfürsten geltenden Grundsatzes ist, daß eine tüchtige Armee die Grundlage des Staats bildet, und daß er als oberster Kriegsherr nach diesem Grundsatze auch mit ungewöhnlicher Begabung und unermüdlicher Arbeit wirkt und schafft. Kaiser Wilhelm ist nicht der Mann des tatenlosen Genusses. Was er von seinen Vätern ererbt hat, will er erwerben, um es zu besitzen und das Glück dieses Besitzes seinem Volke zu sichern. Deutschland war in den ersten Jahrzehnten nach seiner Erflehung industriell zu einer gewaltigen Höhe empor¬ gewachsen und hatte den Erdball mit einem Netz von Handelsinteressen um¬ sponnen. Da war Kaiser Wilhelm der erste, der klar erkannte, daß die Umwandlung der deutschen Verteidigungsflotte in eine Hochseeflotte nötig war, daß die gepanzerte Faust der Entwicklung der industriellen Ausdehnung folgen müsse, daß aber auf der andern Seite nur ein wirtschaftlich voll ent¬ wickeltes Volk auf die Dauer die Kraft haben werde, die schwere Rüstung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/226>, abgerufen am 03.07.2024.