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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Die preußische Artillerie im Dienste des Rüstenrettungswesens

Versuchen beigewohnt, sodaß die Anwendung des Verfahrens nicht mehr davon
abhängig war, ob der Dienstbetricb den Artillerieoffizieren und -Mannschaften
die Teilnahme an Übungen mit dem Nettungsgeschütz und an Rettungsver¬
suchen erlaubte.

Im Frühling des Jahres 1821 fanden befriedigende Versuche statt, wobei
der Mörser von Lotsen bedient wurde.

Im Frühsommer des Jahres 1825 wurden in Neufahrwasser die Leistungen
eines Manbyschen Mörsers, den das Ministerium des Innern aus England
bezogen hatte, mit denen der preußischen Sieben- und Zehnpfünder verglichen.
Die Versuche fanden in Gegenwart des Artillerieoffiziers des Platzes, Kapitäns
Noth, statt. Der Siebenpfünder schleuderte die Leine sicherer und weiter als der
Manbymörser. Den Grund glaubte Kapitän Noth darin zu finden, daß die
Pulverkammer des englischen Geschützes zu tief war. Das Geschoß und die
Ladung des Zehnpfünders erwiesen sich als zu schwer für den Leinenwurf. Die
Leinen zerrissen. Als im Herbst bei Weichselmünde die Leistungsfähigkeit des
Zehnpfünders gegen schweren Sturm geprüft wurde, ergab es sich, daß der
Winddruck die Wurfweite nicht wesentlich verkürzte. Aber wieder riß sich die
Bombe von den Leinen los. Bei Schießübungen, die im Juli 1826 in Weichsel¬
münde veranstaltet wurden, zeigte sich der preußische 5,5zottige Siebenpfünder
wieder dem englischen 5,2zölligen Geschütz in der Wurfkraft überlegen.

Auch die auf die Mörserstationen zu Memel und Mellneraggen bezüglichen
Akten der Memeler Hafenbauinspektion führen uns bis in die Zeit zurück, wo
das Eiserne Kreuz für 1813/14 noch ein junger Schmuck war und noch die
Brust junger Männer zierte. Daß die ersten Anfänge dieser Nettungseinrichtungen
auch hier nicht deutlich erkennbar sind, ist ein erfreulicher Beweis dafür, wie
früh preußische Kaufleute oder Behörden Schaefers und Manbys Erfindung an
der kurischen Küste heimisch und nutzbar zu machen suchten.

Die Sorge für die Schiffbrüchigen wurde in dieser Küstengegend durch die
Strandung eines schwedischen Schiffes geweckt. Einer der Offiziere des Schiffs
hatte sich ans Land gerettet, ging jedoch an dem unwirtlichen Gestade der auf
der Seeseite ganz unbewohnten, infolge hoher Randdünen schwer erklimmbaren
und durch Triebsand gefährlichen Landzunge an Entkrüftung oder Frost zugrunde.
Das war im Herbst des Jahres 1824. Nun stellte der Magistrat von Memel an
die Regierung zu Königsberg den Antrag, auf der Nehrungsküste vom Ausflusse
des Kurischen Haffs bis zu dem Dorfe Creuz in Zwischenräumen von einer Meile
Wachthäuser zu errichten und mit verlässigen berittnen Wächtern zu besetzen. Ein
Hafenpolizeibeamter schlug vor, einem Krüger bei Memel und dem PostHalter zu
Schwarzort, deuen bisher schon die Unterhaltung von Rettungsbooten oblag,
gegen eine müßige Summe die Errichtung, Ausrüstung, Bemannung und Kontrolle
von vier transportierbaren Wachbuden zu übertragen. Keines von diesen Pro¬
jekten wurde ausgeführt, aber sie erhielten doch das Bestreben der Behörden rege,
die Küste wirklicher zu macheu und die Rettuugsanstalten zu verbessern.


Die preußische Artillerie im Dienste des Rüstenrettungswesens

Versuchen beigewohnt, sodaß die Anwendung des Verfahrens nicht mehr davon
abhängig war, ob der Dienstbetricb den Artillerieoffizieren und -Mannschaften
die Teilnahme an Übungen mit dem Nettungsgeschütz und an Rettungsver¬
suchen erlaubte.

Im Frühling des Jahres 1821 fanden befriedigende Versuche statt, wobei
der Mörser von Lotsen bedient wurde.

Im Frühsommer des Jahres 1825 wurden in Neufahrwasser die Leistungen
eines Manbyschen Mörsers, den das Ministerium des Innern aus England
bezogen hatte, mit denen der preußischen Sieben- und Zehnpfünder verglichen.
Die Versuche fanden in Gegenwart des Artillerieoffiziers des Platzes, Kapitäns
Noth, statt. Der Siebenpfünder schleuderte die Leine sicherer und weiter als der
Manbymörser. Den Grund glaubte Kapitän Noth darin zu finden, daß die
Pulverkammer des englischen Geschützes zu tief war. Das Geschoß und die
Ladung des Zehnpfünders erwiesen sich als zu schwer für den Leinenwurf. Die
Leinen zerrissen. Als im Herbst bei Weichselmünde die Leistungsfähigkeit des
Zehnpfünders gegen schweren Sturm geprüft wurde, ergab es sich, daß der
Winddruck die Wurfweite nicht wesentlich verkürzte. Aber wieder riß sich die
Bombe von den Leinen los. Bei Schießübungen, die im Juli 1826 in Weichsel¬
münde veranstaltet wurden, zeigte sich der preußische 5,5zottige Siebenpfünder
wieder dem englischen 5,2zölligen Geschütz in der Wurfkraft überlegen.

