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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Der Abschluß der großen englischen Heeresreformen

Leben gerufen wurde, um die bisherigen Autoritätsrechte des Kriegsministers
und des Generalissimus einzuschränken, muß also der Befehlsbereich der nominell
höchsten Kommandostelle des Heeres Halt machen. Große Verdienste soll sich
der Herzog von Connaught erworben haben in seiner Eigenschaft als Vor¬
sitzender des Lölöotion Loarä, der sich mit deu Vorschlägen zur Beförderung
von Offizieren vom Hauptmann aufwärts zu befassen hat. Lag auch für diese
Anträge die Entscheidung beim Armeerat, so war dies doch hier mehr eine
Formsache, und niemals soll es vorgekommen sein, daß solchen Wünschen des
Generaliuspekteurs nicht sofort entsprochen worden ist.

Also in bezug auf die Zahl der ihm in Zukunft unterstehenden Truppen
wird das Oberkommando im Mittelmeer vorläufig wenigstens nicht sehr in
Anspruch genommen sein. Denn die in Ägypten und im Sudan, in Malta
und in Gibraltar, auf Kreta und in Cypern untergebrachten englischen Heeres¬
bestandteile erreichen zusammen nur die Stärke von 19500 Mann. Schon
darin liegt begründet, daß, um sie zu besichtigen, die britische Negierung schwerlich
nötig hätte, den verdienten Generalinspekteur der Armee im Amte abzulösen.
In der Aufgabe des neuen Oberkommcmdiercnden soll es nun liegen, zunächst
zu prüfen und dementsprechend Vorschläge zumachen, wie viel Landstrcitkrüftc
England auf den einzelnen Mittelmeerstationen haben muß, um den an sie in
Zukunft möglicherweise herantretenden großen Aufgaben gewachsen zu sein.
Vor allen Dingen wird es sich dabei um Ägypten handeln, wo die 5000 englischen
Truppen schon lange nicht mehr für ausreichend erachtet werden, den sich so
häufig wiederholenden Unruhen im Innern und bei Übergriffen seitens der
Türkei mit Erfolg gegenübertreten zu können. Zur Verfügung für solche Ver¬
stärkungen steht das vom Kriegsminister Haldane neu geschaffne Feldheer, das
auf diese Weise vielleicht nach und nach unter den Befehl des Oberkommandos
im Mittelmeer tritt. Es heißt aber, daß die Vefehlsgewalt der in Malta neu
geschaffnen Kommandobehörde nicht auf die Landtruppen beschränkt bleiben soll,
sondern im Laufe der Zeit auch auf die Flotte im Mittelmeer ausgedehnt
werden wird, um dadurch die Operationen der Landtruppen und der Kriegs¬
schiffe im gegebnen Falle in einer Hand zu vereinigen. Damit erscheint die
künftige Stellung des Herzogs von Connaught natürlich in ganz andern: Lichte.
Sie bringt den Willen der englischen Regierung nachdrücklich zum Ausdruck,
daß die Vormachtstellung Großbritanniens im Mittelländischen Meer in festen
Händen liegt und sich keinen Schritt beiseite schieben lassen will. Die Richtigkeit
dieser Auffassung bestätigt ein höchst lesenswerter Artikel in der ^rin^ -ma
Mo? O^steh, der am Schluß lautet: "Es ist für England von der größten
Wichtigkeit, daß wir die Verbindungswege zwischen dem Occident und dem
Orient unter dauernder Kontrolle behalten. So war es seit den Zeiten des
großen Herzogs von Marlborough, der als der erste die eminente Bedeutung
der Mittelmeerstraße für unsern Welthandel erkannt und festgelegt hat. Unsre
Lage in diesem Meer ist von unsern Lebensinteressen nicht zu trennen. Das


Der Abschluß der großen englischen Heeresreformen

Leben gerufen wurde, um die bisherigen Autoritätsrechte des Kriegsministers
und des Generalissimus einzuschränken, muß also der Befehlsbereich der nominell
höchsten Kommandostelle des Heeres Halt machen. Große Verdienste soll sich
der Herzog von Connaught erworben haben in seiner Eigenschaft als Vor¬
sitzender des Lölöotion Loarä, der sich mit deu Vorschlägen zur Beförderung
von Offizieren vom Hauptmann aufwärts zu befassen hat. Lag auch für diese
Anträge die Entscheidung beim Armeerat, so war dies doch hier mehr eine
Formsache, und niemals soll es vorgekommen sein, daß solchen Wünschen des
Generaliuspekteurs nicht sofort entsprochen worden ist.

