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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Die modernen chinesischen Truppen in Petschili

Kohl und Reis wurde den Mannschaften geliefert. In den Marschquartieren
erließ man strenge Ortsbefehle, um erstens die Soldaten in Zucht zu halten,
zweitens die Einwohner zu beruhigen. Dieses war bezeichnend, aber not¬
wendig, wenn man sich an die Opferreisen des kaiserlichen Hofes erinnert, bei
denen die Begleitmannschaften (die darauf angewiesen waren, sich selbst zu
beköstigen) requirierend mit den Hofkarawanen durchs Land zogen. (Bei den
sehr langen Tagesmärschen des Hofzuges wurden einige übermüdete Soldaten,
die nicht imstande waren, weiter zu marschieren und am Wege liegen blieben,
als Deserteure an Ort und Stelle geköpft.)

Die Marschleistungen beim Hin- und Rückmarsch zum und vom Manöver
betrugen für die Infanterie für den Tag etwa 20 bis 25 Kilometer, für die
Artillerie etwa 35 Kilometer, für die Kavallerie etwa 45 Kilometer.

Aber nicht nur durch moderne, aller Welt bekannte Manöver bemüht
man sich, dem Geist der Militürzeit gerecht zu werden, sondern auch hinter
den Kulissen arbeitet die frisch geölte Maschine. Es wird in den Lagern der
Soldaten Schreib- und Leseunterricht erteilt, man gibt eine Soldatenzeitung
heraus, die gelesen und vorgelesen wird, und beginnt mit dem Dienstunterricht.

Dank dem Konfuzianismus, der im Volke so tief eingewurzelt ist, sollte
es zur Möglichkeit werden, daß der chinesische Soldat seinem Offizier mit
Achtung und Gehorsam begegnet, predigt der alte Weise aus Schankung doch
Gehorsam und Achtung des Jüngern gegen den Ältern und des Untergebnen
gegen den Vorgesetzten, aber auch Wohlwollen von oben nach unten! Folgender
Fall gibt ein Beispiel von der Einwirkung der uralten Moral: Juan-fehl-kai
selbst beantragte im Sommer 1904 auf Grund eines von ihm aufgestellten
Berichts über einen verstorbnen berühmten General die Beförderung desselben,
da eine im aktiven Dienst entstandne Krankheit die Todesursache gewesen war.
Die Beförderung wurde vom Kaiser genehmigt, zu welchem Rang der Ver¬
storbne befördert wurde, ist leider nicht näher bekannt geworden, sondern
nur die Tatsache, daß eine Beförderung stattfand. (Erinnert das nicht daran,
daß vor kurzem unser verstorbner General Meckel, der Reorganisator des
japanischen Heeres, in Japan selbst heilig gesprochen wurde zum Dank für seine
eminenten Leistungen?)

Diese Bemühung Juan-fehl-kais ist ein schönes edles Festhalten an den alten
Gebräuchen der Ahnenverehrung, die die Vergangnen unsterblich macht, es ist aber
auch ein Beweis des zähen Festhaltens in moderner Zeit an den alten Sitten.

Zum Schluß noch ein chinesisches Sprichwort, das die Hindernisse, die
den militärischen Reformen im Wege stehn, genügend charakterisiert: "Ein guter
Mensch wird nicht Soldat, und aus gutem Eisen macht man keine Nägel."




Die modernen chinesischen Truppen in Petschili

Kohl und Reis wurde den Mannschaften geliefert. In den Marschquartieren
erließ man strenge Ortsbefehle, um erstens die Soldaten in Zucht zu halten,
zweitens die Einwohner zu beruhigen. Dieses war bezeichnend, aber not¬
wendig, wenn man sich an die Opferreisen des kaiserlichen Hofes erinnert, bei
denen die Begleitmannschaften (die darauf angewiesen waren, sich selbst zu
beköstigen) requirierend mit den Hofkarawanen durchs Land zogen. (Bei den
sehr langen Tagesmärschen des Hofzuges wurden einige übermüdete Soldaten,
die nicht imstande waren, weiter zu marschieren und am Wege liegen blieben,
als Deserteure an Ort und Stelle geköpft.)

Die Marschleistungen beim Hin- und Rückmarsch zum und vom Manöver
betrugen für die Infanterie für den Tag etwa 20 bis 25 Kilometer, für die
Artillerie etwa 35 Kilometer, für die Kavallerie etwa 45 Kilometer.

Aber nicht nur durch moderne, aller Welt bekannte Manöver bemüht
man sich, dem Geist der Militürzeit gerecht zu werden, sondern auch hinter
den Kulissen arbeitet die frisch geölte Maschine. Es wird in den Lagern der
Soldaten Schreib- und Leseunterricht erteilt, man gibt eine Soldatenzeitung
heraus, die gelesen und vorgelesen wird, und beginnt mit dem Dienstunterricht.

