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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Sie preußische Artillerie im Dienste des Knsteurettuiigswesens

Zwischen 1825 und 1828 scheint das Mcmbysche Rettungsvcrfahren in
Memel Eingang gefunden zu haben. Am Ende des Jahres 1827 war der Memeler
Hasen schon mit einem Mörserapparat ausgerüstet, dessen Geschütz ein Kaliber
von 6^ Zoll hatte. Vermutlich war dem Vorsteheramte der Kaufmannschaft
diese Bereicherung der Rettungseinrichtungen zu danken.

Das Schreiben, in dem diese Einrichtung zuerst erwähnt wird, leitet einen
weitern Fortschritt der Memeler Rettungsanstalten ein.

In diesem Schreiben bat am 5. Dezember 1827 die Memeler Hafcnpolizei-
kommission den Kommandeur der ersten Brigade, Major Stieler. um Übersendung
einiger für den ö^zölligen Rettungsmörser passenden Leuchtkugeln und um
Angabe der bei dem Gebrauche dieser Feuerwerkskörper nötigen Elevation und
Ladung. Die Leuchtkugeln sollten bei Sttandungsfällen in dunkeln Nächten zur
Ermittlung des Ziels dienen. Die Korrespondenz, die sich darauf zwischen Major
Stieler und der Hafenpolizeikommission entwickelte, wurde der Anlaß zu einer
militärischen Idylle, in der eine seltne Frucht, eine tatfertige Mörserrettungs-
ftation, reifte.

Major Stieler bezeichnete in seiner Antwort ans das Schreiben der Hafen¬
polizeikommission Leuchtkugeln als ungeeignet zum Aufsuchen und Beleuchten
hilfebedürftiger Schiffe, da sie erst nach dem Fallen am Boden in vollen Brand
gerieten und leuchteten, seewärts geschleudert also ohne Licht zu spenden in den
Wogen verlöschten. Er schlug einen andern Lustfeuerwerkskorper vor. eme Rakete
deren Lenchtsatz sich erst dann entzündete, wem. das Geschoß kulminierte und
langsam fallend ein Helles Licht spendete. Die Rakete erschien ihm auch aus dem
Grunde für diese Verwendung besonders geeignet, weil sie bei Strandungen gegen
den aus See wehenden Wind abgeschossen werden müsse und gerade gegen den
Wind am seeligsten fliege. Er ersuchte um Mitteilung, wie weit die Raketen zu
Rekognoszierungszwecken seewärts fliegen müssen, da er selbst - und zwar
möglichst auf eigne Kosten - Versuche zur Ermittlung der notwendigen Elevation
und Vrennsatzkraft zu machen gedenke. Zur Anstellung umfassender Versuche
am Stationsorte versprach er im Januar einen geschickten und zuverlässigen
Oberfeuerwerker zu kommandieren. Er wünschte, die Anwendung der Leuchtgeschosse
bei Strandungen so vervollkommnen zu können, daß sie nichts zu wünschen übrig
ließe. Bei dieser warmen Teilnahme des menschenfreundlichen Offiziers erscheint
es fast überflüssig, daß ihn die Regierung im Februar 1828 bat, durch Versuche
zu ermitteln, wie das Ziel zur Nachtzeit am besten beleuchtet und wie die Leine
am sichersten geworfen werden könne. Obwohl die Forderungen des Dienstes
den Fortschritt des freudig begonnenen Unternehmens hemmten und Major
Stieler nur die Prüfung der Verwendbarkeit der Leuchtraketen erlaubten, gediehen
diese Versuche doch im Laufe des Sommers insofern zu einem Abschluß, als sich die
Brauchbarkeit der Raketen zur Rekognoszierung und Beleuchtung von Strandungs¬
stätten als wahrscheinlich erwies. Die Schießversuche mit dem Mortier mußten
dem Oberfeuerwerker aufgegeben werden, der endlich in den letzten Tagen des


Sie preußische Artillerie im Dienste des Knsteurettuiigswesens

Zwischen 1825 und 1828 scheint das Mcmbysche Rettungsvcrfahren in
Memel Eingang gefunden zu haben. Am Ende des Jahres 1827 war der Memeler
Hasen schon mit einem Mörserapparat ausgerüstet, dessen Geschütz ein Kaliber
von 6^ Zoll hatte. Vermutlich war dem Vorsteheramte der Kaufmannschaft
diese Bereicherung der Rettungseinrichtungen zu danken.

