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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Oas Gerichtswesen bei den Negern in Britisch-Zentralafrika

andern Falle sind sechs Mark zu entrichten. Weiter soll er im allgemeinen
sein Weib beschützen. Dieses dagegen hat viel härtere Pflichten zu erfüllen.
Es muß Wasser tragen. Feuerholz suchen. Lasten weiterschaffen, Mais stampfen,
Mehl daraus machen, das Essen kochen und das Bier brauen. Wie schon weiter
oben gesagt worden ist, hat die Frau den größten Teil der Feldarbeit aus¬
zuführen. Sterben ihre Kinder, oder streitet sie gern, so kann der Ehemann
ti" Frau ihrem Vater zurückschicken und das "Heiratsgeld" zurückverlangen.

Von den täglich vorkommenden Gerichtsverhandlungen, die reine Privat¬
sachen betreffen, wollen wir hier weiter nicht berichten. Sie sind zu gering¬
fügig und unbedeutend. Es handelt sich dabei meist um mein und dein, und
solche Fälle werden in der Regel durch eine väterliche Ermahnung des Collectors
in Güte zu allseitiger Zufriedenheit aus der Welt geschafft.

Wir haben nun gesehen, wie es die praktischen Engländer im Britisch-
Zentralafrika-Protektorat verstanden haben, sich bei der Ausübung der Justiz den
Negern gegenüber nicht nur von deren Jahrtausende alten Rechtsanschauungen
leiten zu lassen, sondern auch dem Empfinden der Neger so weit entgegenzu¬
kommen, daß ihnen das Recht direkt von den Collectors gesprochen wird,
die unmittelbar der Negierung unterstehn und andrerseits in inniger Fühlung
mit der schwarzen Bevölkerung leben.*)

Jedoch -- und das ist auch hier der springende Punkt -- sind die Eng¬
länder aus Humanitätsduselei in der milden Behandlung der Neger zu weit
gegangen. Die Prügelstrafe ist, wenn auch nur versuchsweise, vor einiger
Zeit abgeschafft worden. Und doch empfängt der Neger solche Strafe willig,
sobald er einsieht, daß er sie verdient hat. In den Augen der Neger sind
die Weißen natürlich in Afrika die Eroberer. Eine milde Behandlung durch
den Sieger kennt er nicht und erwartet er auch nicht. Güte des Weißen
legt er als Schwäche aus. Ist dem Neger aber schon etwas zugestanden, so
empfindet er eine Abweichung davon schwer. Bekannt ist, daß die Portugiesen
das Kolonialvolk sind, das seine farbigen Untertanen am besten zu behandeln
weiß. Ihnen gilt als erster Grundsatz, daß der Weiße dem Neger gegenüber
immer superior stehn muß. Es ist undenkbar, daß sie einen Schwarzen gegen
einen Weißen zeugen lassen; der Schwarze ist eben der geborne Lügner. Ein
Beispiel aus der portugiesischen Praxis mag hier interessieren. Ein Portugiese
findet in der Hütte seiner schwarzen Konkubine einen fremden Neger. Dem
Gerichte vorgeführt, erhält er nur für das Betreten eines dem Weißen ge¬
hörenden Platzes fünfundzwanzig Peitschenhiebe und sechs Monate Kettenhast,
da er einen Mangel an Respekt den Weißen gegenüber gezeigt hat.

Wir schließen unsre aus eigner Erfahrung in Afrika gemachten Aus¬
führungen mit der Hoffnung, daß die amtliche Kommission für die Feststellung



*) In Rhodesia wird das Gerichtsverfahren in derselben Weise wie im Britisch-Zentral-
afrika-Protektorat gehandhabt.
Oas Gerichtswesen bei den Negern in Britisch-Zentralafrika

andern Falle sind sechs Mark zu entrichten. Weiter soll er im allgemeinen
sein Weib beschützen. Dieses dagegen hat viel härtere Pflichten zu erfüllen.
Es muß Wasser tragen. Feuerholz suchen. Lasten weiterschaffen, Mais stampfen,
Mehl daraus machen, das Essen kochen und das Bier brauen. Wie schon weiter
oben gesagt worden ist, hat die Frau den größten Teil der Feldarbeit aus¬
zuführen. Sterben ihre Kinder, oder streitet sie gern, so kann der Ehemann
ti« Frau ihrem Vater zurückschicken und das „Heiratsgeld" zurückverlangen.

Von den täglich vorkommenden Gerichtsverhandlungen, die reine Privat¬
sachen betreffen, wollen wir hier weiter nicht berichten. Sie sind zu gering¬
fügig und unbedeutend. Es handelt sich dabei meist um mein und dein, und
solche Fälle werden in der Regel durch eine väterliche Ermahnung des Collectors
in Güte zu allseitiger Zufriedenheit aus der Welt geschafft.

Wir haben nun gesehen, wie es die praktischen Engländer im Britisch-
Zentralafrika-Protektorat verstanden haben, sich bei der Ausübung der Justiz den
Negern gegenüber nicht nur von deren Jahrtausende alten Rechtsanschauungen
leiten zu lassen, sondern auch dem Empfinden der Neger so weit entgegenzu¬
kommen, daß ihnen das Recht direkt von den Collectors gesprochen wird,
die unmittelbar der Negierung unterstehn und andrerseits in inniger Fühlung
mit der schwarzen Bevölkerung leben.*)

Jedoch — und das ist auch hier der springende Punkt — sind die Eng¬
länder aus Humanitätsduselei in der milden Behandlung der Neger zu weit
gegangen. Die Prügelstrafe ist, wenn auch nur versuchsweise, vor einiger
Zeit abgeschafft worden. Und doch empfängt der Neger solche Strafe willig,
sobald er einsieht, daß er sie verdient hat. In den Augen der Neger sind
die Weißen natürlich in Afrika die Eroberer. Eine milde Behandlung durch
den Sieger kennt er nicht und erwartet er auch nicht. Güte des Weißen
legt er als Schwäche aus. Ist dem Neger aber schon etwas zugestanden, so
empfindet er eine Abweichung davon schwer. Bekannt ist, daß die Portugiesen
das Kolonialvolk sind, das seine farbigen Untertanen am besten zu behandeln
weiß. Ihnen gilt als erster Grundsatz, daß der Weiße dem Neger gegenüber
immer superior stehn muß. Es ist undenkbar, daß sie einen Schwarzen gegen
einen Weißen zeugen lassen; der Schwarze ist eben der geborne Lügner. Ein
Beispiel aus der portugiesischen Praxis mag hier interessieren. Ein Portugiese
findet in der Hütte seiner schwarzen Konkubine einen fremden Neger. Dem
Gerichte vorgeführt, erhält er nur für das Betreten eines dem Weißen ge¬
hörenden Platzes fünfundzwanzig Peitschenhiebe und sechs Monate Kettenhast,
da er einen Mangel an Respekt den Weißen gegenüber gezeigt hat.

Wir schließen unsre aus eigner Erfahrung in Afrika gemachten Aus¬
führungen mit der Hoffnung, daß die amtliche Kommission für die Feststellung



*) In Rhodesia wird das Gerichtsverfahren in derselben Weise wie im Britisch-Zentral-
afrika-Protektorat gehandhabt.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/37>, abgerufen am 04.07.2024.