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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Militärische Rückblicke auf das Jahr Iy"3

dadurch, daß er nach und nach bei allen Armeekorps am Sitz des General¬
kommandos sogenannte Jnstruktionsschnlen für diese Offiziere eingerichtet hat.
Die Beteiligung an diesen Uuterrichtskursen ist freiwillig; sie war anfänglich nur
gering, hat aber in der letzten Zeit ganz bedeutend zugenommen, vielleicht weil
den teilnehmenden Offizieren besondre Vorteile zuerkannt worden sind. Die
Ausbildung unter Leitung höherer Offiziere besteht in Vorträgen, Übungen auf
der Karte, Kadermauövern und praktischen Übungen im Gelände unter Beteiligung
von Truppen usw. Und von den Vergünstigungen sind zu nennen: Veröffent¬
lichung der Namen im Bulletin, ollloiel, Vorschläge zu Beförderungen und zur
Ernennung zum Ritter der Ehrenlegion. Unter den Errungenschaften des ver¬
gangnen Jahres verdient dann noch genannt zu werden, daß endlich die Versuche
mit Maschinengewehren zum Abschluß gelangt sind, und daß das Puteauxmodell
zur Anschaffung angenommen ist. Die Heeresverwaltung hat bekanntgegeben, daß
jedes Infanterie- und Kavallerieregiment mit 4 Maschinengewehren ausgerüstet
und diese Bewaffnung so schnell als möglich durchgeführt werden soll.

Bei der russischen Armee sind auch im abgelaufnen Jahre die Reformen
nur allmählich vorwärts gekommen. Das hat, zum Teil wenigstens, an den
vielen hemmenden Elementen fast auf allen Gebieten des weitverzweigten
Heeresorganismus gelegen. Aber auch an den leitenden Stellen fehlte oft der
feste Wille, einmal gefaßte Entschlüsse energisch durchzuführen. In diesem
Jahre werden bessere Resultate erwartet, insbesondre hofft man, daß der
Landesverteidigungsrat in seiner neuen Zusammensetzung tatkräftig eingreifen
werde. Als abgeschlossene Neuerungen im Jahre 1908 sind zunächst anzusehen:
die Einsetzung von Attestierungskommissionen zur Beurteilung und Beschlu߬
fassung über die Beförderung von Generalstabsoffizieren und die Einführung
von Jnstruktionskursen für die vor der Beförderung zum Kapitän und Kom-
pagniechef stehenden Stabskapitäne. An jedem Kursus dürfen zugleich nicht
mehr als zwanzig bis dreißig Stabskapitäne in Abteilungen zu nur zehn teil¬
nehmen. Es sollten deshalb in jedem Militärbezirk mehrere Kurse entweder
zugleich oder nacheinander und an verschiednen Punkten, je nach den örtlichen
Bedingungen, eingerichtet werden, die nähern Bestimmungen darüber haben die
Oberbefehlshaber der Militärbezirke zu treffen. Der Lehrgang soll über¬
wiegend praktisch sein. Tägliche Schießübungen in Verbindung mit Feld¬
dienst, um dadurch die Kenntnis in der Fenerleitung und den taktischen Blick
zu vervollkommnen. Zu den Übungszwecken sind den einzelnen Kursen kriegs¬
starke Kompagnien und auch Artillerie zukommandiert. Besonders lehrreich
sind diese Kurse im Moskaner Militärbezirk gestaltet worden. Eine wichtige
Neuerung ist auch die Zivilversorgung der Kapitulantenunteroffiziere. Sie ist
zwar noch nicht ganz durchgeführt, immerhin aber haben sich das Finanz- und
Justizministerium und das Ministerium des Kaiserlichen Hauses und der
Finanzen bereit erklärt, den von der Militärbehörde empfohlnen Kapitulanten¬
unteroffizieren eine bestimmte Anzahl von Posten offen zu halten, und zwar


Militärische Rückblicke auf das Jahr Iy»3

dadurch, daß er nach und nach bei allen Armeekorps am Sitz des General¬
kommandos sogenannte Jnstruktionsschnlen für diese Offiziere eingerichtet hat.
Die Beteiligung an diesen Uuterrichtskursen ist freiwillig; sie war anfänglich nur
gering, hat aber in der letzten Zeit ganz bedeutend zugenommen, vielleicht weil
den teilnehmenden Offizieren besondre Vorteile zuerkannt worden sind. Die
Ausbildung unter Leitung höherer Offiziere besteht in Vorträgen, Übungen auf
der Karte, Kadermauövern und praktischen Übungen im Gelände unter Beteiligung
von Truppen usw. Und von den Vergünstigungen sind zu nennen: Veröffent¬
lichung der Namen im Bulletin, ollloiel, Vorschläge zu Beförderungen und zur
Ernennung zum Ritter der Ehrenlegion. Unter den Errungenschaften des ver¬
gangnen Jahres verdient dann noch genannt zu werden, daß endlich die Versuche
mit Maschinengewehren zum Abschluß gelangt sind, und daß das Puteauxmodell
zur Anschaffung angenommen ist. Die Heeresverwaltung hat bekanntgegeben, daß
jedes Infanterie- und Kavallerieregiment mit 4 Maschinengewehren ausgerüstet
und diese Bewaffnung so schnell als möglich durchgeführt werden soll.

