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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Reform unsrer Ureditorgcmisation

niedrigen Wechselkursen Gold ausführt; sie sagt nämlich, sie könne, sobald die
ausländischen Geschäftsverbindungen Gold bestellen, den Export nicht ablehnen,
aus Furcht, die mühsam erworbnen Verbindungen zu verlieren. Außerdem
sagt jede Bank für sich: lehnen wir die Goldbestellung ab, so nimmt sie eine
Konkurrentin an. Und so exportieren die Banken auf Wunsch des Auslands
für die niedrige Provision von einhalb fürs Tausend unser Gold nach dem
Auslande. Doch auch der hohe Stand des Wechselkurses scheint uns nicht
immer ein zuverlässiger Zeitmesser zu sein für den Augenblick, wo die Aus¬
fuhr von Gold zur Bezahlung von Verpflichtungen an das Ausland unver¬
meidlich wird.

Die Frage der Wechselkurse bedarf unsers Erachtens eingehender Berück¬
sichtigung bei der von der Regierung beschlossenen Enquete über das Kredit-
und Bankwesen im Deutschen Reiche. Denn die Diskontpolitik richtet sich in
hohem Maße nach dem Stande der Wechselkurse. Bei hohen Kursen wird der
Bankdiskont erhöht. Infolgedessen strömt das Kapital aus Ländern mit viel
niedrigeren Zinssatz nach Deutschland, um die hohen Zinsen zu genießen. Da¬
durch wird die Verschuldung Deutschlands an das Ausland, die das Steigen
der Wechselkurse veranlaßt hatte, verringert oder ganz aufgehoben, die Kurse
sinken, und es strömt Geld ins Land.

Steigt also der Kurs, ohne daß dieses durch den Stand der Zahlungs¬
bilanz gerechtfertigt ist, so besteht die Gefahr, daß allen Erwerbskreisen Deutsch¬
lands der Kredit durch hohen Diskont zu Unrecht verteuert wird, falls in dex
Bankpraxis Einflüsse existieren, die imstande sind, die Wirksamkeit des Gesetzes
von Angebot und Nachfrage auf dem Fremdwechselmarkte aufzuschieben. Das
Gesetz aufzuheben, ist selbstverständlich unmöglich. Wenn aber durch irgend¬
welche Einflüsse der offizielle Bankdiskont mit Rücksicht auf die Wechselkurse
auch nur wenig früher oder später, als unbedingt notwendig ist, erhöht wird,
so können daraus für die gesamte Volkswirtschaft unnötige Schädigungen er¬
wachsen. Solcher Einflüsse gibt es aber eine große Zahl.

Schon Göschen hat in seinem grundlegenden Werke "Theorie der aus¬
ländischen Wechselkurse" auf derartige Einflüsse hingewiesen: "Es ist nicht
notwendig, sich in andre Details über die verschiednen Kunstgriffe und Bank¬
manöver einzulassen, deren sich diejenigen bedienen, welche auf die Wechsel¬
kurse, d. h. auf das Steigen und Fallen der Wechsel spekulieren, um die
natürlichen Schwankungen derselben zu beeinflussen oder ihnen entgegen¬
zuwirken." Das wirksamste Mittel zur Beeinflussung des Wechselkurses ist
die Einwirkung auf den Privatdiskont, da Wechselkurs und Privatsatz während
des ganzen Jahres fast genau dieselbe Kurve beschreiben. Prior weist in
einem soeben erschienenen Werke "Das deutsche Wechseldiskontgeschäft"'") auf



*) Leipzig, Duncker und Humblot, 1907. Der Verfasser stellt verschiedne schon bekannte
Mängel in der Organisation des deutschen Geldmarktes und im Bankwesen zusammen, weshalb
Reform unsrer Ureditorgcmisation

niedrigen Wechselkursen Gold ausführt; sie sagt nämlich, sie könne, sobald die
ausländischen Geschäftsverbindungen Gold bestellen, den Export nicht ablehnen,
aus Furcht, die mühsam erworbnen Verbindungen zu verlieren. Außerdem
sagt jede Bank für sich: lehnen wir die Goldbestellung ab, so nimmt sie eine
Konkurrentin an. Und so exportieren die Banken auf Wunsch des Auslands
für die niedrige Provision von einhalb fürs Tausend unser Gold nach dem
Auslande. Doch auch der hohe Stand des Wechselkurses scheint uns nicht
immer ein zuverlässiger Zeitmesser zu sein für den Augenblick, wo die Aus¬
fuhr von Gold zur Bezahlung von Verpflichtungen an das Ausland unver¬
meidlich wird.

Die Frage der Wechselkurse bedarf unsers Erachtens eingehender Berück¬
sichtigung bei der von der Regierung beschlossenen Enquete über das Kredit-
und Bankwesen im Deutschen Reiche. Denn die Diskontpolitik richtet sich in
hohem Maße nach dem Stande der Wechselkurse. Bei hohen Kursen wird der
Bankdiskont erhöht. Infolgedessen strömt das Kapital aus Ländern mit viel
niedrigeren Zinssatz nach Deutschland, um die hohen Zinsen zu genießen. Da¬
durch wird die Verschuldung Deutschlands an das Ausland, die das Steigen
der Wechselkurse veranlaßt hatte, verringert oder ganz aufgehoben, die Kurse
sinken, und es strömt Geld ins Land.

