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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Amerika und die Dauerhaftigkeit seiner politischen Verhältnisse

sässig werden lassen, sondern die nötigen Quartiere schaffen, daß man sie ge-
gebnenfalls zu rechter Zeit wieder los wird.

Wie gesagt, Ausnahmegesetze sollen für Ausländer, die sich in unsern
Kolonien ansiedeln wollen, vorläufig nicht gefordert werden. Trotzdem halte ich
es für nützlich, das von den Franzosen in ihren Kolonien geübte Verfahren zu
erwähnen. In den französischen Kolonien haben Fremde eine Aufenthaltssteuer
und eine besondre Gewerbesteuer zu zahlen. Die Franzosen stehn aber auf
dem Standpunkt, daß ihre Kolonien dazu basirt, vor allem der französischen
Nation Ellbogenfreiheit zu gewährleisten. Ähnlich liegen ja die Verhältnisse
in den holländischen Kolonien. Nur die Engländer sind liberal, vielleicht mit
guten Gründen, denn sie haben ein Interesse daran, ihrem indischen Überschuß
fremde Türen offen zu halten, und trotzdem sträuben sich jetzt schon verschiedne
englische Kolonien, zum Beispiel Australien und Südafrika, gegen die asiatische
Invasion.

Alles in allem meine ich, man sollte Ausländern, die einige Gewähr für
Solidität bieten und entsprechende Mittel aufweisen können, nichts in den Weg
legen, wenn sie sich in unsern Kolonien niederlassen wollen, aber man sollte
sie auch nicht unterstützen. Wir haben alle Veranlassung, uns die Möglichkeit
offen zu lassen, daß unser Bevölkerungsüberschuß mit der Zeit in unsern eignen
Kolonien statt auf fremdem Boden eine Heimat findet. Blühende deutsche
Siedlungen in aller Herren Ländern beweisen, daß sich der Deutsche in den
schwierigsten Lagen zurechtfindet, warum sollte er nicht in unsern Kolonien
leisten können, was Fremde vermögen? Doch davon wollen wir ein andermal
reden. Jedenfalls brauchen wir die Ausländer nicht.




Amerika und die Dauerhaftigkeit seiner politischen
Verhältnisse
2

mperialismus und Expansion sind Schlagwörter, entsprungen aus
dem Verlangen nach Märkten, auf denen die nordamerikanische
Industrie eine Art Monopol genießt, die also gegen die Einfuhr
aus Europa abgesperrt werden müssen. Die Vereinigten Staaten
sind mit hohen Schutzzollwälleu umgeben. Seitdem sich die
amerikanische Industrie so stark entwickelt hat, ist ihr eignes Gebiet kein ge¬
nügendes Absatzgebiet mehr. Auf dem Weltmarkt ist die amerikanische Industrie
nur bedingt konkurrenzfähig; nur wenn es sich um Spezialitäten handelt (wie
zum Beispiel landwirtschaftliche Maschinen und Gerätschaften), und wenn sie auf


Amerika und die Dauerhaftigkeit seiner politischen Verhältnisse

sässig werden lassen, sondern die nötigen Quartiere schaffen, daß man sie ge-
gebnenfalls zu rechter Zeit wieder los wird.

Wie gesagt, Ausnahmegesetze sollen für Ausländer, die sich in unsern
Kolonien ansiedeln wollen, vorläufig nicht gefordert werden. Trotzdem halte ich
es für nützlich, das von den Franzosen in ihren Kolonien geübte Verfahren zu
erwähnen. In den französischen Kolonien haben Fremde eine Aufenthaltssteuer
und eine besondre Gewerbesteuer zu zahlen. Die Franzosen stehn aber auf
dem Standpunkt, daß ihre Kolonien dazu basirt, vor allem der französischen
Nation Ellbogenfreiheit zu gewährleisten. Ähnlich liegen ja die Verhältnisse
in den holländischen Kolonien. Nur die Engländer sind liberal, vielleicht mit
guten Gründen, denn sie haben ein Interesse daran, ihrem indischen Überschuß
fremde Türen offen zu halten, und trotzdem sträuben sich jetzt schon verschiedne
englische Kolonien, zum Beispiel Australien und Südafrika, gegen die asiatische
Invasion.

