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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

hatten Behagen selbst vorlügt, wie wirs so herrlich weit gebracht. Als das junge
Deutsche Reich in den ersten zwei Jahrzehnten nach seiner Gründung noch das Glück
hatte, von dem größten Staatsmann des Jahrhunderts geführt zu werde", haben
wir uns daran gewöhnt, die Überlegenheit dieser Führung fast ohne Kritik anzu¬
erkennen. Wenn wir uns seit dem Scheiden Bismarcks von der politischen Bühne
ein Übermaß von Kritik angewöhnt haben, so ist das zwar der natürliche Rückschlag,
der auf die vergangne Zeit folgen mußte, aber es ist zugleich eine Gefahr, weil
wir damit der falschen Annahme Vorschub leisten, als sei es die Aufgabe jedes
leitenden deutschen Staatsmannes nach Bismarck, dem Volke jede politische Ver¬
antwortung abzunehmen. Das deutsche Volk muß sich aber in das Errungne hinein¬
leben, es innerlich verarbeiten und aus sich heraus neue Ziele finden. Das gibt
eine Zeit äußerlich langsamern, stillern Fortschreitens, aber innerlichen Wachstums
an politischer Reife, und in einer solchen Zeit kann es kaum einen schlimmern Feind
geben als die aus der Erinnerung an eine größere Vergangenheit stammende Ver¬
drossenheit, den überkritischen Pessimismus, der das Auge für die Gegenwart blendet
und den Arm für die Zukunft lähmt. Es ist die erste politische Pflicht, möglichst
klar zu sehen, was wirklich ist, und dieser Pflicht widerstreitet es, an allem, was
in ehrlicher Arbeit geleistet worden ist, so lange zu nörgeln und herumzudeuten,
bis es als Mißerfolg oder Rückschritt erscheint. Das ist ebensowenig zu ver¬
antworten wie die Vortäuschung von Erfolgen, die nicht vorhanden sind. Sind
aber Erfolge vorhanden, so ist es lächerlich, die Art zu bemängeln, wie sie errungen
worden sind, oder sie dem glücklichen Zufall zuzuschreiben. In der Staatskunst
ist das wirklich Erreichte das allein Entscheidende, und Glück gibt es nur für den,
der mit kräftiger Intuition die vielen wirkenden Kräfte, auch die verborgnen, zu
überschauen und zu schätzen vermag. Und wenn nun eine Zeit, die nicht von großen,
die Nation fortreißenden Problemen erfüllt wird, sondern die Früchte einer großen
Blütezeit zur Reife bringe" soll, von einem lähmenden, verwirrenden Pessimismus
heimgesucht wird, dann fällt einem Staatsmann, der es verstanden hat, trotzdem
Erfolge zu erringen, ein um so größeres Verdienst zu.

Von diesem Standpunkt aus, so meinen wir, sollte man die innere Politik des
Fürsten Bülow beurteilen. Als er Reichskanzler wurde, fand er eine schwierige
Doppelaufgabe im Reiche und in Preußen vor. Im Reiche war die Revision des
Zolltarifs durchzuführen, wobei ein Konflikt mit der freihändlerischen Linken drohte;
in Preußen war die Regierung stark engagiert für die Kanalvorlage, die einen
zähen Widerstand bei den Parteien der Rechten gefunden hatte. Beide Aufgaben
hatten nichts miteinander zu tun, und doch war das Schicksal beider durch die
Politische Lage in einen verhängnisvollen Zusammenhang gebracht worden. Der
neue Reichskanzler verstand es. diesen Zusammenhang zu lösen, den Zolltarif durch¬
zubringen und dann erst die Kanalvorlage zur Entscheidung zu bringen. In dieser
Frage erreichte er nicht alles, was die Freunde der Vorlage gehofft hatten, aber
viel mehr als die größten Optimisten erwartet hatten.

An dieser Kanalvorlage war Fürst Hohenlohe gescheitert. Und Graf Caprivi
hatte ebenfalls eine solche Klippe auf seinem Wege gefunden. Durch die Nach¬
wirkungen der Ereignisse, die mit dem Schicksal des Zedlitzschen Schulgesetzes zu¬
sammenhingen, war er zu Fall gebracht worden. Die Schulgesetzfrage in Preußen
erwies sich überhaupt als eines der Probleme, die ohne eine völlige Umgestaltung
der Parteiverhältnisse so gut wie unlösbar schienen. Fürst Bülow hat es gleich¬
wohl verstanden, die Konservativen zum Verzicht auf ihre durch den Wortlaut der
Verfassung gestützte Forderung zu bewegen, wonach auch die dringendsten Reformen
in der Verwaltung des Volksunterrichts nur im Rahmen eines allgemeinen, um¬
fassenden Schulgesetzes ausgeführt werden sollten. Es gelang ihm, diese dringenden
Reformbedürfnisse herauszugreifen und zur Lösung dieser Aufgabe das Volksschul-