Das Schreiben, in dem diese Einrichtung zuerst erwähnt wird, leitet einen
weitern Fortschritt der Memeler Rettungsanstalten ein.

In diesem Schreiben bat am 5. Dezember 1827 die Memeler Hafcnpolizei-
kommission den Kommandeur der ersten Brigade, Major Stieler. um Übersendung
einiger für den ö^zölligen Rettungsmörser passenden Leuchtkugeln und um
Angabe der bei dem Gebrauche dieser Feuerwerkskörper nötigen Elevation und
Ladung. Die Leuchtkugeln sollten bei Sttandungsfällen in dunkeln Nächten zur
Ermittlung des Ziels dienen. Die Korrespondenz, die sich darauf zwischen Major
Stieler und der Hafenpolizeikommission entwickelte, wurde der Anlaß zu einer
militärischen Idylle, in der eine seltne Frucht, eine tatfertige Mörserrettungs-
ftation, reifte.

Major Stieler bezeichnete in seiner Antwort ans das Schreiben der Hafen¬
polizeikommission Leuchtkugeln als ungeeignet zum Aufsuchen und Beleuchten
hilfebedürftiger Schiffe, da sie erst nach dem Fallen am Boden in vollen Brand
gerieten und leuchteten, seewärts geschleudert also ohne Licht zu spenden in den
Wogen verlöschten. Er schlug einen andern Lustfeuerwerkskorper vor. eme Rakete
deren Lenchtsatz sich erst dann entzündete, wem. das Geschoß kulminierte und
langsam fallend ein Helles Licht spendete. Die Rakete erschien ihm auch aus dem
Grunde für diese Verwendung besonders geeignet, weil sie bei Strandungen gegen
den aus See wehenden Wind abgeschossen werden müsse und gerade gegen den
Wind am seeligsten fliege. Er ersuchte um Mitteilung, wie weit die Raketen zu
Rekognoszierungszwecken seewärts fliegen müssen, da er selbst - und zwar
möglichst auf eigne Kosten - Versuche zur Ermittlung der notwendigen Elevation
und Vrennsatzkraft zu machen gedenke. Zur Anstellung umfassender Versuche
am Stationsorte versprach er im Januar einen geschickten und zuverlässigen
Oberfeuerwerker zu kommandieren. Er wünschte, die Anwendung der Leuchtgeschosse
bei Strandungen so vervollkommnen zu können, daß sie nichts zu wünschen übrig
ließe. Bei dieser warmen Teilnahme des menschenfreundlichen Offiziers erscheint
es fast überflüssig, daß ihn die Regierung im Februar 1828 bat, durch Versuche
zu ermitteln, wie das Ziel zur Nachtzeit am besten beleuchtet und wie die Leine
am sichersten geworfen werden könne. Obwohl die Forderungen des Dienstes
den Fortschritt des freudig begonnenen Unternehmens hemmten und Major
Stieler nur die Prüfung der Verwendbarkeit der Leuchtraketen erlaubten, gediehen
diese Versuche doch im Laufe des Sommers insofern zu einem Abschluß, als sich die
Brauchbarkeit der Raketen zur Rekognoszierung und Beleuchtung von Strandungs¬
stätten als wahrscheinlich erwies. Die Schießversuche mit dem Mortier mußten
dem Oberfeuerwerker aufgegeben werden, der endlich in den letzten Tagen des


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/127>, abgerufen am 24.07.2024.