Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die preußische Artillerie im Dienste des Aüstenrettungswesens

die an demselben Tage nach Eintritt der Dunkelheit vorgenommen wurden,
ergaben, daß die Leuchtkraft und Leuchtdauer der Raketen ausreichten, auch bei
sehr dunkelm Wetter ein gestrandetes Schiff aufzusuchen und die Schußrichtung
durch Feuermarken festzulegen. Allerdings erwies sich die Rakete wieder als
ein launenhaftes Geschoß, von den fünf Raketen, die verfeuert wurden, krepierten
zwei beim Entzünden des Treibsatzes.

Ausführlicher ist der Bericht über die Schießversuche, die am 29. November
ebenfalls bei ziemlich starkem Sturm aus Nordnordwest angestellt wurden. Die
Leine hielt die sieben mit Ladungen von vierzehn bis achtzehn Lot abgegebnen
Würfe aus. die Darmsaiten dehnten sich im ganzen nur um einen halben Zoll,
und die Geschosse hielten im Durchschnitt die Richtung sehr gut. Die beiden
ersten Schüsse gingen zu kurz, der dritte und der vierte trafen das 400 Schritt
entfernte Ziel, beim fünften, sechsten und siebenten trug das Geschoß die Leine
über das Ziel. Die drei letzten Schüsse waren demnach Treffer.

Mit diesem Versuche, der mehr als die frühern die Anwendbarkeit des
Mörserapparats erwiesen hatte, war die Aufgabe der beiden Königsberger
Artilleristen gelöst. Sie hatten die passende Ladung, die beste Ladewelse, die
nach dem damaligen Stande der Technik zweckmäßigste Art, die Leine am Ge¬
schoß zu befestigen und flugbereit zu machen, ermittelt in der mit Leuchtkugeln
gefüllten Rakete ein zur Rekognoszierung des Strandes und des Vorlandes
brauchbares Leuchtgeschoß geschaffen und nicht nur zwei im Dienste der Hafen-
Polizeikommission stehende frühere Artilleristen, sondern auch die Mitglieder der
Kommission in der Bedienung des Mörsers unterrichtet. So hinterließen sie
die Mörserstation zu Memel in einem Zustande, der von der Anwendung der
Nettungsgeräte im Ernstfalle guten Erfolg erwarten ließ.

So guten Erfolg, wie eine andre mit Angehörigen der 1. Brigade bemannte
Mörserstation fast um dieselbe Zeit auf der Frischer Nehrung hatte.

Am 17 Oktober 1328 begann Oberfeuerwerker Kohler in seinem Labora¬
torium am Strande zu arbeiten. Am 18- Oktober stand ein Mörser der
Pillauer Garnison, von Freiwilligen bemannt und geführt, in ernstem Kampfe
der wütenden See gegenüber. Zehn Menschenleben waren der Kampfespreis.
Die Artilleristen gewannen ihn- ^. .

^^
Wie sie ihn gewannen, habe ich aus Berichten entnommen, die im Jahr¬
gang 1836 des Archivs für die Offiziere der Königlich Preußischen Artillene-
und Ingenieur-Korps und im Jahrgang 1828 (Ur. 133, S. 1791) der Königlich
Preußischen Staats-. Krieges- und Friedens-Zeitung (Königsberger Hartungsche
Zeitung) enthalten sind.

Der erste Bericht, der sich am Schlüsse eines Artikels über "Ergebnisse
einiger Versuche vermittelst Bomben Leinen nach gestrandeten Schiffen zu werfen"
befindet, ist nach Inhalt und Form der wertvollere, obwohl er erst geraume
Zeit nach dem Ereignisse veröffentlicht wurde. Er dürfte auf dienstliche Quellen
zurückgehn, als Verfasser vermute ich Oberstleutnant Stieler. Nach diesem


Die preußische Artillerie im Dienste des Aüstenrettungswesens

die an demselben Tage nach Eintritt der Dunkelheit vorgenommen wurden,
ergaben, daß die Leuchtkraft und Leuchtdauer der Raketen ausreichten, auch bei
sehr dunkelm Wetter ein gestrandetes Schiff aufzusuchen und die Schußrichtung
durch Feuermarken festzulegen. Allerdings erwies sich die Rakete wieder als
ein launenhaftes Geschoß, von den fünf Raketen, die verfeuert wurden, krepierten
zwei beim Entzünden des Treibsatzes.

