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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Amerika und die Dauerhaftigkeit seiner politischen Verhältnisse

Zu neun Zehnteln bestehn sie aus reinen Negern; den Rest bilden dunkle
Mulatten. Nächst der ungefähr gleich bevölkerten Republik Liberia bildet Haiti
den ausgesprochensten Negerstaat auf Grund kaukasischer Kultur. In dieser
Hinsicht sind die sogenannten Negerstaaten der Vereinigten Staaten gar nicht
mit Haiti zu vergleichen, denn von diesen haben nur zwei eine farbige Mehr¬
heit. Die ausgesprochensten Negerstaaten sind:

Weiße Neger
Südkarolina........S57807 782231
Mississippi.........6" 200 907630
Nordkarolina........1263603 624469
Georgia..........1181294 1034813
Alabama.........1001152 "27 307
Louisiana.........729612 650804

Was aus diesen werden kann, wenn einmal nicht mehr die Staatsgewalt
von Washington die Fahne der Kultur verteidigt, davon mag Haiti eine ab¬
schreckende Vorstellung geben. Und andrerseits kann die Phantasie sich aus¬
malen, wozu sich Haiti entwickeln kann, wenn die Nordamerikaner hier Ordnung
schaffen. Was der europäische Handel dadurch verliert, daß die Amerikaner
hier ihre Zollschranken aufrichten, das wird er durch die Ordnung gewinnen.
So hat sich die deutsche Ausfuhr nach Cuba trotz des amerikanischen Vorzugs¬
zolles von 10 bis 12 Millionen Mark in den Jahren 1899 bis 1900 all¬
mählich auf 19 bis 20 Millionen in den Jahren 1905 bis 1906 gehoben.
Bei Haiti ist die Hoffnung auf Reformen aus eigner Kraft am geringsten.
Man muß annehmen, daß die Vereinigten Staaten, so wenig Lust sie dazu
auch haben werden, eines Tages durch den Gang der Dinge zum Einschreiten
genötigt werden. In äußerlicher Weise tun sie das schon jetzt, und neben
ihnen auch Deutschland und England. Portorico ist schon ein Teil der Ver¬
einigten Staaten.

Das übrige Westindien ist noch in europäischer Hand, meist in der eng¬
lischen. Man kann Jamaika als typisch ansehen. Auch hier ist das Neger¬
blut ganz überwiegend. Drei Viertel werden als reine Neger angesehen, der
Rest, mit Ausnahme von etwa 16000 bis 18000 Weißen, als Mischlinge.
Der Wohlstand auch des europäisch regierten Westindiens hat durch den Rück¬
gang der Zuckerpreise schwer gelitten. Dennoch ist durch die starke und von
Einsicht geleitete Hand der Weißen überall ein Verfall wie in Haiti abgewandt
worden.

Zentralamerika, die fünf ältern kleinen Republiken, ist wie Spanisch-
Amerika überall, jedoch noch verschlimmert durch Kriege zwischen den einzelnen
Staaten, die hier an der Tagesordnung sind und das Elend des Aufruhrs
und der Bürgerkriege noch verschärfen. Im Grunde sind alle von ganz ähn¬
lichen wirtschaftlichen und ethnographischen Verhältnissen, gleicher Konfession,
ohne etwas, was sich mit dynastischen Traditionen, wie einst in Deutschland.


Amerika und die Dauerhaftigkeit seiner politischen Verhältnisse

Zu neun Zehnteln bestehn sie aus reinen Negern; den Rest bilden dunkle
Mulatten. Nächst der ungefähr gleich bevölkerten Republik Liberia bildet Haiti
den ausgesprochensten Negerstaat auf Grund kaukasischer Kultur. In dieser
Hinsicht sind die sogenannten Negerstaaten der Vereinigten Staaten gar nicht
mit Haiti zu vergleichen, denn von diesen haben nur zwei eine farbige Mehr¬
heit. Die ausgesprochensten Negerstaaten sind:

Weiße Neger
Südkarolina........S57807 782231
Mississippi.........6" 200 907630
Nordkarolina........1263603 624469
Georgia..........1181294 1034813
Alabama.........1001152 «27 307
Louisiana.........729612 650804

Was aus diesen werden kann, wenn einmal nicht mehr die Staatsgewalt
von Washington die Fahne der Kultur verteidigt, davon mag Haiti eine ab¬
schreckende Vorstellung geben. Und andrerseits kann die Phantasie sich aus¬
malen, wozu sich Haiti entwickeln kann, wenn die Nordamerikaner hier Ordnung
schaffen. Was der europäische Handel dadurch verliert, daß die Amerikaner
hier ihre Zollschranken aufrichten, das wird er durch die Ordnung gewinnen.
So hat sich die deutsche Ausfuhr nach Cuba trotz des amerikanischen Vorzugs¬
zolles von 10 bis 12 Millionen Mark in den Jahren 1899 bis 1900 all¬
mählich auf 19 bis 20 Millionen in den Jahren 1905 bis 1906 gehoben.
Bei Haiti ist die Hoffnung auf Reformen aus eigner Kraft am geringsten.
Man muß annehmen, daß die Vereinigten Staaten, so wenig Lust sie dazu
auch haben werden, eines Tages durch den Gang der Dinge zum Einschreiten
genötigt werden. In äußerlicher Weise tun sie das schon jetzt, und neben
ihnen auch Deutschland und England. Portorico ist schon ein Teil der Ver¬
einigten Staaten.

