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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Teresa de Jesus

Lage sei vortrefflich; man werde darin die Hitze nicht spüren; der Hof sei "wie
aus Eiszucker gemacht" (also wohl mit weißem Marmor gepflastert); um den
innern Hof lägen gute Zimmer, in denen sie sich sehr wohl fühlten; sie hätten
einen reizenden Garten und prachtvolle Aussicht. Während ihre Regel den
Verkehr der Nonnen mit der Außenwelt in dem Grade beschränkt, daß nicht
bloß Tatsünden, die Anstoß geben könnten, sondern auch schon der Verdacht
solcher beinahe unmöglich gemacht erscheint, legt sie sich selbst auf ihren Reisen
gar keinen Zwang auf, wählt Neffen. Klosterbrüder, andre Herren zu Reise¬
begleitern, freut sich eines armen jungen Mannes, der sich ihr für allerlei Dienste
anbietet und sich ungemein eifrig und tauglich erweist. Sie berichtet über derlei
so unbefangen, daß man sieht, es kommt ihr gar nicht in den Sinn, daß jemand
etwas Arges darin finden könnte.rerenerdenieonin

Im Jahre 1576 entlud sich der Unwille ihg,
einzelnen Vexationen zu fühlen bekommen hatte, in einem großen Sturm, der
über drei Jahre anhielt. Sie kam darin verhältnismüßig glimpflich weg -- ihr
Gehilfe Johannes hatte Hartes zu erdulden - mit Jntermeruug in einem
Kloster, das sie selbst wählen durfte; sie entschied sich für Toledo Mit welcher
Leidenschaft auf beiden Seiten gekümpft wurde, ersieht man ans folgender Szene,
die Teresa in einem Briefe an die Priorin zu Semlla schildert^ In ihrem Mutter¬
kloster zu Avila war Priorinwahl. Der Provenzal der Beschuhten am hin. die
Wahl zu leiten, und ..brachte Bannsprüche und andre Kirchenstrafen für die mit .
die Teresen wählen würden. Trotzdem stimmten fünfundfunfzig Nonnen für diese^
Bei jeder Stimme, die abgegeben wurde, "sprach der Provmzial Bann und
Ruch aus. zerklopfte und zerknitterte die Stimmzettel mit der Faust und ver¬
brannte sie" Als Teresa das schrieb, lebten die Nonnen schon vierzehn Tage
im Bann, durften keinen Gottesdienst besuchen und mit keinem Menschen sprechen.
..Was aber noch lächerlicher ist. der Provinzial berief sie am Tage nach der
Zerknitterten Wahl anderweit ^ zusammen, um eine neue Wahl vorzunehmen;
jene aber antworteten: die Wahl sei vollzogen, eine neue vorzunehmen, keine
Veranlassung." Teresa siegte zuletzt, wie es scheint, mit Hilfe Philipps des
Zweiten, an den sie sich in mehreren Briefen gewandt hatte. Die bei der
Inquisition gegen sie und ihre Gehilfen anhängig gemachten Prozesse wurden
eingestellt, der fernern Ausbreitung der Reform und der Konstituierung des
neuen Ordens keine weitern Hindernisse bereitet. Die Ekstasen haben in ihrer
letzten Lebenszeit (wie es scheint, während der ganzen Periode der Kloster¬
gründungen) aufgehört; ihre Vereinigung mit Gott war Me ruhige und habituelle
das äußere Wirken nicht hindernde, die sie als em Zweiseelenleben charakterisiert.
Sie starb auf der Rückreise von Burgos. w° sie 'hre letzte Klostergrundung
vorgenommen hatte, infolge von Erkältung und schlechter Pflege zu Alba am
4- Oktober 1582. Im Jahre 1622 wurde sie kanonisiert, und 1818 haben sie
die Cortes dem Apostel Jakobus (San Iago) als Patronin Spaniens beigesellt
Die Verdoppelung der himmlischen Patronanz hat den Spaniern nichts genutzt.


