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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Das Erbrecht des Fiskus

Oft genug ziehn die "lachenden" Erben kleinlaut ab, wenn nach unendlicher
Wartezeit die Erbschaft geteilt und zu guter Letzt noch die Erbschaftssteuer mit
den hohen Sätzen berechnet wird. Je weitläufiger die Verwandtschaft ist,
desto kleiner sind in der Regel die Erdteile, aber um so schwieriger und kost¬
spieliger werden zugleich die Erbausweise, da mehrere Geschlechter zwischen Erb¬
lasser und den Erben liegen, die sich womöglich niemals im Leben gekannt
haben. Es ist in der Tat etwas sonderbares und einer Lotterie nicht unähnlich,
daß plötzlich und unvermutet einem Menschen eine Erbschaft in den Schoß fällt,
von deren Anwartschaft er nicht das geringste gewußt hat.

Tritt nun wirklich einmal der Fall ein, daß sich trotz der gerichtlichen Er¬
mittlungen niemand zum Nachlaß meldet, oder daß die sich meldenden An¬
wärter ihr Erbrecht nicht nachweisen können, so fordert das Nachlaßgericht
durch öffentliche Bekanntmachung im Reichsanzeiger und andern Blättern zur
Anmeldung der Erbrechte unter Bestimmung einer Anmeldungsfrist auf, die
mindestens sechs Wochen betragen muß. Falls sich innerhalb dieser Frist
wiederum niemand meldet, dann wartet das Gericht zunächst noch drei Monate
und trifft endlich die Feststellung, daß ein andrer Erbe als der Fiskus nicht
vorhanden sei. Dabei kann aber immer noch während der drei Monate eine
Privatperson den Nachweis bessern Erbrechts erbringen und die Feststellung
des fiskalischen Erbrechts abgelehnt werden. Gegen eine solche ablehnende Ver¬
fügung steht dem Fiskus seinerseits nicht nur die Beschwerde zu, sondern er
kann gegen die Privatperson, die ihr Recht geltend macht, im ordentlichen
Rechtswege klagen; ebenso hat aber auch die Privatperson die Berechtigung,
gegen den Fiskus zu klagen, und das Nachlaßgericht wartet dann den Ausgang
des Rechtsstreites ab. Die höchst kostspielige öffentliche Aufforderung unter¬
bleibt übrigens, wenn der Bestand des Nachlasses die Kosten der Aufforderung
nicht deckt oder diese zum Bestand unverhältnismäßig hoch sind.

Das ist in kurzen Zügen der Gang des Verfahrens, aus dem man ersieht,
daß es dem Fiskus wahrlich nicht leicht gemacht worden ist, eine Erbschaft in
Empfang zu nehmen und endgiltig zu behalten.

Soll nun das Erbrecht zugunsten des Reichsfiskus ausgedehnt werden,
der jetzt überhaupt nur in Frage kommt, wenn der Erblasser ein Deutscher ist,
der keinem Bundesstaate angehört (Z 1936 B. G.-B), so muß zunächst die Be¬
stimmung wegfallen, daß der Fiskus des Bundesstaates, dem der Erblasser
zur Zeit des Todes angehört hat, gesetzlicher Erbe ist. Sodann aber muß un¬
bedingt das schrankenlose Erbrecht der Verwandtschaft aufgehoben und auf die
nächsten Grade beschränkt werden. Der Justizrat Bamberger rechnet für das
Reich eine Mehreinnahme von jährlich 250 Millionen Mark durchschnittlich
heraus, wenn die Erbrechtsgrenze vor den Geschwisterkindern errichtet wird
und an die Stelle der weitern Seitenverwandten der Neichsfiskus tritt. Die
Aufhebung des grenzenlosen Verwandtenerbrechts würde neben diesem materiellen
Erfolge für die Justizverwaltung von wesentlicher Bedeutung sein, da das oben


Das Erbrecht des Fiskus

Oft genug ziehn die „lachenden" Erben kleinlaut ab, wenn nach unendlicher
Wartezeit die Erbschaft geteilt und zu guter Letzt noch die Erbschaftssteuer mit
den hohen Sätzen berechnet wird. Je weitläufiger die Verwandtschaft ist,
desto kleiner sind in der Regel die Erdteile, aber um so schwieriger und kost¬
spieliger werden zugleich die Erbausweise, da mehrere Geschlechter zwischen Erb¬
lasser und den Erben liegen, die sich womöglich niemals im Leben gekannt
haben. Es ist in der Tat etwas sonderbares und einer Lotterie nicht unähnlich,
daß plötzlich und unvermutet einem Menschen eine Erbschaft in den Schoß fällt,
von deren Anwartschaft er nicht das geringste gewußt hat.

Tritt nun wirklich einmal der Fall ein, daß sich trotz der gerichtlichen Er¬
mittlungen niemand zum Nachlaß meldet, oder daß die sich meldenden An¬
wärter ihr Erbrecht nicht nachweisen können, so fordert das Nachlaßgericht
durch öffentliche Bekanntmachung im Reichsanzeiger und andern Blättern zur
Anmeldung der Erbrechte unter Bestimmung einer Anmeldungsfrist auf, die
mindestens sechs Wochen betragen muß. Falls sich innerhalb dieser Frist
wiederum niemand meldet, dann wartet das Gericht zunächst noch drei Monate
und trifft endlich die Feststellung, daß ein andrer Erbe als der Fiskus nicht
vorhanden sei. Dabei kann aber immer noch während der drei Monate eine
Privatperson den Nachweis bessern Erbrechts erbringen und die Feststellung
des fiskalischen Erbrechts abgelehnt werden. Gegen eine solche ablehnende Ver¬
fügung steht dem Fiskus seinerseits nicht nur die Beschwerde zu, sondern er
kann gegen die Privatperson, die ihr Recht geltend macht, im ordentlichen
Rechtswege klagen; ebenso hat aber auch die Privatperson die Berechtigung,
gegen den Fiskus zu klagen, und das Nachlaßgericht wartet dann den Ausgang
des Rechtsstreites ab. Die höchst kostspielige öffentliche Aufforderung unter¬
bleibt übrigens, wenn der Bestand des Nachlasses die Kosten der Aufforderung
nicht deckt oder diese zum Bestand unverhältnismäßig hoch sind.