Ausführlicher ist der Bericht über die Schießversuche, die am 29. November
ebenfalls bei ziemlich starkem Sturm aus Nordnordwest angestellt wurden. Die
Leine hielt die sieben mit Ladungen von vierzehn bis achtzehn Lot abgegebnen
Würfe aus. die Darmsaiten dehnten sich im ganzen nur um einen halben Zoll,
und die Geschosse hielten im Durchschnitt die Richtung sehr gut. Die beiden
ersten Schüsse gingen zu kurz, der dritte und der vierte trafen das 400 Schritt
entfernte Ziel, beim fünften, sechsten und siebenten trug das Geschoß die Leine
über das Ziel. Die drei letzten Schüsse waren demnach Treffer.

Mit diesem Versuche, der mehr als die frühern die Anwendbarkeit des
Mörserapparats erwiesen hatte, war die Aufgabe der beiden Königsberger
Artilleristen gelöst. Sie hatten die passende Ladung, die beste Ladewelse, die
nach dem damaligen Stande der Technik zweckmäßigste Art, die Leine am Ge¬
schoß zu befestigen und flugbereit zu machen, ermittelt in der mit Leuchtkugeln
gefüllten Rakete ein zur Rekognoszierung des Strandes und des Vorlandes
brauchbares Leuchtgeschoß geschaffen und nicht nur zwei im Dienste der Hafen-
Polizeikommission stehende frühere Artilleristen, sondern auch die Mitglieder der
Kommission in der Bedienung des Mörsers unterrichtet. So hinterließen sie
die Mörserstation zu Memel in einem Zustande, der von der Anwendung der
Nettungsgeräte im Ernstfalle guten Erfolg erwarten ließ.

So guten Erfolg, wie eine andre mit Angehörigen der 1. Brigade bemannte
Mörserstation fast um dieselbe Zeit auf der Frischer Nehrung hatte.

Am 17 Oktober 1328 begann Oberfeuerwerker Kohler in seinem Labora¬
torium am Strande zu arbeiten. Am 18- Oktober stand ein Mörser der
Pillauer Garnison, von Freiwilligen bemannt und geführt, in ernstem Kampfe
der wütenden See gegenüber. Zehn Menschenleben waren der Kampfespreis.
Die Artilleristen gewannen ihn- ^. .

^^
Wie sie ihn gewannen, habe ich aus Berichten entnommen, die im Jahr¬
gang 1836 des Archivs für die Offiziere der Königlich Preußischen Artillene-
und Ingenieur-Korps und im Jahrgang 1828 (Ur. 133, S. 1791) der Königlich
Preußischen Staats-. Krieges- und Friedens-Zeitung (Königsberger Hartungsche
Zeitung) enthalten sind.

Der erste Bericht, der sich am Schlüsse eines Artikels über „Ergebnisse
einiger Versuche vermittelst Bomben Leinen nach gestrandeten Schiffen zu werfen"
befindet, ist nach Inhalt und Form der wertvollere, obwohl er erst geraume
Zeit nach dem Ereignisse veröffentlicht wurde. Er dürfte auf dienstliche Quellen
zurückgehn, als Verfasser vermute ich Oberstleutnant Stieler. Nach diesem


