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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Die Geschichte der Wilhelmshöhe

Es ist vielleicht deutsche Art, des Lichtes nicht genießen zu können, ohne
zugleich den ernsten Schatten und den trüben Wolken nachzugehn, die das
Licht einmal verdunkelt haben, oder die einem das helle Bild noch jetzt ver¬
dunkeln könnten. Wir haben wohl die Neigung, in alles, auch in den schönsten
Klang hinein ein politisch Lied zu schmettern, und findet sich sonst nichts, woran
wir uns ärgern könnten, so beschwören wir die Erinnerung längst vergangner
und verwundner Schmerzen herauf und verderben uns damit den frohen Augen¬
blick. Wir sind aber doch nicht überall so empfindsam, sondern erfreuen uns
zum Beispiel der Schöpfungen der Renaissance in Rom. ohne uns wegen der
gewaltigen Opfer, die sie doch auch einmal gefordert haben werden, das Herz
schwer machen zu lassen. Jede Zeit muß eben für künftige Zeiten Opfer bringen,
oft sehr blutige und schwere, sie trügt die Last, und spätere Zeiten haben den
Nutzen. Die auf die Wilhelmshöher Anlagen verwandten gewiß gewaltigen
Summen, über deren Aufbringung und Verwendung das Heidelbachsche Buch
genau orientiert, sind jedenfalls auch rein geschäftsmäßig betrachtet recht nützlich
für das Land angelegt worden, viel nutzbringender, als wenn man den Wassern
ihren natürlichen Lauf gelassen oder sie zum Antrieb von Maschinen verwandt
hätte. Wie viele Tausende finden nun Jahr für Jahr Erquickung und Erholung
auf der Wilhelmshöhe, wie viele Tausende erfreuen sich ihrer Schönheiten. Und
lohnen sich schließlich die Anlagen nicht auch für das Land nach der materiellen
Seite hin?

Was nun die Beurteilung der hessischen Fürsten selbst betrifft, so ant¬
wortet Heidelbach mit Recht auf die immer von neuem wiederholte Anklage:
"Es scheint erfolglos zu sein, diesem besonders durch Seume veranlaßten
literarischen Unfug mit seinen Entstellungen und einseitigen Übertreibungen ein
Ende zu machen. Seitdem Karl Preser in einer Monographie den Subsidien-
handel auf archivalischer Grundlage dargestellt hat. kann nur noch Unwissenheit
oder Absicht an jener einseitigen Kritik festhalten. Wir in Hessen verlangen
nicht, daß der Subsidienhandel irgendwie beschönigt werde, aber wir verlangen,
daß man diese leidige Angelegenheit aus den Zuständen und Anschauungen der
Zeit heraus zu verstehn sucht... Das achtzehnte Jahrhundert kann geradezu
als das Jahrhundert der Subsidienverträge bezeichnet werden. Und während
in vielen andern Ländern die Subsidienüberschüsse, wie sie gewonnen waren,
so auch wieder zerrannen, ist. wie Preser nachweist, in Hessen durch sie der
Grund gelegt worden zu einem Staatsschatz, der als Eigentum des Landes das
Stammkapital unsers Kommunalfonds bildet und als solcher noch heute dem
Regierungsbezirk zugute kommt."

Hätten diese hessischen Fürsten wirklich ihre Taschen gefüllt, dann hätten
sie vermutlich unbehelligt in ihrem Grabe ruhen dürfen und wären für die
Sünden ihrer Zeit nicht mehr als andre verantwortlich gemacht worden. Sie
waren jedoch bedeutende und kunstsinnige Fürsten, und nicht durch die Opfer,
die sie ihrem Volk auflegten, sondern durch das Schöne, das sie mit diesen


Die Geschichte der Wilhelmshöhe

Es ist vielleicht deutsche Art, des Lichtes nicht genießen zu können, ohne
zugleich den ernsten Schatten und den trüben Wolken nachzugehn, die das
Licht einmal verdunkelt haben, oder die einem das helle Bild noch jetzt ver¬
dunkeln könnten. Wir haben wohl die Neigung, in alles, auch in den schönsten
Klang hinein ein politisch Lied zu schmettern, und findet sich sonst nichts, woran
wir uns ärgern könnten, so beschwören wir die Erinnerung längst vergangner
und verwundner Schmerzen herauf und verderben uns damit den frohen Augen¬
blick. Wir sind aber doch nicht überall so empfindsam, sondern erfreuen uns
zum Beispiel der Schöpfungen der Renaissance in Rom. ohne uns wegen der
gewaltigen Opfer, die sie doch auch einmal gefordert haben werden, das Herz
schwer machen zu lassen. Jede Zeit muß eben für künftige Zeiten Opfer bringen,
oft sehr blutige und schwere, sie trügt die Last, und spätere Zeiten haben den
Nutzen. Die auf die Wilhelmshöher Anlagen verwandten gewiß gewaltigen
Summen, über deren Aufbringung und Verwendung das Heidelbachsche Buch
genau orientiert, sind jedenfalls auch rein geschäftsmäßig betrachtet recht nützlich
für das Land angelegt worden, viel nutzbringender, als wenn man den Wassern
ihren natürlichen Lauf gelassen oder sie zum Antrieb von Maschinen verwandt
hätte. Wie viele Tausende finden nun Jahr für Jahr Erquickung und Erholung
auf der Wilhelmshöhe, wie viele Tausende erfreuen sich ihrer Schönheiten. Und
lohnen sich schließlich die Anlagen nicht auch für das Land nach der materiellen
Seite hin?