Teresa de Jesus

Lage sei vortrefflich; man werde darin die Hitze nicht spüren; der Hof sei „wie
aus Eiszucker gemacht" (also wohl mit weißem Marmor gepflastert); um den
innern Hof lägen gute Zimmer, in denen sie sich sehr wohl fühlten; sie hätten
einen reizenden Garten und prachtvolle Aussicht. Während ihre Regel den
Verkehr der Nonnen mit der Außenwelt in dem Grade beschränkt, daß nicht
bloß Tatsünden, die Anstoß geben könnten, sondern auch schon der Verdacht
solcher beinahe unmöglich gemacht erscheint, legt sie sich selbst auf ihren Reisen
gar keinen Zwang auf, wählt Neffen. Klosterbrüder, andre Herren zu Reise¬
begleitern, freut sich eines armen jungen Mannes, der sich ihr für allerlei Dienste
anbietet und sich ungemein eifrig und tauglich erweist. Sie berichtet über derlei
so unbefangen, daß man sieht, es kommt ihr gar nicht in den Sinn, daß jemand
etwas Arges darin finden könnte.rerenerdenieonin

Im Jahre 1576 entlud sich der Unwille ihg,
einzelnen Vexationen zu fühlen bekommen hatte, in einem großen Sturm, der
über drei Jahre anhielt. Sie kam darin verhältnismüßig glimpflich weg — ihr
Gehilfe Johannes hatte Hartes zu erdulden - mit Jntermeruug in einem
Kloster, das sie selbst wählen durfte; sie entschied sich für Toledo Mit welcher
Leidenschaft auf beiden Seiten gekümpft wurde, ersieht man ans folgender Szene,
die Teresa in einem Briefe an die Priorin zu Semlla schildert^ In ihrem Mutter¬
kloster zu Avila war Priorinwahl. Der Provenzal der Beschuhten am hin. die
Wahl zu leiten, und ..brachte Bannsprüche und andre Kirchenstrafen für die mit .
die Teresen wählen würden. Trotzdem stimmten fünfundfunfzig Nonnen für diese^
Bei jeder Stimme, die abgegeben wurde, „sprach der Provmzial Bann und
Ruch aus. zerklopfte und zerknitterte die Stimmzettel mit der Faust und ver¬
brannte sie" Als Teresa das schrieb, lebten die Nonnen schon vierzehn Tage
im Bann, durften keinen Gottesdienst besuchen und mit keinem Menschen sprechen.
..Was aber noch lächerlicher ist. der Provinzial berief sie am Tage nach der
Zerknitterten Wahl anderweit ^ zusammen, um eine neue Wahl vorzunehmen;
jene aber antworteten: die Wahl sei vollzogen, eine neue vorzunehmen, keine
Veranlassung." Teresa siegte zuletzt, wie es scheint, mit Hilfe Philipps des
Zweiten, an den sie sich in mehreren Briefen gewandt hatte. Die bei der
Inquisition gegen sie und ihre Gehilfen anhängig gemachten Prozesse wurden
eingestellt, der fernern Ausbreitung der Reform und der Konstituierung des
neuen Ordens keine weitern Hindernisse bereitet. Die Ekstasen haben in ihrer
letzten Lebenszeit (wie es scheint, während der ganzen Periode der Kloster¬
gründungen) aufgehört; ihre Vereinigung mit Gott war Me ruhige und habituelle
das äußere Wirken nicht hindernde, die sie als em Zweiseelenleben charakterisiert.
Sie starb auf der Rückreise von Burgos. w° sie 'hre letzte Klostergrundung
vorgenommen hatte, infolge von Erkältung und schlechter Pflege zu Alba am
4- Oktober 1582. Im Jahre 1622 wurde sie kanonisiert, und 1818 haben sie
die Cortes dem Apostel Jakobus (San Iago) als Patronin Spaniens beigesellt
Die Verdoppelung der himmlischen Patronanz hat den Spaniern nichts genutzt.