Steigt also der Kurs, ohne daß dieses durch den Stand der Zahlungs¬
bilanz gerechtfertigt ist, so besteht die Gefahr, daß allen Erwerbskreisen Deutsch¬
lands der Kredit durch hohen Diskont zu Unrecht verteuert wird, falls in dex
Bankpraxis Einflüsse existieren, die imstande sind, die Wirksamkeit des Gesetzes
von Angebot und Nachfrage auf dem Fremdwechselmarkte aufzuschieben. Das
Gesetz aufzuheben, ist selbstverständlich unmöglich. Wenn aber durch irgend¬
welche Einflüsse der offizielle Bankdiskont mit Rücksicht auf die Wechselkurse
auch nur wenig früher oder später, als unbedingt notwendig ist, erhöht wird,
so können daraus für die gesamte Volkswirtschaft unnötige Schädigungen er¬
wachsen. Solcher Einflüsse gibt es aber eine große Zahl.

Schon Göschen hat in seinem grundlegenden Werke „Theorie der aus¬
ländischen Wechselkurse" auf derartige Einflüsse hingewiesen: „Es ist nicht
notwendig, sich in andre Details über die verschiednen Kunstgriffe und Bank¬
manöver einzulassen, deren sich diejenigen bedienen, welche auf die Wechsel¬
kurse, d. h. auf das Steigen und Fallen der Wechsel spekulieren, um die
natürlichen Schwankungen derselben zu beeinflussen oder ihnen entgegen¬
zuwirken." Das wirksamste Mittel zur Beeinflussung des Wechselkurses ist
die Einwirkung auf den Privatdiskont, da Wechselkurs und Privatsatz während
des ganzen Jahres fast genau dieselbe Kurve beschreiben. Prior weist in
einem soeben erschienenen Werke „Das deutsche Wechseldiskontgeschäft"'") auf



*) Leipzig, Duncker und Humblot, 1907. Der Verfasser stellt verschiedne schon bekannte
Mängel in der Organisation des deutschen Geldmarktes und im Bankwesen zusammen, weshalb
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[0224] Reform unsrer Ureditorgcmisation niedrigen Wechselkursen Gold ausführt; sie sagt nämlich, sie könne, sobald die ausländischen Geschäftsverbindungen Gold bestellen, den Export nicht ablehnen, aus Furcht, die mühsam erworbnen Verbindungen zu verlieren. Außerdem sagt jede Bank für sich: lehnen wir die Goldbestellung ab, so nimmt sie eine Konkurrentin an. Und so exportieren die Banken auf Wunsch des Auslands für die niedrige Provision von einhalb fürs Tausend unser Gold nach dem Auslande. Doch auch der hohe Stand des Wechselkurses scheint uns nicht immer ein zuverlässiger Zeitmesser zu sein für den Augenblick, wo die Aus¬ fuhr von Gold zur Bezahlung von Verpflichtungen an das Ausland unver¬ meidlich wird. Die Frage der Wechselkurse bedarf unsers Erachtens eingehender Berück¬ sichtigung bei der von der Regierung beschlossenen Enquete über das Kredit- und Bankwesen im Deutschen Reiche. Denn die Diskontpolitik richtet sich in hohem Maße nach dem Stande der Wechselkurse. Bei hohen Kursen wird der Bankdiskont erhöht. Infolgedessen strömt das Kapital aus Ländern mit viel niedrigeren Zinssatz nach Deutschland, um die hohen Zinsen zu genießen. Da¬ durch wird die Verschuldung Deutschlands an das Ausland, die das Steigen der Wechselkurse veranlaßt hatte, verringert oder ganz aufgehoben, die Kurse sinken, und es strömt Geld ins Land. Steigt also der Kurs, ohne daß dieses durch den Stand der Zahlungs¬ bilanz gerechtfertigt ist, so besteht die Gefahr, daß allen Erwerbskreisen Deutsch¬ lands der Kredit durch hohen Diskont zu Unrecht verteuert wird, falls in dex Bankpraxis Einflüsse existieren, die imstande sind, die Wirksamkeit des Gesetzes von Angebot und Nachfrage auf dem Fremdwechselmarkte aufzuschieben. Das Gesetz aufzuheben, ist selbstverständlich unmöglich. Wenn aber durch irgend¬ welche Einflüsse der offizielle Bankdiskont mit Rücksicht auf die Wechselkurse auch nur wenig früher oder später, als unbedingt notwendig ist, erhöht wird, so können daraus für die gesamte Volkswirtschaft unnötige Schädigungen er¬ wachsen. Solcher Einflüsse gibt es aber eine große Zahl. Schon Göschen hat in seinem grundlegenden Werke „Theorie der aus¬ ländischen Wechselkurse" auf derartige Einflüsse hingewiesen: „Es ist nicht notwendig, sich in andre Details über die verschiednen Kunstgriffe und Bank¬ manöver einzulassen, deren sich diejenigen bedienen, welche auf die Wechsel¬ kurse, d. h. auf das Steigen und Fallen der Wechsel spekulieren, um die natürlichen Schwankungen derselben zu beeinflussen oder ihnen entgegen¬ zuwirken." Das wirksamste Mittel zur Beeinflussung des Wechselkurses ist die Einwirkung auf den Privatdiskont, da Wechselkurs und Privatsatz während des ganzen Jahres fast genau dieselbe Kurve beschreiben. Prior weist in einem soeben erschienenen Werke „Das deutsche Wechseldiskontgeschäft"'") auf *) Leipzig, Duncker und Humblot, 1907. Der Verfasser stellt verschiedne schon bekannte Mängel in der Organisation des deutschen Geldmarktes und im Bankwesen zusammen, weshalb

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/224>, abgerufen am 24.07.2024.