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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Die preußische Artillerie im Dienste des Aüstenrettungswesens

Erfindung in dem Lande, wo ihre Schwester vor dreißig Jahren unbeachtet
gestorben war, freundliche Aufnahme und freudige Förderung.

Wahrscheinlich war sie durch die wichtigste damalige Einfuhrpforte Preußens,
durch Königsberg, auf das Festland gekommen. Weit früher als in andern
Festlandstaaten wurde sie in Preußen aufgenommen, am frühesten an der kurischen
Küste, am freudigsten von Angehörigen der 1. (Preußischen) Artilleriebrigade.

Schon das erste Jahr des Aufatmens, das dem preußischen Volle nach dem
schweren Ringen mit Napoleon beschieden war, ist durch den Versuch, das bewährte
englische Rettungsverfahren an der preußischen Küste einzuführen, bezeichnet.

Nach Akten der Königlichen Negierung zu Danzig versuchte um 5. Sep¬
tember 1816 Lotsenkommandeur Seeente zu Pillau mit einer Bombe eine Leine
über ein breites Ziel zu werfen. Der erste Wurf mißlang, beim zweiten riß die
Leine, da sie sich beim Auffliegen verwirrt hatte. Der Finanzminister Graf
von Vülow und der Landhofmcister und Oberpräsident von Auerswald, dnrch
den York "die Mittel zum Handeln" erhalten hatte, wohnten mit Beamten der
Regierung dein Versuche bei. Weitere Versuche, über die in den Akten nichts
enthalten' ist, führten dazu, daß die Regierung zu Königsberg im Juli 1819 der
Mauer Hafenpolizeikommission den Gebrauch "dieses freilich immer gefährlichen
Mittels" im äußersten Notfalle gestattete. Demnach muß wenigstens seit dem
Jahre 1819 in Man ein Manbyschcr Apparat vorhanden gewesen sein.

Bei den Versuchen, die die Regierung zu Danzig auf eine von dem Polizei-
Präsidenten von Vegesack und dem Direktor der Navigationsschule Professor
Tobiesen unterstützte Anregung der im Rettungsdienste bewährten Lotsen¬
kommandeure Neumann und Husen in den Jahren 1819, 1820 und 1821
veranstalten ließ, erscheint die Preußische Artilleriebrigade zum erstenmal im
Dienste der Rettmigsidee. Die Beamten, die die Anregung gegeben hatten, fanden
die bereitwilligste Förderung bei den Militärbehörden. Major von Huck. der
Chef der Danziger Abteilung der 1. Artillericbrigade, stellte zu dein ersten
Versuch im Juni 1319 einen zehnpfündigen Mortier und die Munition und
kommandierte dazu einen Offizier und die Bedienungsmannschaft. Beim dritten
Schuß hatte man die Ablenkung, die das Geschoß infolge des Winddrucks erlitt,
bis auf zwei Meter korrigiert, der fünfte und der sechste Schuß waren Treffer. Auch
dem nächsten Versuch wohnte Major von Huck mit einem andern Artillerieoffizier
bei. Im Herbst wiederholte man diese Versuche. Mail vermied die Fehler, die
man im Sommer gemacht hatte, wählte die Leinen sorgfältig aus, richtete die
Geschosse für die ungewöhnliche Verwendung her und konstruierte einen Apparat,
von dem die Leine, dem Zuge des Geschosses folgend, sich leicht, ohne zu stocken
oder sich zu verwirren, abwickeln konnte. Major von Huck leitete die Bedienung
des Geschützes. Er hatte die Überzeugung gewonnen, daß das Verfahren wirklich
Segen bringen könne, und bemühte sich nun mit Vegesack und Tobiesen. es zu
verbessern. Die Versuche gelaugen, von acht Prvbeschüssen waren sechs Treffer.
Jüngere Lotsen hatten zu ihrer Ausbildung in der Bedienung des Mörsers den


Grenzboten 1l 1908 ^
Die preußische Artillerie im Dienste des Aüstenrettungswesens

Erfindung in dem Lande, wo ihre Schwester vor dreißig Jahren unbeachtet
gestorben war, freundliche Aufnahme und freudige Förderung.