Was nun die Beurteilung der hessischen Fürsten selbst betrifft, so ant¬
wortet Heidelbach mit Recht auf die immer von neuem wiederholte Anklage:
»Es scheint erfolglos zu sein, diesem besonders durch Seume veranlaßten
literarischen Unfug mit seinen Entstellungen und einseitigen Übertreibungen ein
Ende zu machen. Seitdem Karl Preser in einer Monographie den Subsidien-
handel auf archivalischer Grundlage dargestellt hat. kann nur noch Unwissenheit
oder Absicht an jener einseitigen Kritik festhalten. Wir in Hessen verlangen
nicht, daß der Subsidienhandel irgendwie beschönigt werde, aber wir verlangen,
daß man diese leidige Angelegenheit aus den Zuständen und Anschauungen der
Zeit heraus zu verstehn sucht... Das achtzehnte Jahrhundert kann geradezu
als das Jahrhundert der Subsidienverträge bezeichnet werden. Und während
in vielen andern Ländern die Subsidienüberschüsse, wie sie gewonnen waren,
so auch wieder zerrannen, ist. wie Preser nachweist, in Hessen durch sie der
Grund gelegt worden zu einem Staatsschatz, der als Eigentum des Landes das
Stammkapital unsers Kommunalfonds bildet und als solcher noch heute dem
Regierungsbezirk zugute kommt."

Hätten diese hessischen Fürsten wirklich ihre Taschen gefüllt, dann hätten
sie vermutlich unbehelligt in ihrem Grabe ruhen dürfen und wären für die
Sünden ihrer Zeit nicht mehr als andre verantwortlich gemacht worden. Sie
waren jedoch bedeutende und kunstsinnige Fürsten, und nicht durch die Opfer,
die sie ihrem Volk auflegten, sondern durch das Schöne, das sie mit diesen


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[0135] Die Geschichte der Wilhelmshöhe Es ist vielleicht deutsche Art, des Lichtes nicht genießen zu können, ohne zugleich den ernsten Schatten und den trüben Wolken nachzugehn, die das Licht einmal verdunkelt haben, oder die einem das helle Bild noch jetzt ver¬ dunkeln könnten. Wir haben wohl die Neigung, in alles, auch in den schönsten Klang hinein ein politisch Lied zu schmettern, und findet sich sonst nichts, woran wir uns ärgern könnten, so beschwören wir die Erinnerung längst vergangner und verwundner Schmerzen herauf und verderben uns damit den frohen Augen¬ blick. Wir sind aber doch nicht überall so empfindsam, sondern erfreuen uns zum Beispiel der Schöpfungen der Renaissance in Rom. ohne uns wegen der gewaltigen Opfer, die sie doch auch einmal gefordert haben werden, das Herz schwer machen zu lassen. Jede Zeit muß eben für künftige Zeiten Opfer bringen, oft sehr blutige und schwere, sie trügt die Last, und spätere Zeiten haben den Nutzen. Die auf die Wilhelmshöher Anlagen verwandten gewiß gewaltigen Summen, über deren Aufbringung und Verwendung das Heidelbachsche Buch genau orientiert, sind jedenfalls auch rein geschäftsmäßig betrachtet recht nützlich für das Land angelegt worden, viel nutzbringender, als wenn man den Wassern ihren natürlichen Lauf gelassen oder sie zum Antrieb von Maschinen verwandt hätte. Wie viele Tausende finden nun Jahr für Jahr Erquickung und Erholung auf der Wilhelmshöhe, wie viele Tausende erfreuen sich ihrer Schönheiten. Und lohnen sich schließlich die Anlagen nicht auch für das Land nach der materiellen Seite hin? Was nun die Beurteilung der hessischen Fürsten selbst betrifft, so ant¬ wortet Heidelbach mit Recht auf die immer von neuem wiederholte Anklage: »Es scheint erfolglos zu sein, diesem besonders durch Seume veranlaßten literarischen Unfug mit seinen Entstellungen und einseitigen Übertreibungen ein Ende zu machen. Seitdem Karl Preser in einer Monographie den Subsidien- handel auf archivalischer Grundlage dargestellt hat. kann nur noch Unwissenheit oder Absicht an jener einseitigen Kritik festhalten. Wir in Hessen verlangen nicht, daß der Subsidienhandel irgendwie beschönigt werde, aber wir verlangen, daß man diese leidige Angelegenheit aus den Zuständen und Anschauungen der Zeit heraus zu verstehn sucht... Das achtzehnte Jahrhundert kann geradezu als das Jahrhundert der Subsidienverträge bezeichnet werden. Und während in vielen andern Ländern die Subsidienüberschüsse, wie sie gewonnen waren, so auch wieder zerrannen, ist. wie Preser nachweist, in Hessen durch sie der Grund gelegt worden zu einem Staatsschatz, der als Eigentum des Landes das Stammkapital unsers Kommunalfonds bildet und als solcher noch heute dem Regierungsbezirk zugute kommt." Hätten diese hessischen Fürsten wirklich ihre Taschen gefüllt, dann hätten sie vermutlich unbehelligt in ihrem Grabe ruhen dürfen und wären für die Sünden ihrer Zeit nicht mehr als andre verantwortlich gemacht worden. Sie waren jedoch bedeutende und kunstsinnige Fürsten, und nicht durch die Opfer, die sie ihrem Volk auflegten, sondern durch das Schöne, das sie mit diesen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/135>, abgerufen am 12.12.2024.