Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.Militärische Rückblicke auf das I-Hr 1.903 unter der Bedingung, daß sich die Anwärter vor ihrer Anstellung erst ein Für die Ausbildung der Truppen waren von Bedeutung das Neue Jn- Grenzboten l 1909 ig
Militärische Rückblicke auf das I-Hr 1.903 unter der Bedingung, daß sich die Anwärter vor ihrer Anstellung erst ein Für die Ausbildung der Truppen waren von Bedeutung das Neue Jn- Grenzboten l 1909 ig
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0129" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/312480"/> <fw type="header" place="top"> Militärische Rückblicke auf das I-Hr 1.903</fw><lb/> <p xml:id="ID_512" prev="#ID_511"> unter der Bedingung, daß sich die Anwärter vor ihrer Anstellung erst ein<lb/> halbes Jahr unter Fortbeziehung ihres Soldes einer Prüfung unterziehen.<lb/> Bis jetzt stehen zur ausschließlichen Besetzung durch das Kriegsministerium<lb/> 11520 Posten zur Verfügung, davon bei der Finanz 10006 Posten mit 200<lb/> bis 900 Rubel, bei der Justiz 636 mit 300 bis 400 Rubel, Kaiserliches Haus<lb/> 878 mit 204 bis 1083 Rubel Besoldung. Viel Widerspruch findet in<lb/> militärischen Kreisen die erst kurz vor Jahresschluß erfolgte Wiederunterordnung<lb/> des Generalstabs unter das Kriegsministerium, dessen Chef infolgedessen nur<lb/> noch in Gegenwart des Kriegsministers den Vortrag beim Kaiser halten darf.<lb/> Auf diese Weise ist die Unabhängigkeit des Generalstabes, die am 3. Juli 1905<lb/> eingeführt wurde, nach verhältnismäßig kurzer Dauer wieder aufgehoben worden.<lb/> Es handelte sich damals um einen Versuch, der aber anscheinend fehlgeschlagen<lb/> ist- Die im Jahre 1905 vollzogn« Umgestaltung war, wie es heißt, durch<lb/> den Wunsch veranlaßt worden, eine dem deutschen Generalstabe ähnliche Or¬<lb/> ganisation zu schaffen. Jetzt wird aber offen zugegeben, daß das, was in<lb/> Deutschland möglich ist, in Nußland sich nicht immer durchführen läßt. Denn<lb/> abgesehen davon, daß die russischen Generalstabsoffiziere mit den deutschen<lb/> nicht auf gleicher Höhe stehen, würde es im Augenblick schwer fallen, eine<lb/> Persönlichkeit uuter den Generalen zu finden, die vollkommen selbständig das<lb/> wichtige Ressort des Generalstabs leiten könnte, wenn auch dem neuen General¬<lb/> stabschef Ssuchomlinow von seiner bisherigen Stellung als Generalgouvemeur<lb/> von Kiew volles Vertrauen entgegengebracht und die Hoffnung gehegt wird,<lb/> daß er die Leistungen des Generalstabs auf eine höhere Stufe zu bringen<lb/> vermag.</p><lb/> <p xml:id="ID_513" next="#ID_514"> Für die Ausbildung der Truppen waren von Bedeutung das Neue Jn-<lb/> fanterieexerzierreglement und die Jnfanteriepioniervorschrift, deren Erscheinen<lb/> mit Spannung von allen Seiten erwartet wurde. Beide Reglements sind<lb/> aber nur Entwürfe, und aus der Opposition, die fast an sämtlichen beteiligten<lb/> Stellen gegen sie erhoben wird, wegen der darin ausgesprochnen Selb¬<lb/> ständigkeit der untern Führer und der einzelnen Mannschaften, wird der<lb/> Schluß gezogen, daß das Stadium des Projekts vielleicht nie überwunden<lb/> werden wird. Das würde aber gleichbedeutend sein mit einem Stillstand in<lb/> der ganzen Ausbildung des Heeres, die sich noch immer nicht losmachen kann<lb/> von den veralteten Lehren aus der Zeit vor dem Kriege mit Japan. Beweis<lb/> dafür sind die Berichte aus der letzten Manöverperiode, die von Fortschritten<lb/> auf dem Gebiete der Truppenausbildung und von Erziehung zu Führern<lb/> nicht viel enthalten. Zwei wichtige Entschlüsse hatte die Duma in der letzten<lb/> Sitzungsperiode gefaßt, um den Einfluß Rußlands im fernen Osten zu festigen<lb/> und im Falle eines etwaigen spätern Krieges die Truppentransporte be¬<lb/> schleunigen zu können: den Bau der Amureisenbahn und das Legen eines<lb/> zweiten Gleises längs der Sibirischen Bahn. Während aber hier die Arbeiten<lb/> stetige Fortschritte machen, haben sich nach den letzten Nachrichten beim Amur-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten l 1909 ig</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0129]
Militärische Rückblicke auf das I-Hr 1.903
unter der Bedingung, daß sich die Anwärter vor ihrer Anstellung erst ein
halbes Jahr unter Fortbeziehung ihres Soldes einer Prüfung unterziehen.
