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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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T>le Neuordnung der Beamtenbesoldungen -- ein sozialpolitisches Problem

Wenn er die Devise "Amerika den Nordamerikanern" mit so schönen Phrasen
verkleidet. An uns aber ist es, der Gefahr kalten Blutes ins Auge zu sehn
und unsre guten Beziehungen zu den Vereinigten Staaten dazu zu benutzen,
auch unserm Volk den ihm gebührenden Anteil an der Entwicklung dieser
reichsten Länder der Welt zu sichern.




Die Neuordnung der Veamtenbesoldungen -- ein sozial¬
politisches Problem

MM
Ä^Mon den Fragen, die in diesen Tagen ihrer Lösung durch die gesetz¬
gebenden Faktoren des Reiches wie der Einzelstaaten harren,
wird wohl keine in weiten Volkskreisen mit solcher Spannung
verfolgt, wie die Frage der Neuregelung und Aufbesserung der
Beamtenbesoldungen. Diese Spannung ist durch die immer noch
zunehmende Teuerung aller zum Lebensunterhalt notwendigen Dinge nur zu
sehr begründet. Immer mehr drängt sich aber bei den vielfachen Erörterungen
der Frage der Gedanke in den Vordergrund, daß ihre Lösung ein sozialpolitisches
Problem ersten Ranges in sich schließt und deshalb eine gründliche Untersuchung
der sozialen Zustände im deutschen Beamtentum nach ihrer materiellen wie nach
ihrer ethischen Seite zur Voraussetzung hat.

Wie bei den meisten sozialpolitischen Fragen unsrer Zeit, so handelt es
sich auch hier um eine Massenfrage. Mit der Ausdehnung der staatswirtschaft¬
lichen Betriebe, insbesondre der Post und der Eisenbahn, ist der Staat der größte
Arbeitgeber geworden. Die gewaltigen Summen, mit denen schon eine kleine
Erhöhung der Gehälter das Staatsbudget belastet, bilden hierfür den besten
Gradmesser. Was aber die Wichtigkeit dieser Frage über sonstige Massenfragen
weit hinaushebt, das ist die Bedeutung des Beamtentums unsrer Nation.
Während fast alle Teile der frühern Mittelstände in eine rückläufige Bewegung
geraten sind, ist der Beamtenstand mit der zunehmenden Betätigung des Staates
auf Gebieten aller Art an Zahl und an Einfluß bedeutend gewachsen. Me
dem sich neu bildenden Stand der Privatbeamten stellt er den wichtigsten Teil
des heutigen Mittelstandes dar, einen kräftigen Puffer zwischen Proletariat
einerseits, Geld- und Geburtsaristokratie andrerseits. Die gesellschaftliche Stellung
dieses einflußreichen Volksteils bringt es mit sich, daß die Lebensführung der
Beamten vielfach von vorbildlicher Wirkung aus andre Stände ist. Gerade
dieser Umstand erhebt die Frage über die Gestaltung der Beamtenverhältnisse
zu besondrer politischer Bedeutung. Mit der Möglichkeit, in die Lebensverhältnisse
seiner Beamten durch die Gehaltsregelung einzugreifen, ist in die Hand des


T>le Neuordnung der Beamtenbesoldungen — ein sozialpolitisches Problem

Wenn er die Devise „Amerika den Nordamerikanern" mit so schönen Phrasen
verkleidet. An uns aber ist es, der Gefahr kalten Blutes ins Auge zu sehn
und unsre guten Beziehungen zu den Vereinigten Staaten dazu zu benutzen,
auch unserm Volk den ihm gebührenden Anteil an der Entwicklung dieser
reichsten Länder der Welt zu sichern.




Die Neuordnung der Veamtenbesoldungen — ein sozial¬
politisches Problem

MM
Ä^Mon den Fragen, die in diesen Tagen ihrer Lösung durch die gesetz¬
gebenden Faktoren des Reiches wie der Einzelstaaten harren,
wird wohl keine in weiten Volkskreisen mit solcher Spannung
verfolgt, wie die Frage der Neuregelung und Aufbesserung der
Beamtenbesoldungen. Diese Spannung ist durch die immer noch
zunehmende Teuerung aller zum Lebensunterhalt notwendigen Dinge nur zu
sehr begründet. Immer mehr drängt sich aber bei den vielfachen Erörterungen
der Frage der Gedanke in den Vordergrund, daß ihre Lösung ein sozialpolitisches
Problem ersten Ranges in sich schließt und deshalb eine gründliche Untersuchung
der sozialen Zustände im deutschen Beamtentum nach ihrer materiellen wie nach
ihrer ethischen Seite zur Voraussetzung hat.

