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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Die preußische Artillerie im Dienste des Küstenrettungswesens

der dazu erforderlichen angestrengten Thätigkeit zu befassen, indem ich zugleich
voraussehe, daß die ganze neue umfassende Berathung wiederum fruchtlos sein
und ebenso wenig als die früheren mit so großer Mühe und Zeitaufwand
ausführlich bearbeitete Secwehr-Angelegenheit von ersprießlichem Nutzen und
Folgen sein wird, da die Ansichten der höheren Behörden über diese ganze
Angelegenheit zu verschieden sind, die der Sache selbst zu viel materielle
Hindernisse und Schwierigkeiten entgegensetzen und besonders die Kosten allzu
bedeutend sind, um nur etwas den beabsichtigten Zwecken Entsprechendes her¬
zustellen, halbe oder unzureichende Maßregeln aber zu nichts Reellem führen
können und das ganze Geschäft mithin nur neue vergebliche Anstrengungen
und Mühwaltungen veranlassen wird!"

Das waren die Verhältnisse, die auch die Rettungsstationen nicht ge¬
deihen ließen.

Beuth fand den Betrag von 1100 Talern für die Station Glowe sehr
hoch. Er forderte die Rechnungen, die dem Kostenanschlage Longes zugrunde¬
lagen, ein. Um beurteilen zu können, ob "wohlfeile ähnliche Apparate", die,
wie er hoffe, im Laufe der Zeit erfunden würden, an der Küste des Stral-
sunder Bezirks anwendbar seien, beauftragte er die Regierung, festzustellen, "in
welcher Entfernung Strandungen nach Maßgabe der Beschaffenheit der Küste
in der Regel vorkommen dürften".

Die Regierung erhielt auf ihre Frage von den Landräten der Bezirke
Franzburg und Bergen den Bescheid, daß die Schiffe, je nach der sehr un¬
regelmäßigen Formation des Vorlandes -- des Schaars -- und dem un¬
berechenbaren, von der Windrichtung und von der Windstürke abhängigen
Wasserstande, bald, vom Sturm und vom Hochwasser das Schaax hinangetragen,
auf der Küste selbst strandeten, bald vom Schaar 500 Ellen (330 Meter) weit
und oft noch weiter draußen festgehalten würden. Die Technik schritt voran,
sie schuf leistungsfähigere Rettungsapparate, aber die Hoffnung Beuths, daß
sie billigere liefern werde, erfüllte sie nicht.

Das Boot, der Wagen und der Schuppen für Glowe sollten im Jahre 1833
107, 100, 416 Taler kosten, als die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiff¬
brüchiger im Jahre 1865 die Station Aurum errichtete, kosteten die gleichen
Gegenstände 930, 260. 441 Taler, heute erfordern sie einen Aufwand von
2500 bis 5500, 1500. 7000 bis 10000 Mark. Ein Mörserapparat kostete
zu Beuths Zeiten ungefähr 600. im Jahre 1854 620 Taler, der Dennettsche
Raketenapparat, womit im Jahre 1866 die englische Küste ausgerüstet war,
kostete 660 Taler, und die Rettungsgesellschaft bezahlt für einen modernen
deutschen Raketenapparat 4500 Mark.

Der Landrat von Franzburg hatte in dem Bericht über die Strandungen
an der Küste seines Kreises für Darsserort eine Feuerbake beantragt, weil sich
von diesem Punkte aus ein gefährlicher Untiefenhaken ungefähr zwei Kilometer
ostwärts erstreckt. Die Regierung befürwortete beim Ministerium die Errichtung


Grenzbotsn II 1908 52
Die preußische Artillerie im Dienste des Küstenrettungswesens

der dazu erforderlichen angestrengten Thätigkeit zu befassen, indem ich zugleich
voraussehe, daß die ganze neue umfassende Berathung wiederum fruchtlos sein
und ebenso wenig als die früheren mit so großer Mühe und Zeitaufwand
ausführlich bearbeitete Secwehr-Angelegenheit von ersprießlichem Nutzen und
Folgen sein wird, da die Ansichten der höheren Behörden über diese ganze
Angelegenheit zu verschieden sind, die der Sache selbst zu viel materielle
Hindernisse und Schwierigkeiten entgegensetzen und besonders die Kosten allzu
bedeutend sind, um nur etwas den beabsichtigten Zwecken Entsprechendes her¬
zustellen, halbe oder unzureichende Maßregeln aber zu nichts Reellem führen
können und das ganze Geschäft mithin nur neue vergebliche Anstrengungen
und Mühwaltungen veranlassen wird!"

Das waren die Verhältnisse, die auch die Rettungsstationen nicht ge¬
deihen ließen.

Beuth fand den Betrag von 1100 Talern für die Station Glowe sehr
hoch. Er forderte die Rechnungen, die dem Kostenanschlage Longes zugrunde¬
lagen, ein. Um beurteilen zu können, ob „wohlfeile ähnliche Apparate", die,
wie er hoffe, im Laufe der Zeit erfunden würden, an der Küste des Stral-
sunder Bezirks anwendbar seien, beauftragte er die Regierung, festzustellen, „in
welcher Entfernung Strandungen nach Maßgabe der Beschaffenheit der Küste
in der Regel vorkommen dürften".