Maßgebliches und Unmaßgebliches

hatten Behagen selbst vorlügt, wie wirs so herrlich weit gebracht. Als das junge
Deutsche Reich in den ersten zwei Jahrzehnten nach seiner Gründung noch das Glück
hatte, von dem größten Staatsmann des Jahrhunderts geführt zu werde», haben
wir uns daran gewöhnt, die Überlegenheit dieser Führung fast ohne Kritik anzu¬
erkennen. Wenn wir uns seit dem Scheiden Bismarcks von der politischen Bühne
ein Übermaß von Kritik angewöhnt haben, so ist das zwar der natürliche Rückschlag,
der auf die vergangne Zeit folgen mußte, aber es ist zugleich eine Gefahr, weil
wir damit der falschen Annahme Vorschub leisten, als sei es die Aufgabe jedes
leitenden deutschen Staatsmannes nach Bismarck, dem Volke jede politische Ver¬
antwortung abzunehmen. Das deutsche Volk muß sich aber in das Errungne hinein¬
leben, es innerlich verarbeiten und aus sich heraus neue Ziele finden. Das gibt
eine Zeit äußerlich langsamern, stillern Fortschreitens, aber innerlichen Wachstums
an politischer Reife, und in einer solchen Zeit kann es kaum einen schlimmern Feind
geben als die aus der Erinnerung an eine größere Vergangenheit stammende Ver¬
drossenheit, den überkritischen Pessimismus, der das Auge für die Gegenwart blendet
und den Arm für die Zukunft lähmt. Es ist die erste politische Pflicht, möglichst
klar zu sehen, was wirklich ist, und dieser Pflicht widerstreitet es, an allem, was
in ehrlicher Arbeit geleistet worden ist, so lange zu nörgeln und herumzudeuten,
bis es als Mißerfolg oder Rückschritt erscheint. Das ist ebensowenig zu ver¬
antworten wie die Vortäuschung von Erfolgen, die nicht vorhanden sind. Sind
aber Erfolge vorhanden, so ist es lächerlich, die Art zu bemängeln, wie sie errungen
worden sind, oder sie dem glücklichen Zufall zuzuschreiben. In der Staatskunst
ist das wirklich Erreichte das allein Entscheidende, und Glück gibt es nur für den,
der mit kräftiger Intuition die vielen wirkenden Kräfte, auch die verborgnen, zu
überschauen und zu schätzen vermag. Und wenn nun eine Zeit, die nicht von großen,
die Nation fortreißenden Problemen erfüllt wird, sondern die Früchte einer großen
Blütezeit zur Reife bringe» soll, von einem lähmenden, verwirrenden Pessimismus
heimgesucht wird, dann fällt einem Staatsmann, der es verstanden hat, trotzdem
Erfolge zu erringen, ein um so größeres Verdienst zu.

Von diesem Standpunkt aus, so meinen wir, sollte man die innere Politik des
Fürsten Bülow beurteilen. Als er Reichskanzler wurde, fand er eine schwierige
Doppelaufgabe im Reiche und in Preußen vor. Im Reiche war die Revision des
Zolltarifs durchzuführen, wobei ein Konflikt mit der freihändlerischen Linken drohte;
in Preußen war die Regierung stark engagiert für die Kanalvorlage, die einen
zähen Widerstand bei den Parteien der Rechten gefunden hatte. Beide Aufgaben
hatten nichts miteinander zu tun, und doch war das Schicksal beider durch die
Politische Lage in einen verhängnisvollen Zusammenhang gebracht worden. Der
neue Reichskanzler verstand es. diesen Zusammenhang zu lösen, den Zolltarif durch¬
zubringen und dann erst die Kanalvorlage zur Entscheidung zu bringen. In dieser
Frage erreichte er nicht alles, was die Freunde der Vorlage gehofft hatten, aber
viel mehr als die größten Optimisten erwartet hatten.

An dieser Kanalvorlage war Fürst Hohenlohe gescheitert. Und Graf Caprivi
hatte ebenfalls eine solche Klippe auf seinem Wege gefunden. Durch die Nach¬
wirkungen der Ereignisse, die mit dem Schicksal des Zedlitzschen Schulgesetzes zu¬
sammenhingen, war er zu Fall gebracht worden. Die Schulgesetzfrage in Preußen
erwies sich überhaupt als eines der Probleme, die ohne eine völlige Umgestaltung
der Parteiverhältnisse so gut wie unlösbar schienen. Fürst Bülow hat es gleich¬
wohl verstanden, die Konservativen zum Verzicht auf ihre durch den Wortlaut der
Verfassung gestützte Forderung zu bewegen, wonach auch die dringendsten Reformen
in der Verwaltung des Volksunterrichts nur im Rahmen eines allgemeinen, um¬
fassenden Schulgesetzes ausgeführt werden sollten. Es gelang ihm, diese dringenden
Reformbedürfnisse herauszugreifen und zur Lösung dieser Aufgabe das Volksschul-