Alles in allem meine ich, man sollte Ausländern, die einige Gewähr für
Solidität bieten und entsprechende Mittel aufweisen können, nichts in den Weg
legen, wenn sie sich in unsern Kolonien niederlassen wollen, aber man sollte
sie auch nicht unterstützen. Wir haben alle Veranlassung, uns die Möglichkeit
offen zu lassen, daß unser Bevölkerungsüberschuß mit der Zeit in unsern eignen
Kolonien statt auf fremdem Boden eine Heimat findet. Blühende deutsche
Siedlungen in aller Herren Ländern beweisen, daß sich der Deutsche in den
schwierigsten Lagen zurechtfindet, warum sollte er nicht in unsern Kolonien
leisten können, was Fremde vermögen? Doch davon wollen wir ein andermal
reden. Jedenfalls brauchen wir die Ausländer nicht.




Amerika und die Dauerhaftigkeit seiner politischen
Verhältnisse
2

mperialismus und Expansion sind Schlagwörter, entsprungen aus
dem Verlangen nach Märkten, auf denen die nordamerikanische
Industrie eine Art Monopol genießt, die also gegen die Einfuhr
aus Europa abgesperrt werden müssen. Die Vereinigten Staaten
sind mit hohen Schutzzollwälleu umgeben. Seitdem sich die
amerikanische Industrie so stark entwickelt hat, ist ihr eignes Gebiet kein ge¬
nügendes Absatzgebiet mehr. Auf dem Weltmarkt ist die amerikanische Industrie
nur bedingt konkurrenzfähig; nur wenn es sich um Spezialitäten handelt (wie
zum Beispiel landwirtschaftliche Maschinen und Gerätschaften), und wenn sie auf


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[0266] Amerika und die Dauerhaftigkeit seiner politischen Verhältnisse sässig werden lassen, sondern die nötigen Quartiere schaffen, daß man sie ge- gebnenfalls zu rechter Zeit wieder los wird. Wie gesagt, Ausnahmegesetze sollen für Ausländer, die sich in unsern Kolonien ansiedeln wollen, vorläufig nicht gefordert werden. Trotzdem halte ich es für nützlich, das von den Franzosen in ihren Kolonien geübte Verfahren zu erwähnen. In den französischen Kolonien haben Fremde eine Aufenthaltssteuer und eine besondre Gewerbesteuer zu zahlen. Die Franzosen stehn aber auf dem Standpunkt, daß ihre Kolonien dazu basirt, vor allem der französischen Nation Ellbogenfreiheit zu gewährleisten. Ähnlich liegen ja die Verhältnisse in den holländischen Kolonien. Nur die Engländer sind liberal, vielleicht mit guten Gründen, denn sie haben ein Interesse daran, ihrem indischen Überschuß fremde Türen offen zu halten, und trotzdem sträuben sich jetzt schon verschiedne englische Kolonien, zum Beispiel Australien und Südafrika, gegen die asiatische Invasion. Alles in allem meine ich, man sollte Ausländern, die einige Gewähr für Solidität bieten und entsprechende Mittel aufweisen können, nichts in den Weg legen, wenn sie sich in unsern Kolonien niederlassen wollen, aber man sollte sie auch nicht unterstützen. Wir haben alle Veranlassung, uns die Möglichkeit offen zu lassen, daß unser Bevölkerungsüberschuß mit der Zeit in unsern eignen Kolonien statt auf fremdem Boden eine Heimat findet. Blühende deutsche Siedlungen in aller Herren Ländern beweisen, daß sich der Deutsche in den schwierigsten Lagen zurechtfindet, warum sollte er nicht in unsern Kolonien leisten können, was Fremde vermögen? Doch davon wollen wir ein andermal reden. Jedenfalls brauchen wir die Ausländer nicht. Amerika und die Dauerhaftigkeit seiner politischen Verhältnisse 2 mperialismus und Expansion sind Schlagwörter, entsprungen aus dem Verlangen nach Märkten, auf denen die nordamerikanische Industrie eine Art Monopol genießt, die also gegen die Einfuhr aus Europa abgesperrt werden müssen. Die Vereinigten Staaten sind mit hohen Schutzzollwälleu umgeben. Seitdem sich die amerikanische Industrie so stark entwickelt hat, ist ihr eignes Gebiet kein ge¬ nügendes Absatzgebiet mehr. Auf dem Weltmarkt ist die amerikanische Industrie nur bedingt konkurrenzfähig; nur wenn es sich um Spezialitäten handelt (wie zum Beispiel landwirtschaftliche Maschinen und Gerätschaften), und wenn sie auf

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/266>, abgerufen am 24.07.2024.