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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Die preußische Artillerie im Dienste des Rüstenrettungswesens

Berichte wurde am 18. Oktober 1828, als das Elbinger Schiff Amphitrite beim
Möwcnhccken an der Frischer Nehrung gestrandet und ein Versuch der Pillauer
Lotsen, mit dem Rettungsboot Hilfe zu bringen, fehlgeschlagen war, die
Pillauer Kommandantur ersucht, schleunigst einen Mörser mit Munition und
Bedienungsmannschaft zu senden, um dem gestrandeten Schiffe durch eine
Bombe die Rettungsleine zuzuwerfen. Die Pillauer Station scheint um diese
Zeit einen halb militärischen Charakter gehabt und ihre Existenz einer Ver¬
einbarung zwischen der Königsberger Regierung und der Pillauer Komman¬
dantur verdankt zu haben. Der Rettungsbericht hat folgenden schlichten Wort¬
laut: "Nach vielen Schwierigkeiten und Gefahren wurde der Mörser an der
entgegengesetzten Seite") der Nehrung gelandet, über die Sandberge am Strande
gezogen, unter Leitung zweier Artillerie-Offiziere, der Lieutenants von Noggen-
bucke und Bartsch, dem Schiffe gegenüber aufgestellt, und mit dem 4ten Wurf
wurde die Leine glücklich an das Schiff gebracht. An die Leine wurde ein
starkes Tau gebunden, und als dieses aufs Schiff gezogen und an dem Mast
befestigt war, wagten es die Lootsen und einige Bewohner der Nehrung, sich
längs des Taues mit dem Boote mehrmals in die Nähe des Schiffes zu
ziehen. Die Schiffsmannschaft ließ sich vermittelst Schleifen, die um das Tau
geschlungen wurden, in das Boot herab. -- Die aus 10 Personen bestehende
Schiffsmannschaft wurde auf diese Weise gerettet. Doch ein auf dem Schiff
befindlicher Seelootse stürzte, indem er sich an dem Tau herabließ, zwischen das
Schiff und das Boot in die Brandung und ertrank. Ein ebenfalls auf dem
Schiffe befindlicher Steuerbeamte hatte durch letzteren Vorfall erschreckt, nicht
den Muth, sich herabzulassen und blieb auf dem Wrack zurück, wurde jedoch
Tages darauf, als die See ruhiger ging, glücklich ans Land gebracht. Soviel
bekannt ist dies die erste glückliche Anwendung des Mörsers auf dein Festlande
gewesen, die Mannschaft eines gestrandeten Schiffes zu retten."

Dieser Bericht wird durch die in Nummer 133 des Jahrgangs 1828 der
Königsbergs Hartungschen Zeitung enthaltne Schilderung des Ereignisses er¬
gänzt. Die Worte: "Nach vielen Schwierigkeiten und Gefahren", womit im
Archiv der Transport des Geschützes und der Bedienungsmannschaft zu der
Strandungsstütte gestreift wird, lassen vermuten, daß es sich bei der Tätigkeit,
die die Pillauer Artilleristen an jenem Sturmtage entwickelten, um mehr ge¬
handelt hat, als um eine Schießübung mit dem zehnpfündigen Mortier. Diese
Vermutung wird bestätigt durch folgende Sätze des Zeitungsberichts, die sich
an die Feststellung der Unmöglichkeit, dem gestrandeten Schiffe mit Booten zu
Hilfe zu kommen, anschließen: "Trotz des heftigen aus Nordwest und Nord¬
nordwest tobenden Sturmes wagten es die beiden Artillerieleutencmts der Pillauer
Garnison, von Roggenbucke und Bartsch, an die sich drei Kanoniere auf die
erste Aufforderung freiwillig anschlössen, das große Rettungsboot, nachdem sie



Am Haffufcr.
Die preußische Artillerie im Dienste des Rüstenrettungswesens

Berichte wurde am 18. Oktober 1828, als das Elbinger Schiff Amphitrite beim
Möwcnhccken an der Frischer Nehrung gestrandet und ein Versuch der Pillauer
Lotsen, mit dem Rettungsboot Hilfe zu bringen, fehlgeschlagen war, die
Pillauer Kommandantur ersucht, schleunigst einen Mörser mit Munition und
Bedienungsmannschaft zu senden, um dem gestrandeten Schiffe durch eine
Bombe die Rettungsleine zuzuwerfen. Die Pillauer Station scheint um diese
Zeit einen halb militärischen Charakter gehabt und ihre Existenz einer Ver¬
einbarung zwischen der Königsberger Regierung und der Pillauer Komman¬
dantur verdankt zu haben. Der Rettungsbericht hat folgenden schlichten Wort¬
laut: „Nach vielen Schwierigkeiten und Gefahren wurde der Mörser an der
entgegengesetzten Seite") der Nehrung gelandet, über die Sandberge am Strande
gezogen, unter Leitung zweier Artillerie-Offiziere, der Lieutenants von Noggen-
bucke und Bartsch, dem Schiffe gegenüber aufgestellt, und mit dem 4ten Wurf
wurde die Leine glücklich an das Schiff gebracht. An die Leine wurde ein
starkes Tau gebunden, und als dieses aufs Schiff gezogen und an dem Mast
befestigt war, wagten es die Lootsen und einige Bewohner der Nehrung, sich
längs des Taues mit dem Boote mehrmals in die Nähe des Schiffes zu
ziehen. Die Schiffsmannschaft ließ sich vermittelst Schleifen, die um das Tau
geschlungen wurden, in das Boot herab. — Die aus 10 Personen bestehende
Schiffsmannschaft wurde auf diese Weise gerettet. Doch ein auf dem Schiff
befindlicher Seelootse stürzte, indem er sich an dem Tau herabließ, zwischen das
Schiff und das Boot in die Brandung und ertrank. Ein ebenfalls auf dem
Schiffe befindlicher Steuerbeamte hatte durch letzteren Vorfall erschreckt, nicht
den Muth, sich herabzulassen und blieb auf dem Wrack zurück, wurde jedoch
Tages darauf, als die See ruhiger ging, glücklich ans Land gebracht. Soviel
bekannt ist dies die erste glückliche Anwendung des Mörsers auf dein Festlande
gewesen, die Mannschaft eines gestrandeten Schiffes zu retten."

