Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.Der Sparer und die Reichsfinanzreform Es ist nicht ausgeschlossen, daß von gewissen Seiten auch die vorstehenden Der Sparer und die Reichsfinanzresorm Geh. Regierungsrat Dr. zur, Seidel von '^^5^//' Grenzboten I 1909 23
Der Sparer und die Reichsfinanzreform Es ist nicht ausgeschlossen, daß von gewissen Seiten auch die vorstehenden Der Sparer und die Reichsfinanzresorm Geh. Regierungsrat Dr. zur, Seidel von '^^5^//' Grenzboten I 1909 23
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0181" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/312532"/> <fw type="header" place="top"> Der Sparer und die Reichsfinanzreform</fw><lb/> <p xml:id="ID_669"> Es ist nicht ausgeschlossen, daß von gewissen Seiten auch die vorstehenden<lb/> Betrachtungen als Versuch ausgelegt werden, den Kaiser in seinem Gefühl des<lb/> Gottesgnadentums zu bestärken. Wem noch aus der Jugendzeit die gleichen<lb/> Redensarten aus der preußischen Konfliktszeit im Ohre liegen, den läßt die wieder<lb/> aufgewärmte Phrase kalt. Das Gottesgnadentum der Hohenzollern hat die<lb/> Entstehung des Reichs und seine heutige Größe und Blüte nicht gehindert. Es<lb/> würde aber dem Vaterlande nützen und der Mehrzahl unsrer Tagespolitiker<lb/> wohl auftehn, wenn sie die ihnen übertragne Aufgabe auch als eine von einer<lb/> höhern Macht, der sie Verantwortung schulden, aufgelegt ansetzn möchten. Was<lb/> hier Volksstimmung genannt wird, würde damit sehr einverstanden sein. Hierauf<lb/> hinzuweisen ist der einzige Zweck dieser Zeilen. Die Grenzboten haben schon<lb/> seit einigen Jahren wiederholt auf die selbständige Eigenart der Volksstimmung:<lb/> den lebhaften Sinn für Deutschlands Seegeltung und die allgemeine bürgerliche<lb/> Abneigung gegen die Sozialdemokratie, hingewiesen. Die weiten Kreise, die<lb/> immer vergnügt in ihren eignen Meinungen herumplätschern, haben diese<lb/> Hinweise übersehn. Aber der jetzige Reichstag ist auf Grund dieser Volks¬<lb/> stimmung, nicht wegen jener Meinungen gewühlt worden, und er hat dieses<lb/> Vertrauen zu rechtfertigen. Erst wenn er die Sünden seiner Vorgänger gut¬<lb/> gemacht hat, wird das deutsche Parlament bei der Volksstimmung ein Ansetzn<lb/> gewinnen, dessen sich das Kaisertum längst erfreut, und würde sich überhaupt<lb/> zu einer Stellung emporheben, die ihm gar kein geschriebner Verfassungs¬<lb/> paragraph zu verschaffen vermag. Die Vorgänge im November und seither<lb/> haben wieder einmal gelehrt, daß die im Privatleben tausendfach gemachte<lb/> Erfahrung, daß die Herabsetzung des andern den eignen Wert des Aburteilenden<lb/><note type="byline"> -y.</note> nicht erhöht, auch für die politische Öffentlichkeit gilt. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Der Sparer und die Reichsfinanzresorm<lb/><note type="byline"> Geh. Regierungsrat Dr. zur, Seidel</note> von</head><lb/> <p xml:id="ID_670" next="#ID_671"> '^^5^//'<lb/> K^/GM<lb/> W^S-N^> er Reichskanzler Fürst Bülow hat in seiner Rede zur Einleitung<lb/> der Beratung über die Reichsfinanzreform im Reichstage vom<lb/> 19. November v. I. in dem Sinne darauf hingewiesen, daß bei<lb/> der Deckung unsers bisherigen Finanzbedarfs eine beispiel¬<lb/> lose Beanspruchung des deutschen Geldmarktes durch<lb/> die Einzelstaaten und kommunalen Verbände vorliege. Durch die<lb/> kommunalen Staats- und Neichsanleihen sei die Aufnahmefähigkeit des deutschen<lb/> Marktes erschöpft, und der Stand der Anleihen dauernd hinabgedrückt worden.