Das übrige Westindien ist noch in europäischer Hand, meist in der eng¬
lischen. Man kann Jamaika als typisch ansehen. Auch hier ist das Neger¬
blut ganz überwiegend. Drei Viertel werden als reine Neger angesehen, der
Rest, mit Ausnahme von etwa 16000 bis 18000 Weißen, als Mischlinge.
Der Wohlstand auch des europäisch regierten Westindiens hat durch den Rück¬
gang der Zuckerpreise schwer gelitten. Dennoch ist durch die starke und von
Einsicht geleitete Hand der Weißen überall ein Verfall wie in Haiti abgewandt
worden.

Zentralamerika, die fünf ältern kleinen Republiken, ist wie Spanisch-
Amerika überall, jedoch noch verschlimmert durch Kriege zwischen den einzelnen
Staaten, die hier an der Tagesordnung sind und das Elend des Aufruhrs
und der Bürgerkriege noch verschärfen. Im Grunde sind alle von ganz ähn¬
lichen wirtschaftlichen und ethnographischen Verhältnissen, gleicher Konfession,
ohne etwas, was sich mit dynastischen Traditionen, wie einst in Deutschland.


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[0271] Amerika und die Dauerhaftigkeit seiner politischen Verhältnisse Zu neun Zehnteln bestehn sie aus reinen Negern; den Rest bilden dunkle Mulatten. Nächst der ungefähr gleich bevölkerten Republik Liberia bildet Haiti den ausgesprochensten Negerstaat auf Grund kaukasischer Kultur. In dieser Hinsicht sind die sogenannten Negerstaaten der Vereinigten Staaten gar nicht mit Haiti zu vergleichen, denn von diesen haben nur zwei eine farbige Mehr¬ heit. Die ausgesprochensten Negerstaaten sind: Weiße Neger Südkarolina........S57807 782231 Mississippi.........6" 200 907630 Nordkarolina........1263603 624469 Georgia..........1181294 1034813 Alabama.........1001152 «27 307 Louisiana.........729612 650804 Was aus diesen werden kann, wenn einmal nicht mehr die Staatsgewalt von Washington die Fahne der Kultur verteidigt, davon mag Haiti eine ab¬ schreckende Vorstellung geben. Und andrerseits kann die Phantasie sich aus¬ malen, wozu sich Haiti entwickeln kann, wenn die Nordamerikaner hier Ordnung schaffen. Was der europäische Handel dadurch verliert, daß die Amerikaner hier ihre Zollschranken aufrichten, das wird er durch die Ordnung gewinnen. So hat sich die deutsche Ausfuhr nach Cuba trotz des amerikanischen Vorzugs¬ zolles von 10 bis 12 Millionen Mark in den Jahren 1899 bis 1900 all¬ mählich auf 19 bis 20 Millionen in den Jahren 1905 bis 1906 gehoben. Bei Haiti ist die Hoffnung auf Reformen aus eigner Kraft am geringsten. Man muß annehmen, daß die Vereinigten Staaten, so wenig Lust sie dazu auch haben werden, eines Tages durch den Gang der Dinge zum Einschreiten genötigt werden. In äußerlicher Weise tun sie das schon jetzt, und neben ihnen auch Deutschland und England. Portorico ist schon ein Teil der Ver¬ einigten Staaten. Das übrige Westindien ist noch in europäischer Hand, meist in der eng¬ lischen. Man kann Jamaika als typisch ansehen. Auch hier ist das Neger¬ blut ganz überwiegend. Drei Viertel werden als reine Neger angesehen, der Rest, mit Ausnahme von etwa 16000 bis 18000 Weißen, als Mischlinge. Der Wohlstand auch des europäisch regierten Westindiens hat durch den Rück¬ gang der Zuckerpreise schwer gelitten. Dennoch ist durch die starke und von Einsicht geleitete Hand der Weißen überall ein Verfall wie in Haiti abgewandt worden. Zentralamerika, die fünf ältern kleinen Republiken, ist wie Spanisch- Amerika überall, jedoch noch verschlimmert durch Kriege zwischen den einzelnen Staaten, die hier an der Tagesordnung sind und das Elend des Aufruhrs und der Bürgerkriege noch verschärfen. Im Grunde sind alle von ganz ähn¬ lichen wirtschaftlichen und ethnographischen Verhältnissen, gleicher Konfession, ohne etwas, was sich mit dynastischen Traditionen, wie einst in Deutschland.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/271>, abgerufen am 24.07.2024.