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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Die modernen chinesischen Truppen in Petschili

gearbeitet wird, sondern nur noch nach japanischem. Interessant ist dabei,
daß der Berichtende den Parademarsch der Japaner als besonders zweckmäßig
hervorhebt.

Die Stärke der Truppen Inca-fehl-kais mag etwa 60000 Mann be¬
tragen. Er hat sie aus den Truppen seiner ehemaligen Provinz Schenkung
zusammengesetzt, wo er Gouverneur war, bis er im Jahre 1900 den Posten
Li-sung-tschangs in Petschili bezog, dazu kamen die von Yncm-fehl-kai selbst
Angeworbnen, ferner die Truppen, die er in Petschili vorfand, und die ehemals
unter des greisen Li-sung-tschang Befehl standen, und endlich Truppen, die
von andern Provinzen an Duar-fehl-kai abgegeben wurden.

Die größern Standorte sind vor allem die Zentrale des Heerwesens in
Tschiki. die Stadt Paotingfu südwestlich von Peking, dann Peking selbst,
Tientsin, wo der Vizekönig seinen Sitz hat, und Schanhaikuan, wo sich die
große Mauer von der Küste aufwärts zum Gebirge schwingt.

Die Armee weist sämtliche Waffengattungen auf, die Ausrüstung ist noch
recht verschieden. Wir finden an Waffen Gewehre deutscher, japanischer und
chinesischer Konstruktion, an Geschützen meist Kruppsche und japanische Gebirgs-
und Feldgeschütze verschiedenster Art.

Der Sold ist fast das einzige, über das der Kaiser (besser die Kaiserin-
Witwe oder -tante) bestimmt. Wieviel hierbei in die Taschen der Offiziere
und Beamten fließt, mag dahingestellt sein!

Was das Menschenmaterial anlangt, so hat man bei der neu zu schaffenden
Armee in erster Linie auf die Mandschus zurückgegriffen, die man kurz Banner¬
leute nennt. Diese stehn der regierenden (Mandschu-) Dynastie am nächsten
und eignen sich, da sie den Chinesen gegenüber Vorrechte genießen, bei ver¬
nünftiger Organisation, die ihnen bis heute fehlte, sicherlich am besten für ein
modernes Heer.

In, Sommer 1905 erschien in Tschiki ein Aufruf für Freiwillige, der
folgende Bedingungen festsetzte: Jeder Bannermann, der seinen Ursprung genau
als solcher nachweisen kann, wird zugelassen, falls er noch nicht aktiv gedient
hat; er muß von guter körperlicher Beschaffenheit sein, die Größe mindestens
1.60 Meter betragen. Daß sich nicht allzuviele meldeten, liegt auf der Hand,
denn es ist ungeheuer schwer, den Chinesen Liebe und Achtung für den
Soldatenstand beizubringen. So sah sich auch Unan-fehl-kai genötigt. Aus¬
hebungen einzuführen und im Verein damit Werbungen innerhalb wie außer¬
halb Petschilis zu veranstalten.

Die Ausgehobnen müssen drei Jahre bei der Fahne, ebensolange in der
Reserve und bei der Landwehr verbleiben.

Die Frage der Unterbringung ist bei der Genügsamkeit des Chinesen
leicht geregelt. Was bei uns die komfortable Kaserne ist, ist beim Chinesen
das "Lager". Ein typischer Punkt für diese Soldatenlager ist der "kaiserliche
Wildpark" der Haitze im Süden Pekings, eine flache, baumlose, endlose Gras-


Die modernen chinesischen Truppen in Petschili

gearbeitet wird, sondern nur noch nach japanischem. Interessant ist dabei,
daß der Berichtende den Parademarsch der Japaner als besonders zweckmäßig
hervorhebt.

Die Stärke der Truppen Inca-fehl-kais mag etwa 60000 Mann be¬
tragen. Er hat sie aus den Truppen seiner ehemaligen Provinz Schenkung
zusammengesetzt, wo er Gouverneur war, bis er im Jahre 1900 den Posten
Li-sung-tschangs in Petschili bezog, dazu kamen die von Yncm-fehl-kai selbst
Angeworbnen, ferner die Truppen, die er in Petschili vorfand, und die ehemals
unter des greisen Li-sung-tschang Befehl standen, und endlich Truppen, die
von andern Provinzen an Duar-fehl-kai abgegeben wurden.

Die größern Standorte sind vor allem die Zentrale des Heerwesens in
Tschiki. die Stadt Paotingfu südwestlich von Peking, dann Peking selbst,
Tientsin, wo der Vizekönig seinen Sitz hat, und Schanhaikuan, wo sich die
große Mauer von der Küste aufwärts zum Gebirge schwingt.

Die Armee weist sämtliche Waffengattungen auf, die Ausrüstung ist noch
recht verschieden. Wir finden an Waffen Gewehre deutscher, japanischer und
chinesischer Konstruktion, an Geschützen meist Kruppsche und japanische Gebirgs-
und Feldgeschütze verschiedenster Art.

Der Sold ist fast das einzige, über das der Kaiser (besser die Kaiserin-
Witwe oder -tante) bestimmt. Wieviel hierbei in die Taschen der Offiziere
und Beamten fließt, mag dahingestellt sein!