Auch die auf die Mörserstationen zu Memel und Mellneraggen bezüglichen
Akten der Memeler Hafenbauinspektion führen uns bis in die Zeit zurück, wo
das Eiserne Kreuz für 1813/14 noch ein junger Schmuck war und noch die
Brust junger Männer zierte. Daß die ersten Anfänge dieser Nettungseinrichtungen
auch hier nicht deutlich erkennbar sind, ist ein erfreulicher Beweis dafür, wie
früh preußische Kaufleute oder Behörden Schaefers und Manbys Erfindung an
der kurischen Küste heimisch und nutzbar zu machen suchten.

Die Sorge für die Schiffbrüchigen wurde in dieser Küstengegend durch die
Strandung eines schwedischen Schiffes geweckt. Einer der Offiziere des Schiffs
hatte sich ans Land gerettet, ging jedoch an dem unwirtlichen Gestade der auf
der Seeseite ganz unbewohnten, infolge hoher Randdünen schwer erklimmbaren
und durch Triebsand gefährlichen Landzunge an Entkrüftung oder Frost zugrunde.
Das war im Herbst des Jahres 1824. Nun stellte der Magistrat von Memel an
die Regierung zu Königsberg den Antrag, auf der Nehrungsküste vom Ausflusse
des Kurischen Haffs bis zu dem Dorfe Creuz in Zwischenräumen von einer Meile
Wachthäuser zu errichten und mit verlässigen berittnen Wächtern zu besetzen. Ein
Hafenpolizeibeamter schlug vor, einem Krüger bei Memel und dem PostHalter zu
Schwarzort, deuen bisher schon die Unterhaltung von Rettungsbooten oblag,
gegen eine müßige Summe die Errichtung, Ausrüstung, Bemannung und Kontrolle
von vier transportierbaren Wachbuden zu übertragen. Keines von diesen Pro¬
jekten wurde ausgeführt, aber sie erhielten doch das Bestreben der Behörden rege,
die Küste wirklicher zu macheu und die Rettuugsanstalten zu verbessern.


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[0126] Die preußische Artillerie im Dienste des Rüstenrettungswesens Versuchen beigewohnt, sodaß die Anwendung des Verfahrens nicht mehr davon abhängig war, ob der Dienstbetricb den Artillerieoffizieren und -Mannschaften die Teilnahme an Übungen mit dem Nettungsgeschütz und an Rettungsver¬ suchen erlaubte. Im Frühling des Jahres 1821 fanden befriedigende Versuche statt, wobei der Mörser von Lotsen bedient wurde. Im Frühsommer des Jahres 1825 wurden in Neufahrwasser die Leistungen eines Manbyschen Mörsers, den das Ministerium des Innern aus England bezogen hatte, mit denen der preußischen Sieben- und Zehnpfünder verglichen. Die Versuche fanden in Gegenwart des Artillerieoffiziers des Platzes, Kapitäns Noth, statt. Der Siebenpfünder schleuderte die Leine sicherer und weiter als der Manbymörser. Den Grund glaubte Kapitän Noth darin zu finden, daß die Pulverkammer des englischen Geschützes zu tief war. Das Geschoß und die Ladung des Zehnpfünders erwiesen sich als zu schwer für den Leinenwurf. Die Leinen zerrissen. Als im Herbst bei Weichselmünde die Leistungsfähigkeit des Zehnpfünders gegen schweren Sturm geprüft wurde, ergab es sich, daß der Winddruck die Wurfweite nicht wesentlich verkürzte. Aber wieder riß sich die Bombe von den Leinen los. Bei Schießübungen, die im Juli 1826 in Weichsel¬ münde veranstaltet wurden, zeigte sich der preußische 5,5zottige Siebenpfünder wieder dem englischen 5,2zölligen Geschütz in der Wurfkraft überlegen. Auch die auf die Mörserstationen zu Memel und Mellneraggen bezüglichen Akten der Memeler Hafenbauinspektion führen uns bis in die Zeit zurück, wo das Eiserne Kreuz für 1813/14 noch ein junger Schmuck war und noch die Brust junger Männer zierte. Daß die ersten Anfänge dieser Nettungseinrichtungen auch hier nicht deutlich erkennbar sind, ist ein erfreulicher Beweis dafür, wie früh preußische Kaufleute oder Behörden Schaefers und Manbys Erfindung an der kurischen Küste heimisch und nutzbar zu machen suchten. Die Sorge für die Schiffbrüchigen wurde in dieser Küstengegend durch die Strandung eines schwedischen Schiffes geweckt. Einer der Offiziere des Schiffs hatte sich ans Land gerettet, ging jedoch an dem unwirtlichen Gestade der auf der Seeseite ganz unbewohnten, infolge hoher Randdünen schwer erklimmbaren und durch Triebsand gefährlichen Landzunge an Entkrüftung oder Frost zugrunde. Das war im Herbst des Jahres 1824. Nun stellte der Magistrat von Memel an die Regierung zu Königsberg den Antrag, auf der Nehrungsküste vom Ausflusse des Kurischen Haffs bis zu dem Dorfe Creuz in Zwischenräumen von einer Meile Wachthäuser zu errichten und mit verlässigen berittnen Wächtern zu besetzen. Ein Hafenpolizeibeamter schlug vor, einem Krüger bei Memel und dem PostHalter zu Schwarzort, deuen bisher schon die Unterhaltung von Rettungsbooten oblag, gegen eine müßige Summe die Errichtung, Ausrüstung, Bemannung und Kontrolle von vier transportierbaren Wachbuden zu übertragen. Keines von diesen Pro¬ jekten wurde ausgeführt, aber sie erhielten doch das Bestreben der Behörden rege, die Küste wirklicher zu macheu und die Rettuugsanstalten zu verbessern.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/126>, abgerufen am 24.07.2024.