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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Die Stadterweitermig

nicht durch die Terrainunternehmung und nicht von fertigen Baustellen, sondern
gerade gegen die Leute, die Baustellen schaffen wollten, durch die Urbesitzer und
durch die Personen, die mit Hinderungs- und Vexterparzellen operierten. Auch
diese Personen gehörten meistens der Klasse der Urbesitzer an.

Der enthusiastische Reformer Mangoldt kommt also in Beziehung auf
diesen Streit zu demselben Ergebnis wie Dr. Andreas Voigt. über dessen mit
dem Architekten Geldner herausgegebnes Buch "Kleinhans und Mietkaserne"
im dritten Bande des Jahrgangs 1906 Seite 432 berichtet worden ist. Und
dieses ist nun die Tatsache, um deren Konstatierung es mir zu tun war: die
Terrainunternehmer, die man ja insofern zu den Spekulanten rechnen muß,
als sie eines erst in der Zukunft zu erwartenden Gewinnes wegen kaufen, sind
keine vcmbscheuungswürdigm Bodenwucherer, sondern sie haben eine schlechthin
notwendige und sehr schwierige Funktion übernommen. Es läßt sich schwer
ausdenken, wie die Dinge verlaufen sein würden, wenn sich keine Leute ge¬
funden hätten, die Courage genug hatten, sich in das riskante Geschäft einzu¬
lassen Entweder Hütten die Kommunen schon vor vierzig Jahren tun müssen,
was Mangoldt fordert, und wovor sie sich heute noch mit Händen und Füßen
sträuben: sie hätten die Stadterweiterung, also den Bodenkauf, die Straßenanlage
und den Verkauf der Baustellen, selbst in die Hand nehmen, oder sie hätten die
anziehenden Leute wohnen lassen müssen, wie und wo sie konnten: in beliebigen
Hütten. Baracken und Wohnwagen, und hätten kein Recht, wahrscheinlich auch
gar nicht die Möglichkeit gehabt, für Neubauten eine Bauordnung vorzu¬
schreiben Man kann das anerkennen, ohne die bekannten Forderungen
Damaschkes grundsätzlich zu verwerfen. Mag die Wertzuwachssteuer und die
Besteuerung der Baugrundstücke nach dem Verkehrswert die Bodenbesitzer
schädigen oder von diesen abgewälzt werden - der Steuerfiskus kümmert sich
ja auch sonst nicht um die Wirkung der Steuer auf die Besteuerten; er fragt
zum Beispiel bei der Besteuerung des Arbeitverdienstes nicht danach, ob dem
Besteuerten nach Zahlung der Steuer noch etwas übrig bleibt, das er für
etwaige Zeiten der Arbeitlosigkeit und fürs Alter sparen könnte. Wie die
beiden Steuern zu guter Letzt auf die Stadterweiterung und auf die Boden-
Preise wirken werden, das muß die Zukunft lehren. Was den Bauschwindel
betrifft, so schädigt dieser nur die Bauhandwerker und hat auf die Gestaltung
der Bodenpreise keinen Einfluß. Eine so seltne und fürs große Ganze be¬
deutungslose Erscheinung, wie Andreas Voigt es darstellt, scheint er jedoch
nicht zu sein Die in Halle erscheinende "Rundschau über die wichtigsten
Gesetzesvorlagen" hat im Februar (die Nummer gibt die Zeitung, der ich das
entnehme, nicht an) eine ausführliche Beschreibung des Verfahrens der "Würger"
gebracht -- so werden in Fachkreisen die Bodenspekulanten genannt, die sich
auf den Bauschwindel verlegen -. und diese Würger sowie ihre Kukis, die
Strohmänner, und die Zutreiber werden als eine ziemlich zahlreiche Klasse
dargestellt. Diese Darstellung soll "aus sachverständigen juristischen Federn


Die Stadterweitermig

nicht durch die Terrainunternehmung und nicht von fertigen Baustellen, sondern
gerade gegen die Leute, die Baustellen schaffen wollten, durch die Urbesitzer und
durch die Personen, die mit Hinderungs- und Vexterparzellen operierten. Auch
diese Personen gehörten meistens der Klasse der Urbesitzer an.

