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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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lex Lxuris, luoria, die durch Sicherung des Eigentumsrechts zu großen Auf¬
wendungen für die Bodenkultur ermutigte, hat auf diese Weise viele einzelne
in Armut gestürzt. Eine neue Wendung führte die Erschöpfung Asiens durch
die allzu rasche Ausplünderung herbei. In den siebziger Jahren waren dort
keine Reichtümer mehr zu holen, und nun wandte sich das Kapital in Masse
dein eignen Lande zu. "Damit begann in Italien eine fieberhafte Steigerung
des landwirtschaftlichen Betriebs, die im Laufe eines Jahrhunderts die um 130
begonnene Umwandlung der Bodenkultur vollendete. Alle großen und mittlern
Grundbesitzer kauften Sklaven; aber sie verfuhren nun beim Ankauf mit einer
ehedem unbekannten Sorgfalt, indem sie neben der rohen Muskelkraft, die nur
für schwere körperliche Anstrengungen und für die Arbeithäuser taugte, intelli¬
gente Handwerker und Landwirte suchten, die besser behandelt wurden und im¬
stande waren, durch bessere Methoden den Ertrag der Landwirtschaft zu heben."

"Damals war Rhodus der Weltmarkt für Wein; Griechenland, die Insel¬
welt des Ägäischen Meeres und Kleinasien waren das Burgund und die
Champagne der alten Welt; diese Länder führten den Göttertrank in die
Gegenden aus, wo die Traube nicht reifte, oder wo die Wohlhabenden das
schlechtere einheimische Gewächs verschmähten. Unter den Sklavenscharen, die
Sulla aus Asien nach Italien verkauft hatte, die von Seeräubern, vou ita¬
lischen Staatspüchtern und Kaufleuten nach Italien verschleppt worden waren,
fanden sich viele Landleute, die sich auf die Pflege des Weinstocks und des
Ölbaums verstanden. Kapitalisten, die sich in den Provinzen bereichert hatten,
bemittelte Grundbesitzer, darunter auch noch solche vom alten Adel, machten
die Entdeckung, daß man recht wohl bei Benutzung orientalischer Sklaven mit
den östlichen Weinproduzenten konkurrieren könne, besonders da der Konsum
von Wein und Öl in Italien stetig stieg. Sie ließen also Neben und Öl-
bäume in günstigen Lagen anpflanzen und wählten dabei für den Absatz gut
gelegne Gegenden aus: in der Nähe des Meeres oder einer Heerstraße, so in
der Romagna und in Sizilien. Wanderherden waren im vorhergehenden Jahr¬
hundert die beliebteste Gewinnauelle des Adels gewesen, aber sie paßten nur
in die schöne Zeit des g^er publicus und der wirtschaftlichen Sorglosigkeit.
Je teurer jedoch der Boden und je kostspieliger das Leben in Italien wurde,
desto mehr sah mau sich in die Notwendigkeit versetzt, die Viehzucht zu heben,
intelligentem und sachverständigen Leuten die Tiere anzuvertrauen, sich um
gute Rassen, passende Kreuzungen, Auswahl des Futters und hygienische
Fragen zu bemühen. So besaß Attikus ausgedehnte Besitzungen und zahllose
Herden in Epirus. Man machte Versuche mit Veredlung der Pferde- und
Eselrassen. Statthalter und Offiziere fingen an, in den Gegenden, in die sie
ihre militärischen oder Verwaltnngspflichten führten, den Pflanzen und Haus¬
tiere" und ihrer Pflege Beachtung zu schenken."

Im Jahre 52 führten die Kaufleute zum erstenmale italisches Öl in
die Provinzen ans. (Wer nicht die ganze Chronologie im Kopfe hat. den


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lex Lxuris, luoria, die durch Sicherung des Eigentumsrechts zu großen Auf¬
wendungen für die Bodenkultur ermutigte, hat auf diese Weise viele einzelne
in Armut gestürzt. Eine neue Wendung führte die Erschöpfung Asiens durch
die allzu rasche Ausplünderung herbei. In den siebziger Jahren waren dort
keine Reichtümer mehr zu holen, und nun wandte sich das Kapital in Masse
dein eignen Lande zu. „Damit begann in Italien eine fieberhafte Steigerung
des landwirtschaftlichen Betriebs, die im Laufe eines Jahrhunderts die um 130
begonnene Umwandlung der Bodenkultur vollendete. Alle großen und mittlern
Grundbesitzer kauften Sklaven; aber sie verfuhren nun beim Ankauf mit einer
ehedem unbekannten Sorgfalt, indem sie neben der rohen Muskelkraft, die nur
für schwere körperliche Anstrengungen und für die Arbeithäuser taugte, intelli¬
gente Handwerker und Landwirte suchten, die besser behandelt wurden und im¬
stande waren, durch bessere Methoden den Ertrag der Landwirtschaft zu heben."

„Damals war Rhodus der Weltmarkt für Wein; Griechenland, die Insel¬
welt des Ägäischen Meeres und Kleinasien waren das Burgund und die
Champagne der alten Welt; diese Länder führten den Göttertrank in die
Gegenden aus, wo die Traube nicht reifte, oder wo die Wohlhabenden das
schlechtere einheimische Gewächs verschmähten. Unter den Sklavenscharen, die
Sulla aus Asien nach Italien verkauft hatte, die von Seeräubern, vou ita¬
lischen Staatspüchtern und Kaufleuten nach Italien verschleppt worden waren,
fanden sich viele Landleute, die sich auf die Pflege des Weinstocks und des
Ölbaums verstanden. Kapitalisten, die sich in den Provinzen bereichert hatten,
bemittelte Grundbesitzer, darunter auch noch solche vom alten Adel, machten
die Entdeckung, daß man recht wohl bei Benutzung orientalischer Sklaven mit
den östlichen Weinproduzenten konkurrieren könne, besonders da der Konsum
von Wein und Öl in Italien stetig stieg. Sie ließen also Neben und Öl-
bäume in günstigen Lagen anpflanzen und wählten dabei für den Absatz gut
gelegne Gegenden aus: in der Nähe des Meeres oder einer Heerstraße, so in
der Romagna und in Sizilien. Wanderherden waren im vorhergehenden Jahr¬
hundert die beliebteste Gewinnauelle des Adels gewesen, aber sie paßten nur
in die schöne Zeit des g^er publicus und der wirtschaftlichen Sorglosigkeit.
Je teurer jedoch der Boden und je kostspieliger das Leben in Italien wurde,
desto mehr sah mau sich in die Notwendigkeit versetzt, die Viehzucht zu heben,
intelligentem und sachverständigen Leuten die Tiere anzuvertrauen, sich um
gute Rassen, passende Kreuzungen, Auswahl des Futters und hygienische
Fragen zu bemühen. So besaß Attikus ausgedehnte Besitzungen und zahllose
Herden in Epirus. Man machte Versuche mit Veredlung der Pferde- und
Eselrassen. Statthalter und Offiziere fingen an, in den Gegenden, in die sie
ihre militärischen oder Verwaltnngspflichten führten, den Pflanzen und Haus¬
tiere» und ihrer Pflege Beachtung zu schenken."

Im Jahre 52 führten die Kaufleute zum erstenmale italisches Öl in
die Provinzen ans. (Wer nicht die ganze Chronologie im Kopfe hat. den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/85>, abgerufen am 24.07.2024.