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[0385] Teresa de Jesus Lage sei vortrefflich; man werde darin die Hitze nicht spüren; der Hof sei „wie aus Eiszucker gemacht" (also wohl mit weißem Marmor gepflastert); um den innern Hof lägen gute Zimmer, in denen sie sich sehr wohl fühlten; sie hätten einen reizenden Garten und prachtvolle Aussicht. Während ihre Regel den Verkehr der Nonnen mit der Außenwelt in dem Grade beschränkt, daß nicht bloß Tatsünden, die Anstoß geben könnten, sondern auch schon der Verdacht solcher beinahe unmöglich gemacht erscheint, legt sie sich selbst auf ihren Reisen gar keinen Zwang auf, wählt Neffen. Klosterbrüder, andre Herren zu Reise¬ begleitern, freut sich eines armen jungen Mannes, der sich ihr für allerlei Dienste anbietet und sich ungemein eifrig und tauglich erweist. Sie berichtet über derlei so unbefangen, daß man sieht, es kommt ihr gar nicht in den Sinn, daß jemand etwas Arges darin finden könnte.rerenerdenieonin Im Jahre 1576 entlud sich der Unwille ihg, einzelnen Vexationen zu fühlen bekommen hatte, in einem großen Sturm, der über drei Jahre anhielt. Sie kam darin verhältnismüßig glimpflich weg — ihr Gehilfe Johannes hatte Hartes zu erdulden - mit Jntermeruug in einem Kloster, das sie selbst wählen durfte; sie entschied sich für Toledo Mit welcher Leidenschaft auf beiden Seiten gekümpft wurde, ersieht man ans folgender Szene, die Teresa in einem Briefe an die Priorin zu Semlla schildert^ In ihrem Mutter¬ kloster zu Avila war Priorinwahl. Der Provenzal der Beschuhten am hin. die Wahl zu leiten, und ..brachte Bannsprüche und andre Kirchenstrafen für die mit . die Teresen wählen würden. Trotzdem stimmten fünfundfunfzig Nonnen für diese^ Bei jeder Stimme, die abgegeben wurde, „sprach der Provmzial Bann und Ruch aus. zerklopfte und zerknitterte die Stimmzettel mit der Faust und ver¬ brannte sie" Als Teresa das schrieb, lebten die Nonnen schon vierzehn Tage im Bann, durften keinen Gottesdienst besuchen und mit keinem Menschen sprechen. ..Was aber noch lächerlicher ist. der Provinzial berief sie am Tage nach der Zerknitterten Wahl anderweit ^ zusammen, um eine neue Wahl vorzunehmen; jene aber antworteten: die Wahl sei vollzogen, eine neue vorzunehmen, keine Veranlassung." Teresa siegte zuletzt, wie es scheint, mit Hilfe Philipps des Zweiten, an den sie sich in mehreren Briefen gewandt hatte. Die bei der Inquisition gegen sie und ihre Gehilfen anhängig gemachten Prozesse wurden eingestellt, der fernern Ausbreitung der Reform und der Konstituierung des neuen Ordens keine weitern Hindernisse bereitet. Die Ekstasen haben in ihrer letzten Lebenszeit (wie es scheint, während der ganzen Periode der Kloster¬ gründungen) aufgehört; ihre Vereinigung mit Gott war Me ruhige und habituelle das äußere Wirken nicht hindernde, die sie als em Zweiseelenleben charakterisiert. Sie starb auf der Rückreise von Burgos. w° sie 'hre letzte Klostergrundung vorgenommen hatte, infolge von Erkältung und schlechter Pflege zu Alba am 4- Oktober 1582. Im Jahre 1622 wurde sie kanonisiert, und 1818 haben sie die Cortes dem Apostel Jakobus (San Iago) als Patronin Spaniens beigesellt Die Verdoppelung der himmlischen Patronanz hat den Spaniern nichts genutzt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/385>, abgerufen am 24.07.2024.