Dank dem Konfuzianismus, der im Volke so tief eingewurzelt ist, sollte
es zur Möglichkeit werden, daß der chinesische Soldat seinem Offizier mit
Achtung und Gehorsam begegnet, predigt der alte Weise aus Schankung doch
Gehorsam und Achtung des Jüngern gegen den Ältern und des Untergebnen
gegen den Vorgesetzten, aber auch Wohlwollen von oben nach unten! Folgender
Fall gibt ein Beispiel von der Einwirkung der uralten Moral: Juan-fehl-kai
selbst beantragte im Sommer 1904 auf Grund eines von ihm aufgestellten
Berichts über einen verstorbnen berühmten General die Beförderung desselben,
da eine im aktiven Dienst entstandne Krankheit die Todesursache gewesen war.
Die Beförderung wurde vom Kaiser genehmigt, zu welchem Rang der Ver¬
storbne befördert wurde, ist leider nicht näher bekannt geworden, sondern
nur die Tatsache, daß eine Beförderung stattfand. (Erinnert das nicht daran,
daß vor kurzem unser verstorbner General Meckel, der Reorganisator des
japanischen Heeres, in Japan selbst heilig gesprochen wurde zum Dank für seine
eminenten Leistungen?)

Diese Bemühung Juan-fehl-kais ist ein schönes edles Festhalten an den alten
Gebräuchen der Ahnenverehrung, die die Vergangnen unsterblich macht, es ist aber
auch ein Beweis des zähen Festhaltens in moderner Zeit an den alten Sitten.

Zum Schluß noch ein chinesisches Sprichwort, das die Hindernisse, die
den militärischen Reformen im Wege stehn, genügend charakterisiert: „Ein guter
Mensch wird nicht Soldat, und aus gutem Eisen macht man keine Nägel."




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[0172] Die modernen chinesischen Truppen in Petschili Kohl und Reis wurde den Mannschaften geliefert. In den Marschquartieren erließ man strenge Ortsbefehle, um erstens die Soldaten in Zucht zu halten, zweitens die Einwohner zu beruhigen. Dieses war bezeichnend, aber not¬ wendig, wenn man sich an die Opferreisen des kaiserlichen Hofes erinnert, bei denen die Begleitmannschaften (die darauf angewiesen waren, sich selbst zu beköstigen) requirierend mit den Hofkarawanen durchs Land zogen. (Bei den sehr langen Tagesmärschen des Hofzuges wurden einige übermüdete Soldaten, die nicht imstande waren, weiter zu marschieren und am Wege liegen blieben, als Deserteure an Ort und Stelle geköpft.) Die Marschleistungen beim Hin- und Rückmarsch zum und vom Manöver betrugen für die Infanterie für den Tag etwa 20 bis 25 Kilometer, für die Artillerie etwa 35 Kilometer, für die Kavallerie etwa 45 Kilometer. Aber nicht nur durch moderne, aller Welt bekannte Manöver bemüht man sich, dem Geist der Militürzeit gerecht zu werden, sondern auch hinter den Kulissen arbeitet die frisch geölte Maschine. Es wird in den Lagern der Soldaten Schreib- und Leseunterricht erteilt, man gibt eine Soldatenzeitung heraus, die gelesen und vorgelesen wird, und beginnt mit dem Dienstunterricht. Dank dem Konfuzianismus, der im Volke so tief eingewurzelt ist, sollte es zur Möglichkeit werden, daß der chinesische Soldat seinem Offizier mit Achtung und Gehorsam begegnet, predigt der alte Weise aus Schankung doch Gehorsam und Achtung des Jüngern gegen den Ältern und des Untergebnen gegen den Vorgesetzten, aber auch Wohlwollen von oben nach unten! Folgender Fall gibt ein Beispiel von der Einwirkung der uralten Moral: Juan-fehl-kai selbst beantragte im Sommer 1904 auf Grund eines von ihm aufgestellten Berichts über einen verstorbnen berühmten General die Beförderung desselben, da eine im aktiven Dienst entstandne Krankheit die Todesursache gewesen war. Die Beförderung wurde vom Kaiser genehmigt, zu welchem Rang der Ver¬ storbne befördert wurde, ist leider nicht näher bekannt geworden, sondern nur die Tatsache, daß eine Beförderung stattfand. (Erinnert das nicht daran, daß vor kurzem unser verstorbner General Meckel, der Reorganisator des japanischen Heeres, in Japan selbst heilig gesprochen wurde zum Dank für seine eminenten Leistungen?) Diese Bemühung Juan-fehl-kais ist ein schönes edles Festhalten an den alten Gebräuchen der Ahnenverehrung, die die Vergangnen unsterblich macht, es ist aber auch ein Beweis des zähen Festhaltens in moderner Zeit an den alten Sitten. Zum Schluß noch ein chinesisches Sprichwort, das die Hindernisse, die den militärischen Reformen im Wege stehn, genügend charakterisiert: „Ein guter Mensch wird nicht Soldat, und aus gutem Eisen macht man keine Nägel."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/172>, abgerufen am 24.07.2024.