Wahrscheinlich war sie durch die wichtigste damalige Einfuhrpforte Preußens,
durch Königsberg, auf das Festland gekommen. Weit früher als in andern
Festlandstaaten wurde sie in Preußen aufgenommen, am frühesten an der kurischen
Küste, am freudigsten von Angehörigen der 1. (Preußischen) Artilleriebrigade.

Schon das erste Jahr des Aufatmens, das dem preußischen Volle nach dem
schweren Ringen mit Napoleon beschieden war, ist durch den Versuch, das bewährte
englische Rettungsverfahren an der preußischen Küste einzuführen, bezeichnet.

Nach Akten der Königlichen Negierung zu Danzig versuchte um 5. Sep¬
tember 1816 Lotsenkommandeur Seeente zu Pillau mit einer Bombe eine Leine
über ein breites Ziel zu werfen. Der erste Wurf mißlang, beim zweiten riß die
Leine, da sie sich beim Auffliegen verwirrt hatte. Der Finanzminister Graf
von Vülow und der Landhofmcister und Oberpräsident von Auerswald, dnrch
den York „die Mittel zum Handeln" erhalten hatte, wohnten mit Beamten der
Regierung dein Versuche bei. Weitere Versuche, über die in den Akten nichts
enthalten' ist, führten dazu, daß die Regierung zu Königsberg im Juli 1819 der
Mauer Hafenpolizeikommission den Gebrauch „dieses freilich immer gefährlichen
Mittels" im äußersten Notfalle gestattete. Demnach muß wenigstens seit dem
Jahre 1819 in Man ein Manbyschcr Apparat vorhanden gewesen sein.

Bei den Versuchen, die die Regierung zu Danzig auf eine von dem Polizei-
Präsidenten von Vegesack und dem Direktor der Navigationsschule Professor
Tobiesen unterstützte Anregung der im Rettungsdienste bewährten Lotsen¬
kommandeure Neumann und Husen in den Jahren 1819, 1820 und 1821
veranstalten ließ, erscheint die Preußische Artilleriebrigade zum erstenmal im
Dienste der Rettmigsidee. Die Beamten, die die Anregung gegeben hatten, fanden
die bereitwilligste Förderung bei den Militärbehörden. Major von Huck. der
Chef der Danziger Abteilung der 1. Artillericbrigade, stellte zu dein ersten
Versuch im Juni 1319 einen zehnpfündigen Mortier und die Munition und
kommandierte dazu einen Offizier und die Bedienungsmannschaft. Beim dritten
Schuß hatte man die Ablenkung, die das Geschoß infolge des Winddrucks erlitt,
bis auf zwei Meter korrigiert, der fünfte und der sechste Schuß waren Treffer. Auch
dem nächsten Versuch wohnte Major von Huck mit einem andern Artillerieoffizier
bei. Im Herbst wiederholte man diese Versuche. Mail vermied die Fehler, die
man im Sommer gemacht hatte, wählte die Leinen sorgfältig aus, richtete die
Geschosse für die ungewöhnliche Verwendung her und konstruierte einen Apparat,
von dem die Leine, dem Zuge des Geschosses folgend, sich leicht, ohne zu stocken
oder sich zu verwirren, abwickeln konnte. Major von Huck leitete die Bedienung
des Geschützes. Er hatte die Überzeugung gewonnen, daß das Verfahren wirklich
Segen bringen könne, und bemühte sich nun mit Vegesack und Tobiesen. es zu
verbessern. Die Versuche gelaugen, von acht Prvbeschüssen waren sechs Treffer.
Jüngere Lotsen hatten zu ihrer Ausbildung in der Bedienung des Mörsers den