Der enthusiastische Reformer Mangoldt kommt also in Beziehung auf
diesen Streit zu demselben Ergebnis wie Dr. Andreas Voigt. über dessen mit
dem Architekten Geldner herausgegebnes Buch „Kleinhans und Mietkaserne"
im dritten Bande des Jahrgangs 1906 Seite 432 berichtet worden ist. Und
dieses ist nun die Tatsache, um deren Konstatierung es mir zu tun war: die
Terrainunternehmer, die man ja insofern zu den Spekulanten rechnen muß,
als sie eines erst in der Zukunft zu erwartenden Gewinnes wegen kaufen, sind
keine vcmbscheuungswürdigm Bodenwucherer, sondern sie haben eine schlechthin
notwendige und sehr schwierige Funktion übernommen. Es läßt sich schwer
ausdenken, wie die Dinge verlaufen sein würden, wenn sich keine Leute ge¬
funden hätten, die Courage genug hatten, sich in das riskante Geschäft einzu¬
lassen Entweder Hütten die Kommunen schon vor vierzig Jahren tun müssen,
was Mangoldt fordert, und wovor sie sich heute noch mit Händen und Füßen
sträuben: sie hätten die Stadterweiterung, also den Bodenkauf, die Straßenanlage
und den Verkauf der Baustellen, selbst in die Hand nehmen, oder sie hätten die
anziehenden Leute wohnen lassen müssen, wie und wo sie konnten: in beliebigen
Hütten. Baracken und Wohnwagen, und hätten kein Recht, wahrscheinlich auch
gar nicht die Möglichkeit gehabt, für Neubauten eine Bauordnung vorzu¬
schreiben Man kann das anerkennen, ohne die bekannten Forderungen
Damaschkes grundsätzlich zu verwerfen. Mag die Wertzuwachssteuer und die
Besteuerung der Baugrundstücke nach dem Verkehrswert die Bodenbesitzer
schädigen oder von diesen abgewälzt werden - der Steuerfiskus kümmert sich
ja auch sonst nicht um die Wirkung der Steuer auf die Besteuerten; er fragt
zum Beispiel bei der Besteuerung des Arbeitverdienstes nicht danach, ob dem
Besteuerten nach Zahlung der Steuer noch etwas übrig bleibt, das er für
etwaige Zeiten der Arbeitlosigkeit und fürs Alter sparen könnte. Wie die
beiden Steuern zu guter Letzt auf die Stadterweiterung und auf die Boden-
Preise wirken werden, das muß die Zukunft lehren. Was den Bauschwindel
betrifft, so schädigt dieser nur die Bauhandwerker und hat auf die Gestaltung
der Bodenpreise keinen Einfluß. Eine so seltne und fürs große Ganze be¬
deutungslose Erscheinung, wie Andreas Voigt es darstellt, scheint er jedoch
nicht zu sein Die in Halle erscheinende „Rundschau über die wichtigsten
Gesetzesvorlagen" hat im Februar (die Nummer gibt die Zeitung, der ich das
entnehme, nicht an) eine ausführliche Beschreibung des Verfahrens der „Würger"
gebracht — so werden in Fachkreisen die Bodenspekulanten genannt, die sich
auf den Bauschwindel verlegen -. und diese Würger sowie ihre Kukis, die
Strohmänner, und die Zutreiber werden als eine ziemlich zahlreiche Klasse
dargestellt. Diese Darstellung soll „aus sachverständigen juristischen Federn


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[0195] Die Stadterweitermig nicht durch die Terrainunternehmung und nicht von fertigen Baustellen, sondern gerade gegen die Leute, die Baustellen schaffen wollten, durch die Urbesitzer und durch die Personen, die mit Hinderungs- und Vexterparzellen operierten. Auch diese Personen gehörten meistens der Klasse der Urbesitzer an. Der enthusiastische Reformer Mangoldt kommt also in Beziehung auf diesen Streit zu demselben Ergebnis wie Dr. Andreas Voigt. über dessen mit dem Architekten Geldner herausgegebnes Buch „Kleinhans und Mietkaserne" im dritten Bande des Jahrgangs 1906 Seite 432 berichtet worden ist. Und dieses ist nun die Tatsache, um deren Konstatierung es mir zu tun war: die Terrainunternehmer, die man ja insofern zu den Spekulanten rechnen muß, als sie eines erst in der Zukunft zu erwartenden Gewinnes wegen kaufen, sind keine vcmbscheuungswürdigm Bodenwucherer, sondern sie haben eine schlechthin notwendige und sehr schwierige Funktion übernommen. Es läßt sich schwer ausdenken, wie die Dinge verlaufen sein würden, wenn sich keine Leute ge¬ funden hätten, die Courage genug hatten, sich in das riskante Geschäft einzu¬ lassen Entweder Hütten die Kommunen schon vor vierzig Jahren tun müssen, was Mangoldt fordert, und wovor sie sich heute noch mit Händen und Füßen sträuben: sie hätten die Stadterweiterung, also den Bodenkauf, die Straßenanlage und den Verkauf der Baustellen, selbst in die Hand nehmen, oder sie hätten die anziehenden Leute wohnen lassen müssen, wie und wo sie konnten: in beliebigen Hütten. Baracken und Wohnwagen, und hätten kein Recht, wahrscheinlich auch gar nicht die Möglichkeit gehabt, für Neubauten eine Bauordnung vorzu¬ schreiben Man kann das anerkennen, ohne die bekannten Forderungen Damaschkes grundsätzlich zu verwerfen. Mag die Wertzuwachssteuer und die Besteuerung der Baugrundstücke nach dem Verkehrswert die Bodenbesitzer schädigen oder von diesen abgewälzt werden - der Steuerfiskus kümmert sich ja auch sonst nicht um die Wirkung der Steuer auf die Besteuerten; er fragt zum Beispiel bei der Besteuerung des Arbeitverdienstes nicht danach, ob dem Besteuerten nach Zahlung der Steuer noch etwas übrig bleibt, das er für etwaige Zeiten der Arbeitlosigkeit und fürs Alter sparen könnte. Wie die beiden Steuern zu guter Letzt auf die Stadterweiterung und auf die Boden- Preise wirken werden, das muß die Zukunft lehren. Was den Bauschwindel betrifft, so schädigt dieser nur die Bauhandwerker und hat auf die Gestaltung der Bodenpreise keinen Einfluß. Eine so seltne und fürs große Ganze be¬ deutungslose Erscheinung, wie Andreas Voigt es darstellt, scheint er jedoch nicht zu sein Die in Halle erscheinende „Rundschau über die wichtigsten Gesetzesvorlagen" hat im Februar (die Nummer gibt die Zeitung, der ich das entnehme, nicht an) eine ausführliche Beschreibung des Verfahrens der „Würger" gebracht — so werden in Fachkreisen die Bodenspekulanten genannt, die sich auf den Bauschwindel verlegen -. und diese Würger sowie ihre Kukis, die Strohmänner, und die Zutreiber werden als eine ziemlich zahlreiche Klasse dargestellt. Diese Darstellung soll „aus sachverständigen juristischen Federn

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/195>, abgerufen am 24.07.2024.