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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Die Zukunft Australiens

Nationen zusammensetzt, so ist der hier geborne Australier kein Freund der
Ausländer. Er haßt den den-eiMsr, weil dieser meist geschickter als er selbst ist.
Um sich dieser Ausländer zu erwehren, hat die Sozialistenpartci, die hier überall
am Ruder ist, ein Aliengesetz gegen unässimvls eiuiZrants (unerwünschte Ein¬
wandrer) erlassen. Das hat denn zu den komischsten Situationen Veranlassung
gegeben. Vor einigen Jahren kam in Freemantle ein indischer Nabob an, der
Sultan von Jehore, der unter englischer Oberherrschaft steht. Man wollte
ihn, da er ein Farbiger war, durchaus nicht landen lassen. Da drehte er ent¬
rüstet dem zivilisierten Australien den Rücken. Ungefähr zu derselben Zeit wollte
ein englischer Großkaufmann, der zufällig blind war, in Melbourne landen;
anch hier wurden ihm die größten Schwierigkeiten gemacht, da die Regierung
befürchtete, er würde vielleicht dem Lande als Blinder schließlich zur Last fallen.
Dieser Fall ist auch von der englischen Presse in einer Australien durchaus
nicht schmeichelhaften Weise kommentiert worden. Diese Resultate einer weisen
Gesetzgebung können durchaus nicht wundernehmen, wenn man sich die Leute
betrachtet, die in den Parlamenten sitzen. Solange einer den nötigen Geldsack
hat, um die Wahlunkosten bezahlen zu können, und solange er es versteht,
durch phrasenhaftes Geschrei die Massen zu betäuben, so lange hat er die besten
Aussichten, gewählt zu werden, aber Bildung und Wissen kommen dabei nicht in
Betracht. Das beste Beispiel für diese Behauptung bietet der jetzige Premier¬
minister von Südaustralien, Tom Price, der stolz darauf ist, daß er einst als
Steinmetz beim Bau des Gebäudes half, in dein er jetzt die Geschicke des
Landes leitet. Er bietet ein Unikum von Unwissenheit und Arroganz. Über sein
Englisch machen sich sogar die hiesigen Zeitungen lustig; vor einiger Zeit ist
er von dem Prinzen von Wales in London empfangen worden, dem dieser
selbstgemachte Premierminister mit seinem unfreiwilligen Humor sicher eine
Stunde herzhaften Amüsements bereitet hat.

Seit einigen Jahren erregt der ungeheure Zufluß von Einwandrern in
Kanada die Eifersucht der australischen Staatsmänner, und mit den dein
Australier eignen Größenwahn erklären sie, daß sie nur zu winken brauchen,
und die europäischen Staaten werden ihnen gleich ihre besten Kräfte für Acker¬
bau usw. abtreten. Sie vergessen aber, daß das Reisegeld, das nötig ist, um
hierher zu kommen, für den einzelnen Arbeiter ein Vermögen bedeutet, von den
Unkosten für den Transport einer ganzen Familie gar nicht zu reden. Um
also diese Schwierigkeit zu überwinden, müßten sich schon die Staaten bequemen,
erstens das Reisegeld vorzuschießen, ferner gutes ertragfähiges Land den
Kolonisten fürs erste unentgeltlich zu überlassen und weitere notwendige Kon-
Zessionen zu machen. John Bull ist aber der gemütlichste Mensch, solange man
ihm nicht an den Geldsack greift. Also wird es wohl noch eine Zeit lang beim
alten bleiben, und das Geschrei nach mehr Bevölkerung wird nicht sobald ver¬
stummen. Merkwürdigerweise hat keine nennenswerte Zunahme der Bevölkerung
in dem letzten Jahrzehnt stattgefunden, auch die Einwandrnng weist sehr niedrige


Die Zukunft Australiens

Nationen zusammensetzt, so ist der hier geborne Australier kein Freund der
Ausländer. Er haßt den den-eiMsr, weil dieser meist geschickter als er selbst ist.
Um sich dieser Ausländer zu erwehren, hat die Sozialistenpartci, die hier überall
am Ruder ist, ein Aliengesetz gegen unässimvls eiuiZrants (unerwünschte Ein¬
wandrer) erlassen. Das hat denn zu den komischsten Situationen Veranlassung
gegeben. Vor einigen Jahren kam in Freemantle ein indischer Nabob an, der
Sultan von Jehore, der unter englischer Oberherrschaft steht. Man wollte
ihn, da er ein Farbiger war, durchaus nicht landen lassen. Da drehte er ent¬
rüstet dem zivilisierten Australien den Rücken. Ungefähr zu derselben Zeit wollte
ein englischer Großkaufmann, der zufällig blind war, in Melbourne landen;
anch hier wurden ihm die größten Schwierigkeiten gemacht, da die Regierung
befürchtete, er würde vielleicht dem Lande als Blinder schließlich zur Last fallen.
Dieser Fall ist auch von der englischen Presse in einer Australien durchaus
nicht schmeichelhaften Weise kommentiert worden. Diese Resultate einer weisen
Gesetzgebung können durchaus nicht wundernehmen, wenn man sich die Leute
betrachtet, die in den Parlamenten sitzen. Solange einer den nötigen Geldsack
hat, um die Wahlunkosten bezahlen zu können, und solange er es versteht,
durch phrasenhaftes Geschrei die Massen zu betäuben, so lange hat er die besten
Aussichten, gewählt zu werden, aber Bildung und Wissen kommen dabei nicht in
Betracht. Das beste Beispiel für diese Behauptung bietet der jetzige Premier¬
minister von Südaustralien, Tom Price, der stolz darauf ist, daß er einst als
Steinmetz beim Bau des Gebäudes half, in dein er jetzt die Geschicke des
Landes leitet. Er bietet ein Unikum von Unwissenheit und Arroganz. Über sein
Englisch machen sich sogar die hiesigen Zeitungen lustig; vor einiger Zeit ist
er von dem Prinzen von Wales in London empfangen worden, dem dieser
selbstgemachte Premierminister mit seinem unfreiwilligen Humor sicher eine
Stunde herzhaften Amüsements bereitet hat.

