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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Die modernen chinesischen Truppen in petschili

kanal (der von Nanking nach Tientsin führt) entlang in Tschiki ein. Blau
hatte sich bei Paotingfu (südwestlich Peking) gesammelt und marschierte von
dort der roten Armee entgegen. Jeder sollte den andern angreifen. Der
Wirklichkeit entsprechend eröffneten die Kavalleriepatrouillen die Schlachtoper.
Sie benahmen sich sehr unterschiedlich, teils geschickt, indem sie in dem
flachen Gelände jedes Dorf und jedes Gebüsch als Station benutzten, teils
ungeschickt, indem sie bis auf wenige hundert Meter, ohne den Feind zu
bemerken, an dessen stärkere Trupps heran"taperten". Das Fernglas trugen
die Offiziere meist nur als Verzierung und benutzten es fast nie! Später
erfolgte eine richtige Attacke, bei der der Nordkavallerie durch den Vizekönig
Juan-fehl-kai, der persönlich die Kritik hielt, der Sieg zugesprochen wurde.
Süd hatte zu früh galoppiert, die Pferde waren außer Atem.

Als Reittier diente das chinesische Pony, es trug den mit Tuch über-
zognen Holzsattel mit Schwanzriemen, am Sattel Packtaschen, Tränkeimer.
Brotbeutel und Hufeisentaschen.

Der Reiter trug Lederstiefel, Mantel und rotbraunen Segeltuchumhang,
Feldflasche, er war mit dem Karabiner 88, bei dem man aber gerade und ge¬
bogne Kammerknöpfe bemerkte, und dem Kavalleriedegen 89 ausgerüstet, die
Lanze sah man nirgends. Die Ponys hatten den üblichen, schlechten chinesischen
Putz, sie hielten ganz gut aus. Ihre Nahrung besteht ans Hirse (Kauljang).
schwarzen Bohnen, Häcksel und Stroh.

Am zweiten Tage gab es Artillerie- und Jnfanteriekampf. Die Infanterie
trug Tornister nach deutschem Modell, zwei große vordere, manchmal eine
Hintere Patronentasche. Brotbeutel. UmHang, Lederstiefel und war im übrigen
wie oben angegeben gekleidet. An Gewehren waren japanische und deutsche
Modelle vertreten, die Instandhaltung war die übliche schlechte. Bei der
Schützenlinie blieben die Offiziere dauernd hinter der Front, das Schützen¬
gefecht war unordentlich.

Die Pioniere führten Maultiere als Tragtiere für Spaten, Beilpicken
und Werkzeug mit. Pioniere und Artillerie hatten denselben Anzug wie die
Infanterie, nnr mit den ihrem Zweck entsprechenden Änderungen. Die
Artillerie war mit Gebirgs- und Feldgeschützen japanischen und Kruppschen
Modells sowie solchen aus chinesischen Waffenfabriken ausgerüstet, im ganzen
nahmen etwa 120 Geschütze an dem Manöver teil. Bei der Bespannung
(sechs Ponys für ein Geschütz) der Geschütze und bei den Munitionskolonnen
wurden deutsche Vocksättel gebraucht. Das Auf- und Abprotzen ging sehr
langsam. Etwa dreißig Chinesenkarren gehörten zu einem Trainbataillon. Daß
diese Karren für China absolut praktisch sind, wird jeder, der die chinesischen
Wege kennt, auf denen sich ein andres Vehikel kaum zum Fahren eignet, ein¬
sehen, aber die Fortbewegung ist sehr schwerfällig.

Biwakiert wurde vielfach, die Bewohner der umliegenden Dörfer stapelten
Stroh und Futter gegen Quittungen auf. Fleisch mußte gekauft werden.


Die modernen chinesischen Truppen in petschili

kanal (der von Nanking nach Tientsin führt) entlang in Tschiki ein. Blau
hatte sich bei Paotingfu (südwestlich Peking) gesammelt und marschierte von
dort der roten Armee entgegen. Jeder sollte den andern angreifen. Der
Wirklichkeit entsprechend eröffneten die Kavalleriepatrouillen die Schlachtoper.
Sie benahmen sich sehr unterschiedlich, teils geschickt, indem sie in dem
flachen Gelände jedes Dorf und jedes Gebüsch als Station benutzten, teils
ungeschickt, indem sie bis auf wenige hundert Meter, ohne den Feind zu
bemerken, an dessen stärkere Trupps heran„taperten". Das Fernglas trugen
die Offiziere meist nur als Verzierung und benutzten es fast nie! Später
erfolgte eine richtige Attacke, bei der der Nordkavallerie durch den Vizekönig
Juan-fehl-kai, der persönlich die Kritik hielt, der Sieg zugesprochen wurde.
Süd hatte zu früh galoppiert, die Pferde waren außer Atem.

Als Reittier diente das chinesische Pony, es trug den mit Tuch über-
zognen Holzsattel mit Schwanzriemen, am Sattel Packtaschen, Tränkeimer.
Brotbeutel und Hufeisentaschen.

Der Reiter trug Lederstiefel, Mantel und rotbraunen Segeltuchumhang,
Feldflasche, er war mit dem Karabiner 88, bei dem man aber gerade und ge¬
bogne Kammerknöpfe bemerkte, und dem Kavalleriedegen 89 ausgerüstet, die
Lanze sah man nirgends. Die Ponys hatten den üblichen, schlechten chinesischen
Putz, sie hielten ganz gut aus. Ihre Nahrung besteht ans Hirse (Kauljang).
schwarzen Bohnen, Häcksel und Stroh.

Am zweiten Tage gab es Artillerie- und Jnfanteriekampf. Die Infanterie
trug Tornister nach deutschem Modell, zwei große vordere, manchmal eine
Hintere Patronentasche. Brotbeutel. UmHang, Lederstiefel und war im übrigen
wie oben angegeben gekleidet. An Gewehren waren japanische und deutsche
Modelle vertreten, die Instandhaltung war die übliche schlechte. Bei der
Schützenlinie blieben die Offiziere dauernd hinter der Front, das Schützen¬
gefecht war unordentlich.

Die Pioniere führten Maultiere als Tragtiere für Spaten, Beilpicken
und Werkzeug mit. Pioniere und Artillerie hatten denselben Anzug wie die
Infanterie, nnr mit den ihrem Zweck entsprechenden Änderungen. Die
Artillerie war mit Gebirgs- und Feldgeschützen japanischen und Kruppschen
Modells sowie solchen aus chinesischen Waffenfabriken ausgerüstet, im ganzen
nahmen etwa 120 Geschütze an dem Manöver teil. Bei der Bespannung
(sechs Ponys für ein Geschütz) der Geschütze und bei den Munitionskolonnen
wurden deutsche Vocksättel gebraucht. Das Auf- und Abprotzen ging sehr
langsam. Etwa dreißig Chinesenkarren gehörten zu einem Trainbataillon. Daß
diese Karren für China absolut praktisch sind, wird jeder, der die chinesischen
Wege kennt, auf denen sich ein andres Vehikel kaum zum Fahren eignet, ein¬
sehen, aber die Fortbewegung ist sehr schwerfällig.

Biwakiert wurde vielfach, die Bewohner der umliegenden Dörfer stapelten
Stroh und Futter gegen Quittungen auf. Fleisch mußte gekauft werden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/171>, abgerufen am 24.07.2024.