Bei der russischen Armee sind auch im abgelaufnen Jahre die Reformen
nur allmählich vorwärts gekommen. Das hat, zum Teil wenigstens, an den
vielen hemmenden Elementen fast auf allen Gebieten des weitverzweigten
Heeresorganismus gelegen. Aber auch an den leitenden Stellen fehlte oft der
feste Wille, einmal gefaßte Entschlüsse energisch durchzuführen. In diesem
Jahre werden bessere Resultate erwartet, insbesondre hofft man, daß der
Landesverteidigungsrat in seiner neuen Zusammensetzung tatkräftig eingreifen
werde. Als abgeschlossene Neuerungen im Jahre 1908 sind zunächst anzusehen:
die Einsetzung von Attestierungskommissionen zur Beurteilung und Beschlu߬
fassung über die Beförderung von Generalstabsoffizieren und die Einführung
von Jnstruktionskursen für die vor der Beförderung zum Kapitän und Kom-
pagniechef stehenden Stabskapitäne. An jedem Kursus dürfen zugleich nicht
mehr als zwanzig bis dreißig Stabskapitäne in Abteilungen zu nur zehn teil¬
nehmen. Es sollten deshalb in jedem Militärbezirk mehrere Kurse entweder
zugleich oder nacheinander und an verschiednen Punkten, je nach den örtlichen
Bedingungen, eingerichtet werden, die nähern Bestimmungen darüber haben die
Oberbefehlshaber der Militärbezirke zu treffen. Der Lehrgang soll über¬
wiegend praktisch sein. Tägliche Schießübungen in Verbindung mit Feld¬
dienst, um dadurch die Kenntnis in der Fenerleitung und den taktischen Blick
zu vervollkommnen. Zu den Übungszwecken sind den einzelnen Kursen kriegs¬
starke Kompagnien und auch Artillerie zukommandiert. Besonders lehrreich
sind diese Kurse im Moskaner Militärbezirk gestaltet worden. Eine wichtige
Neuerung ist auch die Zivilversorgung der Kapitulantenunteroffiziere. Sie ist
zwar noch nicht ganz durchgeführt, immerhin aber haben sich das Finanz- und
Justizministerium und das Ministerium des Kaiserlichen Hauses und der
Finanzen bereit erklärt, den von der Militärbehörde empfohlnen Kapitulanten¬
unteroffizieren eine bestimmte Anzahl von Posten offen zu halten, und zwar


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[0128] Militärische Rückblicke auf das Jahr Iy»3 dadurch, daß er nach und nach bei allen Armeekorps am Sitz des General¬ kommandos sogenannte Jnstruktionsschnlen für diese Offiziere eingerichtet hat. Die Beteiligung an diesen Uuterrichtskursen ist freiwillig; sie war anfänglich nur gering, hat aber in der letzten Zeit ganz bedeutend zugenommen, vielleicht weil den teilnehmenden Offizieren besondre Vorteile zuerkannt worden sind. Die Ausbildung unter Leitung höherer Offiziere besteht in Vorträgen, Übungen auf der Karte, Kadermauövern und praktischen Übungen im Gelände unter Beteiligung von Truppen usw. Und von den Vergünstigungen sind zu nennen: Veröffent¬ lichung der Namen im Bulletin, ollloiel, Vorschläge zu Beförderungen und zur Ernennung zum Ritter der Ehrenlegion. Unter den Errungenschaften des ver¬ gangnen Jahres verdient dann noch genannt zu werden, daß endlich die Versuche mit Maschinengewehren zum Abschluß gelangt sind, und daß das Puteauxmodell zur Anschaffung angenommen ist. Die Heeresverwaltung hat bekanntgegeben, daß jedes Infanterie- und Kavallerieregiment mit 4 Maschinengewehren ausgerüstet und diese Bewaffnung so schnell als möglich durchgeführt werden soll. Bei der russischen Armee sind auch im abgelaufnen Jahre die Reformen nur allmählich vorwärts gekommen. Das hat, zum Teil wenigstens, an den vielen hemmenden Elementen fast auf allen Gebieten des weitverzweigten Heeresorganismus gelegen. Aber auch an den leitenden Stellen fehlte oft der feste Wille, einmal gefaßte Entschlüsse energisch durchzuführen. In diesem Jahre werden bessere Resultate erwartet, insbesondre hofft man, daß der Landesverteidigungsrat in seiner neuen Zusammensetzung tatkräftig eingreifen werde. Als abgeschlossene Neuerungen im Jahre 1908 sind zunächst anzusehen: die Einsetzung von Attestierungskommissionen zur Beurteilung und Beschlu߬ fassung über die Beförderung von Generalstabsoffizieren und die Einführung von Jnstruktionskursen für die vor der Beförderung zum Kapitän und Kom- pagniechef stehenden Stabskapitäne. An jedem Kursus dürfen zugleich nicht mehr als zwanzig bis dreißig Stabskapitäne in Abteilungen zu nur zehn teil¬ nehmen. Es sollten deshalb in jedem Militärbezirk mehrere Kurse entweder zugleich oder nacheinander und an verschiednen Punkten, je nach den örtlichen Bedingungen, eingerichtet werden, die nähern Bestimmungen darüber haben die Oberbefehlshaber der Militärbezirke zu treffen. Der Lehrgang soll über¬ wiegend praktisch sein. Tägliche Schießübungen in Verbindung mit Feld¬ dienst, um dadurch die Kenntnis in der Fenerleitung und den taktischen Blick zu vervollkommnen. Zu den Übungszwecken sind den einzelnen Kursen kriegs¬ starke Kompagnien und auch Artillerie zukommandiert. Besonders lehrreich sind diese Kurse im Moskaner Militärbezirk gestaltet worden. Eine wichtige Neuerung ist auch die Zivilversorgung der Kapitulantenunteroffiziere. Sie ist zwar noch nicht ganz durchgeführt, immerhin aber haben sich das Finanz- und Justizministerium und das Ministerium des Kaiserlichen Hauses und der Finanzen bereit erklärt, den von der Militärbehörde empfohlnen Kapitulanten¬ unteroffizieren eine bestimmte Anzahl von Posten offen zu halten, und zwar

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/128>, abgerufen am 23.07.2024.