Grenzboten 1l 1908 ^
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[0125] Die preußische Artillerie im Dienste des Aüstenrettungswesens Erfindung in dem Lande, wo ihre Schwester vor dreißig Jahren unbeachtet gestorben war, freundliche Aufnahme und freudige Förderung. Wahrscheinlich war sie durch die wichtigste damalige Einfuhrpforte Preußens, durch Königsberg, auf das Festland gekommen. Weit früher als in andern Festlandstaaten wurde sie in Preußen aufgenommen, am frühesten an der kurischen Küste, am freudigsten von Angehörigen der 1. (Preußischen) Artilleriebrigade. Schon das erste Jahr des Aufatmens, das dem preußischen Volle nach dem schweren Ringen mit Napoleon beschieden war, ist durch den Versuch, das bewährte englische Rettungsverfahren an der preußischen Küste einzuführen, bezeichnet. Nach Akten der Königlichen Negierung zu Danzig versuchte um 5. Sep¬ tember 1816 Lotsenkommandeur Seeente zu Pillau mit einer Bombe eine Leine über ein breites Ziel zu werfen. Der erste Wurf mißlang, beim zweiten riß die Leine, da sie sich beim Auffliegen verwirrt hatte. Der Finanzminister Graf von Vülow und der Landhofmcister und Oberpräsident von Auerswald, dnrch den York „die Mittel zum Handeln" erhalten hatte, wohnten mit Beamten der Regierung dein Versuche bei. Weitere Versuche, über die in den Akten nichts enthalten' ist, führten dazu, daß die Regierung zu Königsberg im Juli 1819 der Mauer Hafenpolizeikommission den Gebrauch „dieses freilich immer gefährlichen Mittels" im äußersten Notfalle gestattete. Demnach muß wenigstens seit dem Jahre 1819 in Man ein Manbyschcr Apparat vorhanden gewesen sein. Bei den Versuchen, die die Regierung zu Danzig auf eine von dem Polizei- Präsidenten von Vegesack und dem Direktor der Navigationsschule Professor Tobiesen unterstützte Anregung der im Rettungsdienste bewährten Lotsen¬ kommandeure Neumann und Husen in den Jahren 1819, 1820 und 1821 veranstalten ließ, erscheint die Preußische Artilleriebrigade zum erstenmal im Dienste der Rettmigsidee. Die Beamten, die die Anregung gegeben hatten, fanden die bereitwilligste Förderung bei den Militärbehörden. Major von Huck. der Chef der Danziger Abteilung der 1. Artillericbrigade, stellte zu dein ersten Versuch im Juni 1319 einen zehnpfündigen Mortier und die Munition und kommandierte dazu einen Offizier und die Bedienungsmannschaft. Beim dritten Schuß hatte man die Ablenkung, die das Geschoß infolge des Winddrucks erlitt, bis auf zwei Meter korrigiert, der fünfte und der sechste Schuß waren Treffer. Auch dem nächsten Versuch wohnte Major von Huck mit einem andern Artillerieoffizier bei. Im Herbst wiederholte man diese Versuche. Mail vermied die Fehler, die man im Sommer gemacht hatte, wählte die Leinen sorgfältig aus, richtete die Geschosse für die ungewöhnliche Verwendung her und konstruierte einen Apparat, von dem die Leine, dem Zuge des Geschosses folgend, sich leicht, ohne zu stocken oder sich zu verwirren, abwickeln konnte. Major von Huck leitete die Bedienung des Geschützes. Er hatte die Überzeugung gewonnen, daß das Verfahren wirklich Segen bringen könne, und bemühte sich nun mit Vegesack und Tobiesen. es zu verbessern. Die Versuche gelaugen, von acht Prvbeschüssen waren sechs Treffer. Jüngere Lotsen hatten zu ihrer Ausbildung in der Bedienung des Mörsers den Grenzboten 1l 1908 ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/125>, abgerufen am 24.07.2024.