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[0209] Maßgebliches und Unmaßgebliches hatten Behagen selbst vorlügt, wie wirs so herrlich weit gebracht. Als das junge Deutsche Reich in den ersten zwei Jahrzehnten nach seiner Gründung noch das Glück hatte, von dem größten Staatsmann des Jahrhunderts geführt zu werde», haben wir uns daran gewöhnt, die Überlegenheit dieser Führung fast ohne Kritik anzu¬ erkennen. Wenn wir uns seit dem Scheiden Bismarcks von der politischen Bühne ein Übermaß von Kritik angewöhnt haben, so ist das zwar der natürliche Rückschlag, der auf die vergangne Zeit folgen mußte, aber es ist zugleich eine Gefahr, weil wir damit der falschen Annahme Vorschub leisten, als sei es die Aufgabe jedes leitenden deutschen Staatsmannes nach Bismarck, dem Volke jede politische Ver¬ antwortung abzunehmen. Das deutsche Volk muß sich aber in das Errungne hinein¬ leben, es innerlich verarbeiten und aus sich heraus neue Ziele finden. Das gibt eine Zeit äußerlich langsamern, stillern Fortschreitens, aber innerlichen Wachstums an politischer Reife, und in einer solchen Zeit kann es kaum einen schlimmern Feind geben als die aus der Erinnerung an eine größere Vergangenheit stammende Ver¬ drossenheit, den überkritischen Pessimismus, der das Auge für die Gegenwart blendet und den Arm für die Zukunft lähmt. Es ist die erste politische Pflicht, möglichst klar zu sehen, was wirklich ist, und dieser Pflicht widerstreitet es, an allem, was in ehrlicher Arbeit geleistet worden ist, so lange zu nörgeln und herumzudeuten, bis es als Mißerfolg oder Rückschritt erscheint. Das ist ebensowenig zu ver¬ antworten wie die Vortäuschung von Erfolgen, die nicht vorhanden sind. Sind aber Erfolge vorhanden, so ist es lächerlich, die Art zu bemängeln, wie sie errungen worden sind, oder sie dem glücklichen Zufall zuzuschreiben. In der Staatskunst ist das wirklich Erreichte das allein Entscheidende, und Glück gibt es nur für den, der mit kräftiger Intuition die vielen wirkenden Kräfte, auch die verborgnen, zu überschauen und zu schätzen vermag. Und wenn nun eine Zeit, die nicht von großen, die Nation fortreißenden Problemen erfüllt wird, sondern die Früchte einer großen Blütezeit zur Reife bringe» soll, von einem lähmenden, verwirrenden Pessimismus heimgesucht wird, dann fällt einem Staatsmann, der es verstanden hat, trotzdem Erfolge zu erringen, ein um so größeres Verdienst zu. Von diesem Standpunkt aus, so meinen wir, sollte man die innere Politik des Fürsten Bülow beurteilen. Als er Reichskanzler wurde, fand er eine schwierige Doppelaufgabe im Reiche und in Preußen vor. Im Reiche war die Revision des Zolltarifs durchzuführen, wobei ein Konflikt mit der freihändlerischen Linken drohte; in Preußen war die Regierung stark engagiert für die Kanalvorlage, die einen zähen Widerstand bei den Parteien der Rechten gefunden hatte. Beide Aufgaben hatten nichts miteinander zu tun, und doch war das Schicksal beider durch die Politische Lage in einen verhängnisvollen Zusammenhang gebracht worden. Der neue Reichskanzler verstand es. diesen Zusammenhang zu lösen, den Zolltarif durch¬ zubringen und dann erst die Kanalvorlage zur Entscheidung zu bringen. In dieser Frage erreichte er nicht alles, was die Freunde der Vorlage gehofft hatten, aber viel mehr als die größten Optimisten erwartet hatten. An dieser Kanalvorlage war Fürst Hohenlohe gescheitert. Und Graf Caprivi hatte ebenfalls eine solche Klippe auf seinem Wege gefunden. Durch die Nach¬ wirkungen der Ereignisse, die mit dem Schicksal des Zedlitzschen Schulgesetzes zu¬ sammenhingen, war er zu Fall gebracht worden. Die Schulgesetzfrage in Preußen erwies sich überhaupt als eines der Probleme, die ohne eine völlige Umgestaltung der Parteiverhältnisse so gut wie unlösbar schienen. Fürst Bülow hat es gleich¬ wohl verstanden, die Konservativen zum Verzicht auf ihre durch den Wortlaut der Verfassung gestützte Forderung zu bewegen, wonach auch die dringendsten Reformen in der Verwaltung des Volksunterrichts nur im Rahmen eines allgemeinen, um¬ fassenden Schulgesetzes ausgeführt werden sollten. Es gelang ihm, diese dringenden Reformbedürfnisse herauszugreifen und zur Lösung dieser Aufgabe das Volksschul-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/209>, abgerufen am 04.07.2024.