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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Bin netter Gibbon

zustande befand, noch Weideland war.) Die großen Vieh- und Weidebesitzer
wie Domitius Änobarbns machten den noch begüterten Teil des römischen
Adels aus und waren das Rückgrat der konservativen Partei. Dagegen waren
alle Fortschritte im intensiven Anbau das Werk bescheidner Grundbesitzer der
mittlern Klasse, die nicht mehr ärmlich lebten, nicht mehr mit einer starken
Familie das Land selbst bebauten, sondern einen guten Teil des Jahres in
der benachbarten Stadt zubrachten, ihre Sklaven oder voloni unter scharfer
Aufsicht hielten, ledig blieben oder doch wenig Kinder hatten und aus ihrem
Grundbesitz möglichst viel Geld zogen." Und diese Umgestaltung der Land¬
wirtschaft brachte zugleich den gewerblichen Fortschritt in Gang. Der neue
Landwirt war anspruchsvoll, begnügte sich nicht mit den Kleidern und Geräten,
die seine dannen, seine Sklavenschaft herzustellen vermochte, wollte besseres
haben, und die Nachfrage nach Gewerbeerzeugnissen, nach Luxusartikeln, der
die Einfuhr nicht mehr genügte, ermunterte zum Gewerbebetrieb für den Markt.
Kapitalisten richteten Werkstätten ein, in denen sie qualifizierte Sklaven be¬
schäftigten, und aus Freigelassenen bildete sich ein Stand von kleinen Hand¬
werkern. Ganz Norditalien verlegte sich auf die Keramik, weiter südlich tat
Arezzo dasselbe, in Padua und Verona fabrizierte man Teppiche, die sehr
gesucht wurden, die Großgrundbesitzer von Parma und Modena, auf deren
Grundstücken große Schafherden weideten, ließen Wollstoffe anfertigen, Faenza
lieferte Leinenwaren, Neapel Parfümerien, die Insel Elba Eisenwaren.

Wir sehen, wenn auch die Bürgerkriege Verheerungen angerichtet haben,
war doch die ökonomische und die landwirtschaftliche Lage beim Untergange der
Republik gar nicht schlecht. Eben weil man ökonomisch geworden war, zog
man sich von der Politik zurück und überließ diese gern einer regierenden
Oligarchie oder einem Monarchen -- wie Europa seit 1870, meint Ferrero.
Insbesondre hatte das Latifundienwcsen keine die gesunde Entwicklung hemmende
Ausbreitung gewonnen, und wo es übermäßig entwickelt war, wurde seinen
schlimmen Wirkungen durch das Pachtsystem vorgebeugt. Man darf eben den
rhetorischen Darstellungen der Parteiführer, Volkstribunen, Moralisten und
Isuäatores tsmpoiis avei im alten Rom so wenig jedes Wort glauben wie
denen unsrer heutigen Zeit. Die beiden wirklichen Übel waren die Ansammlung
eines schmarotzenden Pöbels in Rom, der zu nichts taugte, also auch nicht
zur innern Kolonisation, und daß statt Lohnarbeitern Sklaven beschäftigt
wurden. Das hatte zwar seine Bequemlichkeiten für die Großgrundbesitzer
und Großunternehmer, Bequemlichkeiten, wegen deren diese von manchem ihrer
heutigen Standesgenossen beneidet werden mögen, wirkte aber doch, wie heute
allgemein anerkannt wird, auch abgesehen von allen ethischen Erwägungen im
ganzen verderblich. Übrigens würde die Sklaverei, als nach Vollendung der
Eroberungen die Zufuhr frischer Ware aufhörte, durch die zahlreichen Frei¬
lassungen und die von der wirtschaftlichen Entwicklung erzwungne Verwandlung
des wirkliche" Sklaven in einen bloß hörigen Kolonen mit der Zeit von selbst


Bin netter Gibbon

zustande befand, noch Weideland war.) Die großen Vieh- und Weidebesitzer
wie Domitius Änobarbns machten den noch begüterten Teil des römischen
Adels aus und waren das Rückgrat der konservativen Partei. Dagegen waren
alle Fortschritte im intensiven Anbau das Werk bescheidner Grundbesitzer der
mittlern Klasse, die nicht mehr ärmlich lebten, nicht mehr mit einer starken
Familie das Land selbst bebauten, sondern einen guten Teil des Jahres in
der benachbarten Stadt zubrachten, ihre Sklaven oder voloni unter scharfer
Aufsicht hielten, ledig blieben oder doch wenig Kinder hatten und aus ihrem
Grundbesitz möglichst viel Geld zogen." Und diese Umgestaltung der Land¬
wirtschaft brachte zugleich den gewerblichen Fortschritt in Gang. Der neue
Landwirt war anspruchsvoll, begnügte sich nicht mit den Kleidern und Geräten,
die seine dannen, seine Sklavenschaft herzustellen vermochte, wollte besseres
haben, und die Nachfrage nach Gewerbeerzeugnissen, nach Luxusartikeln, der
die Einfuhr nicht mehr genügte, ermunterte zum Gewerbebetrieb für den Markt.
Kapitalisten richteten Werkstätten ein, in denen sie qualifizierte Sklaven be¬
schäftigten, und aus Freigelassenen bildete sich ein Stand von kleinen Hand¬
werkern. Ganz Norditalien verlegte sich auf die Keramik, weiter südlich tat
Arezzo dasselbe, in Padua und Verona fabrizierte man Teppiche, die sehr
gesucht wurden, die Großgrundbesitzer von Parma und Modena, auf deren
Grundstücken große Schafherden weideten, ließen Wollstoffe anfertigen, Faenza
lieferte Leinenwaren, Neapel Parfümerien, die Insel Elba Eisenwaren.

Wir sehen, wenn auch die Bürgerkriege Verheerungen angerichtet haben,
war doch die ökonomische und die landwirtschaftliche Lage beim Untergange der
Republik gar nicht schlecht. Eben weil man ökonomisch geworden war, zog
man sich von der Politik zurück und überließ diese gern einer regierenden
Oligarchie oder einem Monarchen — wie Europa seit 1870, meint Ferrero.
Insbesondre hatte das Latifundienwcsen keine die gesunde Entwicklung hemmende
Ausbreitung gewonnen, und wo es übermäßig entwickelt war, wurde seinen
schlimmen Wirkungen durch das Pachtsystem vorgebeugt. Man darf eben den
rhetorischen Darstellungen der Parteiführer, Volkstribunen, Moralisten und
Isuäatores tsmpoiis avei im alten Rom so wenig jedes Wort glauben wie
denen unsrer heutigen Zeit. Die beiden wirklichen Übel waren die Ansammlung
eines schmarotzenden Pöbels in Rom, der zu nichts taugte, also auch nicht
zur innern Kolonisation, und daß statt Lohnarbeitern Sklaven beschäftigt
wurden. Das hatte zwar seine Bequemlichkeiten für die Großgrundbesitzer
und Großunternehmer, Bequemlichkeiten, wegen deren diese von manchem ihrer
heutigen Standesgenossen beneidet werden mögen, wirkte aber doch, wie heute
allgemein anerkannt wird, auch abgesehen von allen ethischen Erwägungen im
ganzen verderblich. Übrigens würde die Sklaverei, als nach Vollendung der
Eroberungen die Zufuhr frischer Ware aufhörte, durch die zahlreichen Frei¬
lassungen und die von der wirtschaftlichen Entwicklung erzwungne Verwandlung
des wirkliche» Sklaven in einen bloß hörigen Kolonen mit der Zeit von selbst


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/87>, abgerufen am 24.07.2024.