Die Regierung erhielt auf ihre Frage von den Landräten der Bezirke
Franzburg und Bergen den Bescheid, daß die Schiffe, je nach der sehr un¬
regelmäßigen Formation des Vorlandes — des Schaars — und dem un¬
berechenbaren, von der Windrichtung und von der Windstürke abhängigen
Wasserstande, bald, vom Sturm und vom Hochwasser das Schaax hinangetragen,
auf der Küste selbst strandeten, bald vom Schaar 500 Ellen (330 Meter) weit
und oft noch weiter draußen festgehalten würden. Die Technik schritt voran,
sie schuf leistungsfähigere Rettungsapparate, aber die Hoffnung Beuths, daß
sie billigere liefern werde, erfüllte sie nicht.

Das Boot, der Wagen und der Schuppen für Glowe sollten im Jahre 1833
107, 100, 416 Taler kosten, als die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiff¬
brüchiger im Jahre 1865 die Station Aurum errichtete, kosteten die gleichen
Gegenstände 930, 260. 441 Taler, heute erfordern sie einen Aufwand von
2500 bis 5500, 1500. 7000 bis 10000 Mark. Ein Mörserapparat kostete
zu Beuths Zeiten ungefähr 600. im Jahre 1854 620 Taler, der Dennettsche
Raketenapparat, womit im Jahre 1866 die englische Küste ausgerüstet war,
kostete 660 Taler, und die Rettungsgesellschaft bezahlt für einen modernen
deutschen Raketenapparat 4500 Mark.

Der Landrat von Franzburg hatte in dem Bericht über die Strandungen
an der Küste seines Kreises für Darsserort eine Feuerbake beantragt, weil sich
von diesem Punkte aus ein gefährlicher Untiefenhaken ungefähr zwei Kilometer
ostwärts erstreckt. Die Regierung befürwortete beim Ministerium die Errichtung


Grenzbotsn II 1908 52
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[0413] Die preußische Artillerie im Dienste des Küstenrettungswesens der dazu erforderlichen angestrengten Thätigkeit zu befassen, indem ich zugleich voraussehe, daß die ganze neue umfassende Berathung wiederum fruchtlos sein und ebenso wenig als die früheren mit so großer Mühe und Zeitaufwand ausführlich bearbeitete Secwehr-Angelegenheit von ersprießlichem Nutzen und Folgen sein wird, da die Ansichten der höheren Behörden über diese ganze Angelegenheit zu verschieden sind, die der Sache selbst zu viel materielle Hindernisse und Schwierigkeiten entgegensetzen und besonders die Kosten allzu bedeutend sind, um nur etwas den beabsichtigten Zwecken Entsprechendes her¬ zustellen, halbe oder unzureichende Maßregeln aber zu nichts Reellem führen können und das ganze Geschäft mithin nur neue vergebliche Anstrengungen und Mühwaltungen veranlassen wird!" Das waren die Verhältnisse, die auch die Rettungsstationen nicht ge¬ deihen ließen. Beuth fand den Betrag von 1100 Talern für die Station Glowe sehr hoch. Er forderte die Rechnungen, die dem Kostenanschlage Longes zugrunde¬ lagen, ein. Um beurteilen zu können, ob „wohlfeile ähnliche Apparate", die, wie er hoffe, im Laufe der Zeit erfunden würden, an der Küste des Stral- sunder Bezirks anwendbar seien, beauftragte er die Regierung, festzustellen, „in welcher Entfernung Strandungen nach Maßgabe der Beschaffenheit der Küste in der Regel vorkommen dürften". Die Regierung erhielt auf ihre Frage von den Landräten der Bezirke Franzburg und Bergen den Bescheid, daß die Schiffe, je nach der sehr un¬ regelmäßigen Formation des Vorlandes — des Schaars — und dem un¬ berechenbaren, von der Windrichtung und von der Windstürke abhängigen Wasserstande, bald, vom Sturm und vom Hochwasser das Schaax hinangetragen, auf der Küste selbst strandeten, bald vom Schaar 500 Ellen (330 Meter) weit und oft noch weiter draußen festgehalten würden. Die Technik schritt voran, sie schuf leistungsfähigere Rettungsapparate, aber die Hoffnung Beuths, daß sie billigere liefern werde, erfüllte sie nicht. Das Boot, der Wagen und der Schuppen für Glowe sollten im Jahre 1833 107, 100, 416 Taler kosten, als die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiff¬ brüchiger im Jahre 1865 die Station Aurum errichtete, kosteten die gleichen Gegenstände 930, 260. 441 Taler, heute erfordern sie einen Aufwand von 2500 bis 5500, 1500. 7000 bis 10000 Mark. Ein Mörserapparat kostete zu Beuths Zeiten ungefähr 600. im Jahre 1854 620 Taler, der Dennettsche Raketenapparat, womit im Jahre 1866 die englische Küste ausgerüstet war, kostete 660 Taler, und die Rettungsgesellschaft bezahlt für einen modernen deutschen Raketenapparat 4500 Mark. Der Landrat von Franzburg hatte in dem Bericht über die Strandungen an der Küste seines Kreises für Darsserort eine Feuerbake beantragt, weil sich von diesem Punkte aus ein gefährlicher Untiefenhaken ungefähr zwei Kilometer ostwärts erstreckt. Die Regierung befürwortete beim Ministerium die Errichtung Grenzbotsn II 1908 52

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/413>, abgerufen am 24.07.2024.