<lb/> Während die vierprozentige Deutsche Neichsanleihe genau 99 Prozent notiert,<lb/> standen vierprozentige Italiener auf 104,75 Prozent, Spanier auf 96,05 Prozent,</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I 1909 23</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0181]
Der Sparer und die Reichsfinanzreform
Es ist nicht ausgeschlossen, daß von gewissen Seiten auch die vorstehenden
Betrachtungen als Versuch ausgelegt werden, den Kaiser in seinem Gefühl des
Gottesgnadentums zu bestärken. Wem noch aus der Jugendzeit die gleichen
Redensarten aus der preußischen Konfliktszeit im Ohre liegen, den läßt die wieder
aufgewärmte Phrase kalt. Das Gottesgnadentum der Hohenzollern hat die
Entstehung des Reichs und seine heutige Größe und Blüte nicht gehindert. Es
würde aber dem Vaterlande nützen und der Mehrzahl unsrer Tagespolitiker
wohl auftehn, wenn sie die ihnen übertragne Aufgabe auch als eine von einer
höhern Macht, der sie Verantwortung schulden, aufgelegt ansetzn möchten. Was
hier Volksstimmung genannt wird, würde damit sehr einverstanden sein. Hierauf
hinzuweisen ist der einzige Zweck dieser Zeilen. Die Grenzboten haben schon
seit einigen Jahren wiederholt auf die selbständige Eigenart der Volksstimmung:
den lebhaften Sinn für Deutschlands Seegeltung und die allgemeine bürgerliche
Abneigung gegen die Sozialdemokratie, hingewiesen. Die weiten Kreise, die
immer vergnügt in ihren eignen Meinungen herumplätschern, haben diese
Hinweise übersehn. Aber der jetzige Reichstag ist auf Grund dieser Volks¬
stimmung, nicht wegen jener Meinungen gewühlt worden, und er hat dieses
Vertrauen zu rechtfertigen. Erst wenn er die Sünden seiner Vorgänger gut¬
gemacht hat, wird das deutsche Parlament bei der Volksstimmung ein Ansetzn
gewinnen, dessen sich das Kaisertum längst erfreut, und würde sich überhaupt
zu einer Stellung emporheben, die ihm gar kein geschriebner Verfassungs¬
paragraph zu verschaffen vermag. Die Vorgänge im November und seither
haben wieder einmal gelehrt, daß die im Privatleben tausendfach gemachte
Erfahrung, daß die Herabsetzung des andern den eignen Wert des Aburteilenden
-y. nicht erhöht, auch für die politische Öffentlichkeit gilt.
Der Sparer und die Reichsfinanzresorm
Geh. Regierungsrat Dr. zur, Seidel von
'^^5^//'
K^/GM
W^S-N^> er Reichskanzler Fürst Bülow hat in seiner Rede zur Einleitung
der Beratung über die Reichsfinanzreform im Reichstage vom
19. November v. I. in dem Sinne darauf hingewiesen, daß bei
der Deckung unsers bisherigen Finanzbedarfs eine beispiel¬
lose Beanspruchung des deutschen Geldmarktes durch
die Einzelstaaten und kommunalen Verbände vorliege. Durch die
kommunalen Staats- und Neichsanleihen sei die Aufnahmefähigkeit des deutschen
Marktes erschöpft, und der Stand der Anleihen dauernd hinabgedrückt worden.
Während die vierprozentige Deutsche Neichsanleihe genau 99 Prozent notiert,
standen vierprozentige Italiener auf 104,75 Prozent, Spanier auf 96,05 Prozent,
Grenzboten I 1909 23
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