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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Die Stadterweiterung

Die Terrainunternehmer sind dafür nicht verantwortlich zu machen. Ihr
Geschäft ist äußerst riskanter Natur. Sie haben, meist mit großem Kapitalien¬
aufwand, die Schwierigkeiten der Terrainerwerbung zu überwinden, sie haben
dann die sehr verwickelten Unterhandlungen mit den Behörden zu führen,
den Bebauungsplan auszuarbeiten oder von Sachverständigen ausarbeiten zu
lassen, die Kosten der Straßenanlage zu tragen und müssen schließlich, wenn
sich im Laufe der Jahre, die mit alledem vergehn, die Konjunktur verschlechtert
hat, lange Zeit auf Abnehmer ihrer Baustellen warten, also einen bedeutenden
Zinsenverlust erleiden. Den durchschnittlichen Gewinn der einzelnen Terrain¬
unternehmer und der Gesellschaften, die nicht mit Verlust gearbeitet haben,
schätzt Mangoldt auf 5 Prozent. Wahrhaftig kein glänzendes Geschäft bei der
Masse von geistigen Fähigkeiten, die dazu gehört! Und einzelne Terrain¬
gesellschaften haben mit Verlust gearbeitet. So die im Jahre 1872 gegründete
Zentralbank für Landerwerb und Bauten, deren Aktionäre nie einen Pfennig
Dividende bekommen und ihr ganzes Aktienkapital verloren haben; nur die
Gründer, die sich beizeiten retteten, haben gewonnen. Nicht viel besser ist es
den Aktionären des "Bauvereins Großer Garten" ergangen. Die 1871 ge¬
gründete Dresdner Baugesellschaft ist durch ihre sehr vorsichtige Leitung vor
Verlusten bewahrt geblieben. Daß die Terrainunternehmung ihrer Natur nach
Großunternehmung ist, braucht wohl nicht ausführlich bewiesen zu werden.
Erfordert sie doch nicht allein bedeutende Kapitalien, sondern auch einen hohen
Grad von Intelligenz und Geschüftsgewandtheit sowie Beziehungen zu hohen
Behörden. Die Spekulation, die nichts als Spekulation ohne das Verdienst
Positiver Leistungen ist, ergreift nur die schon vorhandnen Baustellen, also das
von den Terrainunternehmern schon ausgeschlossene Land. Diese Spekulation
artet nun allerdings in Zeiten hoher Konjunktur in den Tanz ums goldne
Kalb aus, doch geht es, wie überhaupt bei diesem Tanze, auch hier nicht an,
einen besondern Spekulantenstand als Sündenbock auszusondern und dem Haß
und Abscheu des höchst sittlichen und ehrlichen Publikums preiszugeben, denn
es beteiligen sich daran die allerehrbarsten Philister: Handwerker, Rentner,
kurz Personen aller Stände. In Dresden haben kleine Weinstuben als
Grundstückbörsen gedient, sind Baustellen manchmal in einer Stunde sechsmal
umgesetzt worden, sodaß der Preis auf das Doppelte gesteigert wurde. Solche
spekulative Steigerungen haben jedoch auf den endgiltigen Preis keinen Ein¬
fluß- Dieser wird durch den Mietertrag der auf dem Grundstück errichteten
Häuser und dieser wiederum durch die Konkurrenz der Mieter bestimmt, wie
Mangoldt selbst an andern Stellen zugesteht. So schreibt er Seite 278: "Es
bedarf zur Erklärung der hohen Bodenpreise nicht der Annahme irgendwelcher
mehr oder minder wunderbarer Wirkungen der Spekulation, sondern diese er¬
schreckend hohen Preise sind ein natürliches Ergebnis unsers Stadterweiterungs¬
systems, das die Selbstkosten der Terrainunternehmer ins Maßlose steigert."