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0131" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/311818"/>
          <fw type="header" place="top"> Die preußische Artillerie im Dienste des Aüstenrettungswesens</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_499" prev="#ID_498"> die an demselben Tage nach Eintritt der Dunkelheit vorgenommen wurden,<lb/>
ergaben, daß die Leuchtkraft und Leuchtdauer der Raketen ausreichten, auch bei<lb/>
sehr dunkelm Wetter ein gestrandetes Schiff aufzusuchen und die Schußrichtung<lb/>
durch Feuermarken festzulegen. Allerdings erwies sich die Rakete wieder als<lb/>
ein launenhaftes Geschoß, von den fünf Raketen, die verfeuert wurden, krepierten<lb/>
zwei beim Entzünden des Treibsatzes.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_500"> Ausführlicher ist der Bericht über die Schießversuche, die am 29. November<lb/>
ebenfalls bei ziemlich starkem Sturm aus Nordnordwest angestellt wurden. Die<lb/>
Leine hielt die sieben mit Ladungen von vierzehn bis achtzehn Lot abgegebnen<lb/>
Würfe aus. die Darmsaiten dehnten sich im ganzen nur um einen halben Zoll,<lb/>
und die Geschosse hielten im Durchschnitt die Richtung sehr gut. Die beiden<lb/>
ersten Schüsse gingen zu kurz, der dritte und der vierte trafen das 400 Schritt<lb/>
entfernte Ziel, beim fünften, sechsten und siebenten trug das Geschoß die Leine<lb/>
über das Ziel. Die drei letzten Schüsse waren demnach Treffer.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_501"> Mit diesem Versuche, der mehr als die frühern die Anwendbarkeit des<lb/>
Mörserapparats erwiesen hatte, war die Aufgabe der beiden Königsberger<lb/>
Artilleristen gelöst. Sie hatten die passende Ladung, die beste Ladewelse, die<lb/>
nach dem damaligen Stande der Technik zweckmäßigste Art, die Leine am Ge¬<lb/>
schoß zu befestigen und flugbereit zu machen, ermittelt in der mit Leuchtkugeln<lb/>
gefüllten Rakete ein zur Rekognoszierung des Strandes und des Vorlandes<lb/>
brauchbares Leuchtgeschoß geschaffen und nicht nur zwei im Dienste der Hafen-<lb/>
Polizeikommission stehende frühere Artilleristen, sondern auch die Mitglieder der<lb/>
Kommission in der Bedienung des Mörsers unterrichtet. So hinterließen sie<lb/>
die Mörserstation zu Memel in einem Zustande, der von der Anwendung der<lb/>
Nettungsgeräte im Ernstfalle guten Erfolg erwarten ließ.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_502"> So guten Erfolg, wie eine andre mit Angehörigen der 1. Brigade bemannte<lb/>
Mörserstation fast um dieselbe Zeit auf der Frischer Nehrung hatte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_503"> Am 17 Oktober 1328 begann Oberfeuerwerker Kohler in seinem Labora¬<lb/>
torium am Strande zu arbeiten. Am 18- Oktober stand ein Mörser der<lb/>
Pillauer Garnison, von Freiwilligen bemannt und geführt, in ernstem Kampfe<lb/>
der wütenden See gegenüber. Zehn Menschenleben waren der Kampfespreis.<lb/>
Die Artilleristen gewannen ihn- ^. .  </p><lb/>
          <p xml:id="ID_504"> ^^<lb/>
Wie sie ihn gewannen, habe ich aus Berichten entnommen, die im Jahr¬<lb/>
gang 1836 des Archivs für die Offiziere der Königlich Preußischen Artillene-<lb/>
und Ingenieur-Korps und im Jahrgang 1828 (Ur. 133, S. 1791) der Königlich<lb/>
Preußischen Staats-. Krieges- und Friedens-Zeitung (Königsberger Hartungsche<lb/>
Zeitung) enthalten sind.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_505" next="#ID_506"> Der erste Bericht, der sich am Schlüsse eines Artikels über &#x201E;Ergebnisse<lb/>
