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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Deutsch-slawische Beziehungen

in der Opposition nicht imstande, einen andern Reichskanzler zu präsentieren.
Vollends den Gedanken, die schwererrungne Macht des Kaisertums verfassungs¬
mäßig einzuschränken, weil sie gelegentlich Mißgriffe getan hat -- von dein
Standpunkte ans hätte man das allgemeine Wahlrecht schon mehrmals ab¬
schaffen müssen! --, den müssen alle nationalgesinntcn Deutschen aufs entschiedenste
von sich weisen; zwischen den Kaiser und sein Volk sollen sich keine Schatten drängen,
auch nicht die Parteien, die noch lange nicht das Volk darstellen, und am aller¬
wenigsten höfische Cliquen. Auch ein regelmäßiger Zusammentritt des Vundes-
ratsansschusses für auswärtige Angelegenheiten wäre entweder wirkungslos, also
unnütz, oder würde die Einheit und Energie unsrer auswärtige,: Politik hemmen
und lahmen in Momenten, wo sie diese Eigenschaften im hervorragendem Maße
haben muß. Jede moralische Verantwortung ist etwas ganz Persönliches und
gibt der juristischen erst den Wert; in einer Mehrheit trägt keiner für sich die
volle Verantwortung, kann auch rechtlich uicht zur Verantwortung gezogen
werden. Oder wen hätte man für die lähmenden Beschlüsse über Südwest¬
afrika, die zur Auflösung des Reichstags führten, zur Verantwortung ziehn
sollen, da doch jeder einzelne Reichsbote für seine Abstimmung und seine Reden
staatsrechtlich unverantwortlich ist? Um so schwerer muß er die sittliche Ver¬
antwortlichkeit empfinden.

Und jetzt steht eine der allerwichtigsten Fragen zur Entscheidung des Reichs¬
tags, die Neichsfinanzrcform. Sie bedeutet nichts geringeres als die Antwort
auf die Frage, ob das deutsche Volk auf seine Weltstellung verzichten will oder
entschlossen ist, sie zu behaupten. Noch wogen die Meinungen wirr durchein¬
ander; im Volke selbst aber, das alljährlich soviele Millionen für teilweise ganz
wertlose Vergnügungen ausgibt, tritt leider in breiter Ausdehnung eine
Stimmung hervor, die einen höchst unerfreulichen Eindruck macheu müßte, wem:
sie entscheidend wäre: die Neigung, gegen alle möglichen Steuerprojekte als un¬
gerechte Belastung zu protestieren. Das ist nicht die Weise eines großen Volks,
" sonder" eines kleinen Geschlechts in einem großen Moment.




Deutsch-slawische Beziehungen
George Lleinow Line Skizze von

l le Beziehungen zwischen Deutsche,: und Slawen lasse:: sich in
drei große Perioden einteilen, die etwa um die Mitte des vorigen
Jahrhunderts ihren Abschluß fanden. Das gegenwärtige Stadium
darf als eine vierte Periode bezeichnet werden.

Die erste Periode umfaßt jene weit zurückliegenden Jahr¬
hunderte, in denen der deutsche Mönch, der Kaufmann vom Rhein und von der
Donau sowie schließlich der Deutsche Ritterorden die slawische Mark durchzogen,


Deutsch-slawische Beziehungen

in der Opposition nicht imstande, einen andern Reichskanzler zu präsentieren.
Vollends den Gedanken, die schwererrungne Macht des Kaisertums verfassungs¬
mäßig einzuschränken, weil sie gelegentlich Mißgriffe getan hat — von dein
Standpunkte ans hätte man das allgemeine Wahlrecht schon mehrmals ab¬
schaffen müssen! —, den müssen alle nationalgesinntcn Deutschen aufs entschiedenste
von sich weisen; zwischen den Kaiser und sein Volk sollen sich keine Schatten drängen,
auch nicht die Parteien, die noch lange nicht das Volk darstellen, und am aller¬
wenigsten höfische Cliquen. Auch ein regelmäßiger Zusammentritt des Vundes-
ratsansschusses für auswärtige Angelegenheiten wäre entweder wirkungslos, also
unnütz, oder würde die Einheit und Energie unsrer auswärtige,: Politik hemmen
und lahmen in Momenten, wo sie diese Eigenschaften im hervorragendem Maße
haben muß. Jede moralische Verantwortung ist etwas ganz Persönliches und
gibt der juristischen erst den Wert; in einer Mehrheit trägt keiner für sich die
volle Verantwortung, kann auch rechtlich uicht zur Verantwortung gezogen
werden. Oder wen hätte man für die lähmenden Beschlüsse über Südwest¬
afrika, die zur Auflösung des Reichstags führten, zur Verantwortung ziehn
sollen, da doch jeder einzelne Reichsbote für seine Abstimmung und seine Reden
staatsrechtlich unverantwortlich ist? Um so schwerer muß er die sittliche Ver¬
antwortlichkeit empfinden.

Und jetzt steht eine der allerwichtigsten Fragen zur Entscheidung des Reichs¬
tags, die Neichsfinanzrcform. Sie bedeutet nichts geringeres als die Antwort
auf die Frage, ob das deutsche Volk auf seine Weltstellung verzichten will oder
entschlossen ist, sie zu behaupten. Noch wogen die Meinungen wirr durchein¬
ander; im Volke selbst aber, das alljährlich soviele Millionen für teilweise ganz
wertlose Vergnügungen ausgibt, tritt leider in breiter Ausdehnung eine
Stimmung hervor, die einen höchst unerfreulichen Eindruck macheu müßte, wem:
sie entscheidend wäre: die Neigung, gegen alle möglichen Steuerprojekte als un¬
gerechte Belastung zu protestieren. Das ist nicht die Weise eines großen Volks,
» sonder» eines kleinen Geschlechts in einem großen Moment.




Deutsch-slawische Beziehungen
George Lleinow Line Skizze von

l le Beziehungen zwischen Deutsche,: und Slawen lasse:: sich in
drei große Perioden einteilen, die etwa um die Mitte des vorigen
Jahrhunderts ihren Abschluß fanden. Das gegenwärtige Stadium
darf als eine vierte Periode bezeichnet werden.

Die erste Periode umfaßt jene weit zurückliegenden Jahr¬
hunderte, in denen der deutsche Mönch, der Kaufmann vom Rhein und von der
Donau sowie schließlich der Deutsche Ritterorden die slawische Mark durchzogen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/13>, abgerufen am 12.12.2024.