Das ist in kurzen Zügen der Gang des Verfahrens, aus dem man ersieht,
daß es dem Fiskus wahrlich nicht leicht gemacht worden ist, eine Erbschaft in
Empfang zu nehmen und endgiltig zu behalten.

Soll nun das Erbrecht zugunsten des Reichsfiskus ausgedehnt werden,
der jetzt überhaupt nur in Frage kommt, wenn der Erblasser ein Deutscher ist,
der keinem Bundesstaate angehört (Z 1936 B. G.-B), so muß zunächst die Be¬
stimmung wegfallen, daß der Fiskus des Bundesstaates, dem der Erblasser
zur Zeit des Todes angehört hat, gesetzlicher Erbe ist. Sodann aber muß un¬
bedingt das schrankenlose Erbrecht der Verwandtschaft aufgehoben und auf die
nächsten Grade beschränkt werden. Der Justizrat Bamberger rechnet für das
Reich eine Mehreinnahme von jährlich 250 Millionen Mark durchschnittlich
heraus, wenn die Erbrechtsgrenze vor den Geschwisterkindern errichtet wird
und an die Stelle der weitern Seitenverwandten der Neichsfiskus tritt. Die
Aufhebung des grenzenlosen Verwandtenerbrechts würde neben diesem materiellen
Erfolge für die Justizverwaltung von wesentlicher Bedeutung sein, da das oben


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[0132] Das Erbrecht des Fiskus Oft genug ziehn die „lachenden" Erben kleinlaut ab, wenn nach unendlicher Wartezeit die Erbschaft geteilt und zu guter Letzt noch die Erbschaftssteuer mit den hohen Sätzen berechnet wird. Je weitläufiger die Verwandtschaft ist, desto kleiner sind in der Regel die Erdteile, aber um so schwieriger und kost¬ spieliger werden zugleich die Erbausweise, da mehrere Geschlechter zwischen Erb¬ lasser und den Erben liegen, die sich womöglich niemals im Leben gekannt haben. Es ist in der Tat etwas sonderbares und einer Lotterie nicht unähnlich, daß plötzlich und unvermutet einem Menschen eine Erbschaft in den Schoß fällt, von deren Anwartschaft er nicht das geringste gewußt hat. Tritt nun wirklich einmal der Fall ein, daß sich trotz der gerichtlichen Er¬ mittlungen niemand zum Nachlaß meldet, oder daß die sich meldenden An¬ wärter ihr Erbrecht nicht nachweisen können, so fordert das Nachlaßgericht durch öffentliche Bekanntmachung im Reichsanzeiger und andern Blättern zur Anmeldung der Erbrechte unter Bestimmung einer Anmeldungsfrist auf, die mindestens sechs Wochen betragen muß. Falls sich innerhalb dieser Frist wiederum niemand meldet, dann wartet das Gericht zunächst noch drei Monate und trifft endlich die Feststellung, daß ein andrer Erbe als der Fiskus nicht vorhanden sei. Dabei kann aber immer noch während der drei Monate eine Privatperson den Nachweis bessern Erbrechts erbringen und die Feststellung des fiskalischen Erbrechts abgelehnt werden. Gegen eine solche ablehnende Ver¬ fügung steht dem Fiskus seinerseits nicht nur die Beschwerde zu, sondern er kann gegen die Privatperson, die ihr Recht geltend macht, im ordentlichen Rechtswege klagen; ebenso hat aber auch die Privatperson die Berechtigung, gegen den Fiskus zu klagen, und das Nachlaßgericht wartet dann den Ausgang des Rechtsstreites ab. Die höchst kostspielige öffentliche Aufforderung unter¬ bleibt übrigens, wenn der Bestand des Nachlasses die Kosten der Aufforderung nicht deckt oder diese zum Bestand unverhältnismäßig hoch sind. Das ist in kurzen Zügen der Gang des Verfahrens, aus dem man ersieht, daß es dem Fiskus wahrlich nicht leicht gemacht worden ist, eine Erbschaft in Empfang zu nehmen und endgiltig zu behalten. Soll nun das Erbrecht zugunsten des Reichsfiskus ausgedehnt werden, der jetzt überhaupt nur in Frage kommt, wenn der Erblasser ein Deutscher ist, der keinem Bundesstaate angehört (Z 1936 B. G.-B), so muß zunächst die Be¬ stimmung wegfallen, daß der Fiskus des Bundesstaates, dem der Erblasser zur Zeit des Todes angehört hat, gesetzlicher Erbe ist. Sodann aber muß un¬ bedingt das schrankenlose Erbrecht der Verwandtschaft aufgehoben und auf die nächsten Grade beschränkt werden. Der Justizrat Bamberger rechnet für das Reich eine Mehreinnahme von jährlich 250 Millionen Mark durchschnittlich heraus, wenn die Erbrechtsgrenze vor den Geschwisterkindern errichtet wird und an die Stelle der weitern Seitenverwandten der Neichsfiskus tritt. Die Aufhebung des grenzenlosen Verwandtenerbrechts würde neben diesem materiellen Erfolge für die Justizverwaltung von wesentlicher Bedeutung sein, da das oben

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/132>, abgerufen am 23.07.2024.