Was das Menschenmaterial anlangt, so hat man bei der neu zu schaffenden
Armee in erster Linie auf die Mandschus zurückgegriffen, die man kurz Banner¬
leute nennt. Diese stehn der regierenden (Mandschu-) Dynastie am nächsten
und eignen sich, da sie den Chinesen gegenüber Vorrechte genießen, bei ver¬
nünftiger Organisation, die ihnen bis heute fehlte, sicherlich am besten für ein
modernes Heer.

In, Sommer 1905 erschien in Tschiki ein Aufruf für Freiwillige, der
folgende Bedingungen festsetzte: Jeder Bannermann, der seinen Ursprung genau
als solcher nachweisen kann, wird zugelassen, falls er noch nicht aktiv gedient
hat; er muß von guter körperlicher Beschaffenheit sein, die Größe mindestens
1.60 Meter betragen. Daß sich nicht allzuviele meldeten, liegt auf der Hand,
denn es ist ungeheuer schwer, den Chinesen Liebe und Achtung für den
Soldatenstand beizubringen. So sah sich auch Unan-fehl-kai genötigt. Aus¬
hebungen einzuführen und im Verein damit Werbungen innerhalb wie außer¬
halb Petschilis zu veranstalten.

Die Ausgehobnen müssen drei Jahre bei der Fahne, ebensolange in der
Reserve und bei der Landwehr verbleiben.

Die Frage der Unterbringung ist bei der Genügsamkeit des Chinesen
leicht geregelt. Was bei uns die komfortable Kaserne ist, ist beim Chinesen
das „Lager". Ein typischer Punkt für diese Soldatenlager ist der „kaiserliche
Wildpark" der Haitze im Süden Pekings, eine flache, baumlose, endlose Gras-


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[0167] Die modernen chinesischen Truppen in Petschili gearbeitet wird, sondern nur noch nach japanischem. Interessant ist dabei, daß der Berichtende den Parademarsch der Japaner als besonders zweckmäßig hervorhebt. Die Stärke der Truppen Inca-fehl-kais mag etwa 60000 Mann be¬ tragen. Er hat sie aus den Truppen seiner ehemaligen Provinz Schenkung zusammengesetzt, wo er Gouverneur war, bis er im Jahre 1900 den Posten Li-sung-tschangs in Petschili bezog, dazu kamen die von Yncm-fehl-kai selbst Angeworbnen, ferner die Truppen, die er in Petschili vorfand, und die ehemals unter des greisen Li-sung-tschang Befehl standen, und endlich Truppen, die von andern Provinzen an Duar-fehl-kai abgegeben wurden. Die größern Standorte sind vor allem die Zentrale des Heerwesens in Tschiki. die Stadt Paotingfu südwestlich von Peking, dann Peking selbst, Tientsin, wo der Vizekönig seinen Sitz hat, und Schanhaikuan, wo sich die große Mauer von der Küste aufwärts zum Gebirge schwingt. Die Armee weist sämtliche Waffengattungen auf, die Ausrüstung ist noch recht verschieden. Wir finden an Waffen Gewehre deutscher, japanischer und chinesischer Konstruktion, an Geschützen meist Kruppsche und japanische Gebirgs- und Feldgeschütze verschiedenster Art. Der Sold ist fast das einzige, über das der Kaiser (besser die Kaiserin- Witwe oder -tante) bestimmt. Wieviel hierbei in die Taschen der Offiziere und Beamten fließt, mag dahingestellt sein! Was das Menschenmaterial anlangt, so hat man bei der neu zu schaffenden Armee in erster Linie auf die Mandschus zurückgegriffen, die man kurz Banner¬ leute nennt. Diese stehn der regierenden (Mandschu-) Dynastie am nächsten und eignen sich, da sie den Chinesen gegenüber Vorrechte genießen, bei ver¬ nünftiger Organisation, die ihnen bis heute fehlte, sicherlich am besten für ein modernes Heer. In, Sommer 1905 erschien in Tschiki ein Aufruf für Freiwillige, der folgende Bedingungen festsetzte: Jeder Bannermann, der seinen Ursprung genau als solcher nachweisen kann, wird zugelassen, falls er noch nicht aktiv gedient hat; er muß von guter körperlicher Beschaffenheit sein, die Größe mindestens 1.60 Meter betragen. Daß sich nicht allzuviele meldeten, liegt auf der Hand, denn es ist ungeheuer schwer, den Chinesen Liebe und Achtung für den Soldatenstand beizubringen. So sah sich auch Unan-fehl-kai genötigt. Aus¬ hebungen einzuführen und im Verein damit Werbungen innerhalb wie außer¬ halb Petschilis zu veranstalten. Die Ausgehobnen müssen drei Jahre bei der Fahne, ebensolange in der Reserve und bei der Landwehr verbleiben. Die Frage der Unterbringung ist bei der Genügsamkeit des Chinesen leicht geregelt. Was bei uns die komfortable Kaserne ist, ist beim Chinesen das „Lager". Ein typischer Punkt für diese Soldatenlager ist der „kaiserliche Wildpark" der Haitze im Süden Pekings, eine flache, baumlose, endlose Gras-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/167>, abgerufen am 24.07.2024.