Also in bezug auf die Zahl der ihm in Zukunft unterstehenden Truppen
wird das Oberkommando im Mittelmeer vorläufig wenigstens nicht sehr in
Anspruch genommen sein. Denn die in Ägypten und im Sudan, in Malta
und in Gibraltar, auf Kreta und in Cypern untergebrachten englischen Heeres¬
bestandteile erreichen zusammen nur die Stärke von 19500 Mann. Schon
darin liegt begründet, daß, um sie zu besichtigen, die britische Negierung schwerlich
nötig hätte, den verdienten Generalinspekteur der Armee im Amte abzulösen.
In der Aufgabe des neuen Oberkommcmdiercnden soll es nun liegen, zunächst
zu prüfen und dementsprechend Vorschläge zumachen, wie viel Landstrcitkrüftc
England auf den einzelnen Mittelmeerstationen haben muß, um den an sie in
Zukunft möglicherweise herantretenden großen Aufgaben gewachsen zu sein.
Vor allen Dingen wird es sich dabei um Ägypten handeln, wo die 5000 englischen
Truppen schon lange nicht mehr für ausreichend erachtet werden, den sich so
häufig wiederholenden Unruhen im Innern und bei Übergriffen seitens der
Türkei mit Erfolg gegenübertreten zu können. Zur Verfügung für solche Ver¬
stärkungen steht das vom Kriegsminister Haldane neu geschaffne Feldheer, das
auf diese Weise vielleicht nach und nach unter den Befehl des Oberkommandos
im Mittelmeer tritt. Es heißt aber, daß die Vefehlsgewalt der in Malta neu
geschaffnen Kommandobehörde nicht auf die Landtruppen beschränkt bleiben soll,
sondern im Laufe der Zeit auch auf die Flotte im Mittelmeer ausgedehnt
werden wird, um dadurch die Operationen der Landtruppen und der Kriegs¬
schiffe im gegebnen Falle in einer Hand zu vereinigen. Damit erscheint die
künftige Stellung des Herzogs von Connaught natürlich in ganz andern: Lichte.
Sie bringt den Willen der englischen Regierung nachdrücklich zum Ausdruck,
daß die Vormachtstellung Großbritanniens im Mittelländischen Meer in festen
Händen liegt und sich keinen Schritt beiseite schieben lassen will. Die Richtigkeit
dieser Auffassung bestätigt ein höchst lesenswerter Artikel in der ^rin^ -ma
Mo? O^steh, der am Schluß lautet: „Es ist für England von der größten
Wichtigkeit, daß wir die Verbindungswege zwischen dem Occident und dem
Orient unter dauernder Kontrolle behalten. So war es seit den Zeiten des
großen Herzogs von Marlborough, der als der erste die eminente Bedeutung
der Mittelmeerstraße für unsern Welthandel erkannt und festgelegt hat. Unsre
Lage in diesem Meer ist von unsern Lebensinteressen nicht zu trennen. Das


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[0314] Der Abschluß der großen englischen Heeresreformen Leben gerufen wurde, um die bisherigen Autoritätsrechte des Kriegsministers und des Generalissimus einzuschränken, muß also der Befehlsbereich der nominell höchsten Kommandostelle des Heeres Halt machen. Große Verdienste soll sich der Herzog von Connaught erworben haben in seiner Eigenschaft als Vor¬ sitzender des Lölöotion Loarä, der sich mit deu Vorschlägen zur Beförderung von Offizieren vom Hauptmann aufwärts zu befassen hat. Lag auch für diese Anträge die Entscheidung beim Armeerat, so war dies doch hier mehr eine Formsache, und niemals soll es vorgekommen sein, daß solchen Wünschen des Generaliuspekteurs nicht sofort entsprochen worden ist. Also in bezug auf die Zahl der ihm in Zukunft unterstehenden Truppen wird das Oberkommando im Mittelmeer vorläufig wenigstens nicht sehr in Anspruch genommen sein. Denn die in Ägypten und im Sudan, in Malta und in Gibraltar, auf Kreta und in Cypern untergebrachten englischen Heeres¬ bestandteile erreichen zusammen nur die Stärke von 19500 Mann. Schon darin liegt begründet, daß, um sie zu besichtigen, die britische Negierung schwerlich nötig hätte, den verdienten Generalinspekteur der Armee im Amte abzulösen. In der Aufgabe des neuen Oberkommcmdiercnden soll es nun liegen, zunächst zu prüfen und dementsprechend Vorschläge zumachen, wie viel Landstrcitkrüftc England auf den einzelnen Mittelmeerstationen haben muß, um den an sie in Zukunft möglicherweise herantretenden großen Aufgaben gewachsen zu sein. Vor allen Dingen wird es sich dabei um Ägypten handeln, wo die 5000 englischen Truppen schon lange nicht mehr für ausreichend erachtet werden, den sich so häufig wiederholenden Unruhen im Innern und bei Übergriffen seitens der Türkei mit Erfolg gegenübertreten zu können. Zur Verfügung für solche Ver¬ stärkungen steht das vom Kriegsminister Haldane neu geschaffne Feldheer, das auf diese Weise vielleicht nach und nach unter den Befehl des Oberkommandos im Mittelmeer tritt. Es heißt aber, daß die Vefehlsgewalt der in Malta neu geschaffnen Kommandobehörde nicht auf die Landtruppen beschränkt bleiben soll, sondern im Laufe der Zeit auch auf die Flotte im Mittelmeer ausgedehnt werden wird, um dadurch die Operationen der Landtruppen und der Kriegs¬ schiffe im gegebnen Falle in einer Hand zu vereinigen. Damit erscheint die künftige Stellung des Herzogs von Connaught natürlich in ganz andern: Lichte. Sie bringt den Willen der englischen Regierung nachdrücklich zum Ausdruck, daß die Vormachtstellung Großbritanniens im Mittelländischen Meer in festen Händen liegt und sich keinen Schritt beiseite schieben lassen will. Die Richtigkeit dieser Auffassung bestätigt ein höchst lesenswerter Artikel in der ^rin^ -ma Mo? O^steh, der am Schluß lautet: „Es ist für England von der größten Wichtigkeit, daß wir die Verbindungswege zwischen dem Occident und dem Orient unter dauernder Kontrolle behalten. So war es seit den Zeiten des großen Herzogs von Marlborough, der als der erste die eminente Bedeutung der Mittelmeerstraße für unsern Welthandel erkannt und festgelegt hat. Unsre Lage in diesem Meer ist von unsern Lebensinteressen nicht zu trennen. Das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/314>, abgerufen am 24.07.2024.