Der eigentliche Grund aber ist, wie gesagt, das Wohnbedürfnis der wachsenden


Die Stadterweiterung

Die Terrainunternehmer sind dafür nicht verantwortlich zu machen. Ihr
Geschäft ist äußerst riskanter Natur. Sie haben, meist mit großem Kapitalien¬
aufwand, die Schwierigkeiten der Terrainerwerbung zu überwinden, sie haben
dann die sehr verwickelten Unterhandlungen mit den Behörden zu führen,
den Bebauungsplan auszuarbeiten oder von Sachverständigen ausarbeiten zu
lassen, die Kosten der Straßenanlage zu tragen und müssen schließlich, wenn
sich im Laufe der Jahre, die mit alledem vergehn, die Konjunktur verschlechtert
hat, lange Zeit auf Abnehmer ihrer Baustellen warten, also einen bedeutenden
Zinsenverlust erleiden. Den durchschnittlichen Gewinn der einzelnen Terrain¬
unternehmer und der Gesellschaften, die nicht mit Verlust gearbeitet haben,
schätzt Mangoldt auf 5 Prozent. Wahrhaftig kein glänzendes Geschäft bei der
Masse von geistigen Fähigkeiten, die dazu gehört! Und einzelne Terrain¬
gesellschaften haben mit Verlust gearbeitet. So die im Jahre 1872 gegründete
Zentralbank für Landerwerb und Bauten, deren Aktionäre nie einen Pfennig
Dividende bekommen und ihr ganzes Aktienkapital verloren haben; nur die
Gründer, die sich beizeiten retteten, haben gewonnen. Nicht viel besser ist es
den Aktionären des „Bauvereins Großer Garten" ergangen. Die 1871 ge¬
gründete Dresdner Baugesellschaft ist durch ihre sehr vorsichtige Leitung vor
Verlusten bewahrt geblieben. Daß die Terrainunternehmung ihrer Natur nach
Großunternehmung ist, braucht wohl nicht ausführlich bewiesen zu werden.
Erfordert sie doch nicht allein bedeutende Kapitalien, sondern auch einen hohen
Grad von Intelligenz und Geschüftsgewandtheit sowie Beziehungen zu hohen
Behörden. Die Spekulation, die nichts als Spekulation ohne das Verdienst
Positiver Leistungen ist, ergreift nur die schon vorhandnen Baustellen, also das
von den Terrainunternehmern schon ausgeschlossene Land. Diese Spekulation
artet nun allerdings in Zeiten hoher Konjunktur in den Tanz ums goldne
Kalb aus, doch geht es, wie überhaupt bei diesem Tanze, auch hier nicht an,
einen besondern Spekulantenstand als Sündenbock auszusondern und dem Haß
und Abscheu des höchst sittlichen und ehrlichen Publikums preiszugeben, denn
es beteiligen sich daran die allerehrbarsten Philister: Handwerker, Rentner,
kurz Personen aller Stände. In Dresden haben kleine Weinstuben als
Grundstückbörsen gedient, sind Baustellen manchmal in einer Stunde sechsmal
umgesetzt worden, sodaß der Preis auf das Doppelte gesteigert wurde. Solche
spekulative Steigerungen haben jedoch auf den endgiltigen Preis keinen Ein¬
fluß- Dieser wird durch den Mietertrag der auf dem Grundstück errichteten
Häuser und dieser wiederum durch die Konkurrenz der Mieter bestimmt, wie
Mangoldt selbst an andern Stellen zugesteht. So schreibt er Seite 278: „Es
bedarf zur Erklärung der hohen Bodenpreise nicht der Annahme irgendwelcher
mehr oder minder wunderbarer Wirkungen der Spekulation, sondern diese er¬
schreckend hohen Preise sind ein natürliches Ergebnis unsers Stadterweiterungs¬
systems, das die Selbstkosten der Terrainunternehmer ins Maßlose steigert."