einiger Versuche vermittelst Bomben Leinen nach gestrandeten Schiffen zu werfen"<lb/>
befindet, ist nach Inhalt und Form der wertvollere, obwohl er erst geraume<lb/>
Zeit nach dem Ereignisse veröffentlicht wurde. Er dürfte auf dienstliche Quellen<lb/>
zurückgehn, als Verfasser vermute ich Oberstleutnant Stieler.  Nach diesem</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0131] Die preußische Artillerie im Dienste des Aüstenrettungswesens die an demselben Tage nach Eintritt der Dunkelheit vorgenommen wurden, ergaben, daß die Leuchtkraft und Leuchtdauer der Raketen ausreichten, auch bei sehr dunkelm Wetter ein gestrandetes Schiff aufzusuchen und die Schußrichtung durch Feuermarken festzulegen. Allerdings erwies sich die Rakete wieder als ein launenhaftes Geschoß, von den fünf Raketen, die verfeuert wurden, krepierten zwei beim Entzünden des Treibsatzes. Ausführlicher ist der Bericht über die Schießversuche, die am 29. November ebenfalls bei ziemlich starkem Sturm aus Nordnordwest angestellt wurden. Die Leine hielt die sieben mit Ladungen von vierzehn bis achtzehn Lot abgegebnen Würfe aus. die Darmsaiten dehnten sich im ganzen nur um einen halben Zoll, und die Geschosse hielten im Durchschnitt die Richtung sehr gut. Die beiden ersten Schüsse gingen zu kurz, der dritte und der vierte trafen das 400 Schritt entfernte Ziel, beim fünften, sechsten und siebenten trug das Geschoß die Leine über das Ziel. Die drei letzten Schüsse waren demnach Treffer. Mit diesem Versuche, der mehr als die frühern die Anwendbarkeit des Mörserapparats erwiesen hatte, war die Aufgabe der beiden Königsberger Artilleristen gelöst. Sie hatten die passende Ladung, die beste Ladewelse, die nach dem damaligen Stande der Technik zweckmäßigste Art, die Leine am Ge¬ schoß zu befestigen und flugbereit zu machen, ermittelt in der mit Leuchtkugeln gefüllten Rakete ein zur Rekognoszierung des Strandes und des Vorlandes brauchbares Leuchtgeschoß geschaffen und nicht nur zwei im Dienste der Hafen- Polizeikommission stehende frühere Artilleristen, sondern auch die Mitglieder der Kommission in der Bedienung des Mörsers unterrichtet. So hinterließen sie die Mörserstation zu Memel in einem Zustande, der von der Anwendung der Nettungsgeräte im Ernstfalle guten Erfolg erwarten ließ. So guten Erfolg, wie eine andre mit Angehörigen der 1. Brigade bemannte Mörserstation fast um dieselbe Zeit auf der Frischer Nehrung hatte. Am 17 Oktober 1328 begann Oberfeuerwerker Kohler in seinem Labora¬ torium am Strande zu arbeiten. Am 18- Oktober stand ein Mörser der Pillauer Garnison, von Freiwilligen bemannt und geführt, in ernstem Kampfe der wütenden See gegenüber. Zehn Menschenleben waren der Kampfespreis. Die Artilleristen gewannen ihn- ^. . ^^ Wie sie ihn gewannen, habe ich aus Berichten entnommen, die im Jahr¬ gang 1836 des Archivs für die Offiziere der Königlich Preußischen Artillene- und Ingenieur-Korps und im Jahrgang 1828 (Ur. 133, S. 1791) der Königlich Preußischen Staats-. Krieges- und Friedens-Zeitung (Königsberger Hartungsche Zeitung) enthalten sind. Der erste Bericht, der sich am Schlüsse eines Artikels über „Ergebnisse einiger Versuche vermittelst Bomben Leinen nach gestrandeten Schiffen zu werfen" befindet, ist nach Inhalt und Form der wertvollere, obwohl er erst geraume Zeit nach dem Ereignisse veröffentlicht wurde. Er dürfte auf dienstliche Quellen zurückgehn, als Verfasser vermute ich Oberstleutnant Stieler. Nach diesem

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/131
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/131>, abgerufen am 24.07.2024.