Bis jetzt stehen zur ausschließlichen Besetzung durch das Kriegsministerium
11520 Posten zur Verfügung, davon bei der Finanz 10006 Posten mit 200
bis 900 Rubel, bei der Justiz 636 mit 300 bis 400 Rubel, Kaiserliches Haus
878 mit 204 bis 1083 Rubel Besoldung. Viel Widerspruch findet in
militärischen Kreisen die erst kurz vor Jahresschluß erfolgte Wiederunterordnung
des Generalstabs unter das Kriegsministerium, dessen Chef infolgedessen nur
noch in Gegenwart des Kriegsministers den Vortrag beim Kaiser halten darf.
Auf diese Weise ist die Unabhängigkeit des Generalstabes, die am 3. Juli 1905
eingeführt wurde, nach verhältnismäßig kurzer Dauer wieder aufgehoben worden.
Es handelte sich damals um einen Versuch, der aber anscheinend fehlgeschlagen
ist- Die im Jahre 1905 vollzogn« Umgestaltung war, wie es heißt, durch
den Wunsch veranlaßt worden, eine dem deutschen Generalstabe ähnliche Or¬
ganisation zu schaffen. Jetzt wird aber offen zugegeben, daß das, was in
Deutschland möglich ist, in Nußland sich nicht immer durchführen läßt. Denn
abgesehen davon, daß die russischen Generalstabsoffiziere mit den deutschen
nicht auf gleicher Höhe stehen, würde es im Augenblick schwer fallen, eine
Persönlichkeit uuter den Generalen zu finden, die vollkommen selbständig das
wichtige Ressort des Generalstabs leiten könnte, wenn auch dem neuen General¬
stabschef Ssuchomlinow von seiner bisherigen Stellung als Generalgouvemeur
von Kiew volles Vertrauen entgegengebracht und die Hoffnung gehegt wird,
daß er die Leistungen des Generalstabs auf eine höhere Stufe zu bringen
vermag.
Für die Ausbildung der Truppen waren von Bedeutung das Neue Jn-
fanterieexerzierreglement und die Jnfanteriepioniervorschrift, deren Erscheinen
mit Spannung von allen Seiten erwartet wurde. Beide Reglements sind
aber nur Entwürfe, und aus der Opposition, die fast an sämtlichen beteiligten
Stellen gegen sie erhoben wird, wegen der darin ausgesprochnen Selb¬
ständigkeit der untern Führer und der einzelnen Mannschaften, wird der
Schluß gezogen, daß das Stadium des Projekts vielleicht nie überwunden
werden wird. Das würde aber gleichbedeutend sein mit einem Stillstand in
der ganzen Ausbildung des Heeres, die sich noch immer nicht losmachen kann
von den veralteten Lehren aus der Zeit vor dem Kriege mit Japan. Beweis
dafür sind die Berichte aus der letzten Manöverperiode, die von Fortschritten
auf dem Gebiete der Truppenausbildung und von Erziehung zu Führern
nicht viel enthalten. Zwei wichtige Entschlüsse hatte die Duma in der letzten
Sitzungsperiode gefaßt, um den Einfluß Rußlands im fernen Osten zu festigen
und im Falle eines etwaigen spätern Krieges die Truppentransporte be¬
schleunigen zu können: den Bau der Amureisenbahn und das Legen eines
zweiten Gleises längs der Sibirischen Bahn. Während aber hier die Arbeiten
stetige Fortschritte machen, haben sich nach den letzten Nachrichten beim Amur-
Grenzboten l 1909 ig
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