Der eigentliche Grund aber ist, wie gesagt, das Wohnbedürfnis der wachsenden


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[0193] Die Stadterweiterung Die Terrainunternehmer sind dafür nicht verantwortlich zu machen. Ihr Geschäft ist äußerst riskanter Natur. Sie haben, meist mit großem Kapitalien¬ aufwand, die Schwierigkeiten der Terrainerwerbung zu überwinden, sie haben dann die sehr verwickelten Unterhandlungen mit den Behörden zu führen, den Bebauungsplan auszuarbeiten oder von Sachverständigen ausarbeiten zu lassen, die Kosten der Straßenanlage zu tragen und müssen schließlich, wenn sich im Laufe der Jahre, die mit alledem vergehn, die Konjunktur verschlechtert hat, lange Zeit auf Abnehmer ihrer Baustellen warten, also einen bedeutenden Zinsenverlust erleiden. Den durchschnittlichen Gewinn der einzelnen Terrain¬ unternehmer und der Gesellschaften, die nicht mit Verlust gearbeitet haben, schätzt Mangoldt auf 5 Prozent. Wahrhaftig kein glänzendes Geschäft bei der Masse von geistigen Fähigkeiten, die dazu gehört! Und einzelne Terrain¬ gesellschaften haben mit Verlust gearbeitet. So die im Jahre 1872 gegründete Zentralbank für Landerwerb und Bauten, deren Aktionäre nie einen Pfennig Dividende bekommen und ihr ganzes Aktienkapital verloren haben; nur die Gründer, die sich beizeiten retteten, haben gewonnen. Nicht viel besser ist es den Aktionären des „Bauvereins Großer Garten" ergangen. Die 1871 ge¬ gründete Dresdner Baugesellschaft ist durch ihre sehr vorsichtige Leitung vor Verlusten bewahrt geblieben. Daß die Terrainunternehmung ihrer Natur nach Großunternehmung ist, braucht wohl nicht ausführlich bewiesen zu werden. Erfordert sie doch nicht allein bedeutende Kapitalien, sondern auch einen hohen Grad von Intelligenz und Geschüftsgewandtheit sowie Beziehungen zu hohen Behörden. Die Spekulation, die nichts als Spekulation ohne das Verdienst Positiver Leistungen ist, ergreift nur die schon vorhandnen Baustellen, also das von den Terrainunternehmern schon ausgeschlossene Land. Diese Spekulation artet nun allerdings in Zeiten hoher Konjunktur in den Tanz ums goldne Kalb aus, doch geht es, wie überhaupt bei diesem Tanze, auch hier nicht an, einen besondern Spekulantenstand als Sündenbock auszusondern und dem Haß und Abscheu des höchst sittlichen und ehrlichen Publikums preiszugeben, denn es beteiligen sich daran die allerehrbarsten Philister: Handwerker, Rentner, kurz Personen aller Stände. In Dresden haben kleine Weinstuben als Grundstückbörsen gedient, sind Baustellen manchmal in einer Stunde sechsmal umgesetzt worden, sodaß der Preis auf das Doppelte gesteigert wurde. Solche spekulative Steigerungen haben jedoch auf den endgiltigen Preis keinen Ein¬ fluß- Dieser wird durch den Mietertrag der auf dem Grundstück errichteten Häuser und dieser wiederum durch die Konkurrenz der Mieter bestimmt, wie Mangoldt selbst an andern Stellen zugesteht. So schreibt er Seite 278: „Es bedarf zur Erklärung der hohen Bodenpreise nicht der Annahme irgendwelcher mehr oder minder wunderbarer Wirkungen der Spekulation, sondern diese er¬ schreckend hohen Preise sind ein natürliches Ergebnis unsers Stadterweiterungs¬ systems, das die Selbstkosten der Terrainunternehmer ins Maßlose steigert." Der eigentliche Grund aber ist, wie gesagt, das Wohnbedürfnis der wachsenden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/193>, abgerufen am 24.07.2024.