Dieser Bericht wird durch die in Nummer 133 des Jahrgangs 1828 der
Königsbergs Hartungschen Zeitung enthaltne Schilderung des Ereignisses er¬
gänzt. Die Worte: „Nach vielen Schwierigkeiten und Gefahren", womit im
Archiv der Transport des Geschützes und der Bedienungsmannschaft zu der
Strandungsstütte gestreift wird, lassen vermuten, daß es sich bei der Tätigkeit,
die die Pillauer Artilleristen an jenem Sturmtage entwickelten, um mehr ge¬
handelt hat, als um eine Schießübung mit dem zehnpfündigen Mortier. Diese
Vermutung wird bestätigt durch folgende Sätze des Zeitungsberichts, die sich
an die Feststellung der Unmöglichkeit, dem gestrandeten Schiffe mit Booten zu
Hilfe zu kommen, anschließen: „Trotz des heftigen aus Nordwest und Nord¬
nordwest tobenden Sturmes wagten es die beiden Artillerieleutencmts der Pillauer
Garnison, von Roggenbucke und Bartsch, an die sich drei Kanoniere auf die
erste Aufforderung freiwillig anschlössen, das große Rettungsboot, nachdem sie



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[0132] Die preußische Artillerie im Dienste des Rüstenrettungswesens Berichte wurde am 18. Oktober 1828, als das Elbinger Schiff Amphitrite beim Möwcnhccken an der Frischer Nehrung gestrandet und ein Versuch der Pillauer Lotsen, mit dem Rettungsboot Hilfe zu bringen, fehlgeschlagen war, die Pillauer Kommandantur ersucht, schleunigst einen Mörser mit Munition und Bedienungsmannschaft zu senden, um dem gestrandeten Schiffe durch eine Bombe die Rettungsleine zuzuwerfen. Die Pillauer Station scheint um diese Zeit einen halb militärischen Charakter gehabt und ihre Existenz einer Ver¬ einbarung zwischen der Königsberger Regierung und der Pillauer Komman¬ dantur verdankt zu haben. Der Rettungsbericht hat folgenden schlichten Wort¬ laut: „Nach vielen Schwierigkeiten und Gefahren wurde der Mörser an der entgegengesetzten Seite") der Nehrung gelandet, über die Sandberge am Strande gezogen, unter Leitung zweier Artillerie-Offiziere, der Lieutenants von Noggen- bucke und Bartsch, dem Schiffe gegenüber aufgestellt, und mit dem 4ten Wurf wurde die Leine glücklich an das Schiff gebracht. An die Leine wurde ein starkes Tau gebunden, und als dieses aufs Schiff gezogen und an dem Mast befestigt war, wagten es die Lootsen und einige Bewohner der Nehrung, sich längs des Taues mit dem Boote mehrmals in die Nähe des Schiffes zu ziehen. Die Schiffsmannschaft ließ sich vermittelst Schleifen, die um das Tau geschlungen wurden, in das Boot herab. — Die aus 10 Personen bestehende Schiffsmannschaft wurde auf diese Weise gerettet. Doch ein auf dem Schiff befindlicher Seelootse stürzte, indem er sich an dem Tau herabließ, zwischen das Schiff und das Boot in die Brandung und ertrank. Ein ebenfalls auf dem Schiffe befindlicher Steuerbeamte hatte durch letzteren Vorfall erschreckt, nicht den Muth, sich herabzulassen und blieb auf dem Wrack zurück, wurde jedoch Tages darauf, als die See ruhiger ging, glücklich ans Land gebracht. Soviel bekannt ist dies die erste glückliche Anwendung des Mörsers auf dein Festlande gewesen, die Mannschaft eines gestrandeten Schiffes zu retten." Dieser Bericht wird durch die in Nummer 133 des Jahrgangs 1828 der Königsbergs Hartungschen Zeitung enthaltne Schilderung des Ereignisses er¬ gänzt. Die Worte: „Nach vielen Schwierigkeiten und Gefahren", womit im Archiv der Transport des Geschützes und der Bedienungsmannschaft zu der Strandungsstütte gestreift wird, lassen vermuten, daß es sich bei der Tätigkeit, die die Pillauer Artilleristen an jenem Sturmtage entwickelten, um mehr ge¬ handelt hat, als um eine Schießübung mit dem zehnpfündigen Mortier. Diese Vermutung wird bestätigt durch folgende Sätze des Zeitungsberichts, die sich an die Feststellung der Unmöglichkeit, dem gestrandeten Schiffe mit Booten zu Hilfe zu kommen, anschließen: „Trotz des heftigen aus Nordwest und Nord¬ nordwest tobenden Sturmes wagten es die beiden Artillerieleutencmts der Pillauer Garnison, von Roggenbucke und Bartsch, an die sich drei Kanoniere auf die erste Aufforderung freiwillig anschlössen, das große Rettungsboot, nachdem sie Am Haffufcr.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/132>, abgerufen am 24.07.2024.