Seit einigen Jahren erregt der ungeheure Zufluß von Einwandrern in
Kanada die Eifersucht der australischen Staatsmänner, und mit den dein
Australier eignen Größenwahn erklären sie, daß sie nur zu winken brauchen,
und die europäischen Staaten werden ihnen gleich ihre besten Kräfte für Acker¬
bau usw. abtreten. Sie vergessen aber, daß das Reisegeld, das nötig ist, um
hierher zu kommen, für den einzelnen Arbeiter ein Vermögen bedeutet, von den
Unkosten für den Transport einer ganzen Familie gar nicht zu reden. Um
also diese Schwierigkeit zu überwinden, müßten sich schon die Staaten bequemen,
erstens das Reisegeld vorzuschießen, ferner gutes ertragfähiges Land den
Kolonisten fürs erste unentgeltlich zu überlassen und weitere notwendige Kon-
Zessionen zu machen. John Bull ist aber der gemütlichste Mensch, solange man
ihm nicht an den Geldsack greift. Also wird es wohl noch eine Zeit lang beim
alten bleiben, und das Geschrei nach mehr Bevölkerung wird nicht sobald ver¬
stummen. Merkwürdigerweise hat keine nennenswerte Zunahme der Bevölkerung
in dem letzten Jahrzehnt stattgefunden, auch die Einwandrnng weist sehr niedrige


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[0507] Die Zukunft Australiens Nationen zusammensetzt, so ist der hier geborne Australier kein Freund der Ausländer. Er haßt den den-eiMsr, weil dieser meist geschickter als er selbst ist. Um sich dieser Ausländer zu erwehren, hat die Sozialistenpartci, die hier überall am Ruder ist, ein Aliengesetz gegen unässimvls eiuiZrants (unerwünschte Ein¬ wandrer) erlassen. Das hat denn zu den komischsten Situationen Veranlassung gegeben. Vor einigen Jahren kam in Freemantle ein indischer Nabob an, der Sultan von Jehore, der unter englischer Oberherrschaft steht. Man wollte ihn, da er ein Farbiger war, durchaus nicht landen lassen. Da drehte er ent¬ rüstet dem zivilisierten Australien den Rücken. Ungefähr zu derselben Zeit wollte ein englischer Großkaufmann, der zufällig blind war, in Melbourne landen; anch hier wurden ihm die größten Schwierigkeiten gemacht, da die Regierung befürchtete, er würde vielleicht dem Lande als Blinder schließlich zur Last fallen. Dieser Fall ist auch von der englischen Presse in einer Australien durchaus nicht schmeichelhaften Weise kommentiert worden. Diese Resultate einer weisen Gesetzgebung können durchaus nicht wundernehmen, wenn man sich die Leute betrachtet, die in den Parlamenten sitzen. Solange einer den nötigen Geldsack hat, um die Wahlunkosten bezahlen zu können, und solange er es versteht, durch phrasenhaftes Geschrei die Massen zu betäuben, so lange hat er die besten Aussichten, gewählt zu werden, aber Bildung und Wissen kommen dabei nicht in Betracht. Das beste Beispiel für diese Behauptung bietet der jetzige Premier¬ minister von Südaustralien, Tom Price, der stolz darauf ist, daß er einst als Steinmetz beim Bau des Gebäudes half, in dein er jetzt die Geschicke des Landes leitet. Er bietet ein Unikum von Unwissenheit und Arroganz. Über sein Englisch machen sich sogar die hiesigen Zeitungen lustig; vor einiger Zeit ist er von dem Prinzen von Wales in London empfangen worden, dem dieser selbstgemachte Premierminister mit seinem unfreiwilligen Humor sicher eine Stunde herzhaften Amüsements bereitet hat. Seit einigen Jahren erregt der ungeheure Zufluß von Einwandrern in Kanada die Eifersucht der australischen Staatsmänner, und mit den dein Australier eignen Größenwahn erklären sie, daß sie nur zu winken brauchen, und die europäischen Staaten werden ihnen gleich ihre besten Kräfte für Acker¬ bau usw. abtreten. Sie vergessen aber, daß das Reisegeld, das nötig ist, um hierher zu kommen, für den einzelnen Arbeiter ein Vermögen bedeutet, von den Unkosten für den Transport einer ganzen Familie gar nicht zu reden. Um also diese Schwierigkeit zu überwinden, müßten sich schon die Staaten bequemen, erstens das Reisegeld vorzuschießen, ferner gutes ertragfähiges Land den Kolonisten fürs erste unentgeltlich zu überlassen und weitere notwendige Kon- Zessionen zu machen. John Bull ist aber der gemütlichste Mensch, solange man ihm nicht an den Geldsack greift. Also wird es wohl noch eine Zeit lang beim alten bleiben, und das Geschrei nach mehr Bevölkerung wird nicht sobald ver¬ stummen. Merkwürdigerweise hat keine nennenswerte Zunahme der Bevölkerung in dem letzten Jahrzehnt stattgefunden, auch die Einwandrnng weist sehr niedrige

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/507>, abgerufen am 25.07.2024.