Wie bei den meisten sozialpolitischen Fragen unsrer Zeit, so handelt es
sich auch hier um eine Massenfrage. Mit der Ausdehnung der staatswirtschaft¬
lichen Betriebe, insbesondre der Post und der Eisenbahn, ist der Staat der größte
Arbeitgeber geworden. Die gewaltigen Summen, mit denen schon eine kleine
Erhöhung der Gehälter das Staatsbudget belastet, bilden hierfür den besten
Gradmesser. Was aber die Wichtigkeit dieser Frage über sonstige Massenfragen
weit hinaushebt, das ist die Bedeutung des Beamtentums unsrer Nation.
Während fast alle Teile der frühern Mittelstände in eine rückläufige Bewegung
geraten sind, ist der Beamtenstand mit der zunehmenden Betätigung des Staates
auf Gebieten aller Art an Zahl und an Einfluß bedeutend gewachsen. Me
dem sich neu bildenden Stand der Privatbeamten stellt er den wichtigsten Teil
des heutigen Mittelstandes dar, einen kräftigen Puffer zwischen Proletariat
einerseits, Geld- und Geburtsaristokratie andrerseits. Die gesellschaftliche Stellung
dieses einflußreichen Volksteils bringt es mit sich, daß die Lebensführung der
Beamten vielfach von vorbildlicher Wirkung aus andre Stände ist. Gerade
dieser Umstand erhebt die Frage über die Gestaltung der Beamtenverhältnisse
zu besondrer politischer Bedeutung. Mit der Möglichkeit, in die Lebensverhältnisse
seiner Beamten durch die Gehaltsregelung einzugreifen, ist in die Hand des


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[0083] T>le Neuordnung der Beamtenbesoldungen — ein sozialpolitisches Problem Wenn er die Devise „Amerika den Nordamerikanern" mit so schönen Phrasen verkleidet. An uns aber ist es, der Gefahr kalten Blutes ins Auge zu sehn und unsre guten Beziehungen zu den Vereinigten Staaten dazu zu benutzen, auch unserm Volk den ihm gebührenden Anteil an der Entwicklung dieser reichsten Länder der Welt zu sichern. Die Neuordnung der Veamtenbesoldungen — ein sozial¬ politisches Problem MM Ä^Mon den Fragen, die in diesen Tagen ihrer Lösung durch die gesetz¬ gebenden Faktoren des Reiches wie der Einzelstaaten harren, wird wohl keine in weiten Volkskreisen mit solcher Spannung verfolgt, wie die Frage der Neuregelung und Aufbesserung der Beamtenbesoldungen. Diese Spannung ist durch die immer noch zunehmende Teuerung aller zum Lebensunterhalt notwendigen Dinge nur zu sehr begründet. Immer mehr drängt sich aber bei den vielfachen Erörterungen der Frage der Gedanke in den Vordergrund, daß ihre Lösung ein sozialpolitisches Problem ersten Ranges in sich schließt und deshalb eine gründliche Untersuchung der sozialen Zustände im deutschen Beamtentum nach ihrer materiellen wie nach ihrer ethischen Seite zur Voraussetzung hat. Wie bei den meisten sozialpolitischen Fragen unsrer Zeit, so handelt es sich auch hier um eine Massenfrage. Mit der Ausdehnung der staatswirtschaft¬ lichen Betriebe, insbesondre der Post und der Eisenbahn, ist der Staat der größte Arbeitgeber geworden. Die gewaltigen Summen, mit denen schon eine kleine Erhöhung der Gehälter das Staatsbudget belastet, bilden hierfür den besten Gradmesser. Was aber die Wichtigkeit dieser Frage über sonstige Massenfragen weit hinaushebt, das ist die Bedeutung des Beamtentums unsrer Nation. Während fast alle Teile der frühern Mittelstände in eine rückläufige Bewegung geraten sind, ist der Beamtenstand mit der zunehmenden Betätigung des Staates auf Gebieten aller Art an Zahl und an Einfluß bedeutend gewachsen. Me dem sich neu bildenden Stand der Privatbeamten stellt er den wichtigsten Teil des heutigen Mittelstandes dar, einen kräftigen Puffer zwischen Proletariat einerseits, Geld- und Geburtsaristokratie andrerseits. Die gesellschaftliche Stellung dieses einflußreichen Volksteils bringt es mit sich, daß die Lebensführung der Beamten vielfach von vorbildlicher Wirkung aus andre Stände ist. Gerade dieser Umstand erhebt die Frage über die Gestaltung der Beamtenverhältnisse zu besondrer politischer Bedeutung. Mit der Möglichkeit, in die Lebensverhältnisse seiner Beamten durch die Gehaltsregelung einzugreifen, ist in die Hand des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/83>, abgerufen am 22.07.2024.