Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.Menschlichkeit leißtuelr und vielleicht leilaod steckt, womit das den Leib bedeckende Bett¬ Und das Wort menseli selbst? Auch dieses gibt sich bei näherer Betrachtung Grenzboten 1 1908 74
Menschlichkeit leißtuelr und vielleicht leilaod steckt, womit das den Leib bedeckende Bett¬ Und das Wort menseli selbst? Auch dieses gibt sich bei näherer Betrachtung Grenzboten 1 1908 74
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0581" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/311664"/> <fw type="header" place="top"> Menschlichkeit</fw><lb/> <p xml:id="ID_2716" prev="#ID_2715"> leißtuelr und vielleicht leilaod steckt, womit das den Leib bedeckende Bett¬<lb/> tuch gemeint ist. Nun denke man sich aber einen menschlichen oder tierischen<lb/> Körper als Zeichnung ans eine Fläche gebracht, dann lag es nahe genug,<lb/> das Abbild gerade so zu bezeichnen wie das Original selbst. So gelangte<lb/> ihne (Ilely zu der Bedeutung von Bild; schon in der gotischen Bibelüber¬<lb/> setzung wird inanleilca (eigentlich Menschenleib) gebraucht, um das Bild des<lb/> Kaisers auf den römischen Münzen zu bezeichnen, auch das althochdeutsche<lb/> nmnüccko oder insimliolio bekommt diesen Sinn. Das angelsächsische inanlieA<lb/> bezeichnet eine Statue, auch ein Götzenbild, und eotorNe (ebenfalls angelsächsisch)<lb/> meinte das Ebenbild, das ist die bekannte Helmzier der germanischen Krieger.<lb/> Ausdrücke wie markten, KinMoli, w!p-lion sind zunächst eines Mannes, eines<lb/> Kindes, eines Weibes Bild, konnten dann aber auch leicht zur Charakteristik<lb/> eiuer bestimmten Persönlichkeit verwandt werden; sie wurden zuletzt als Adjektiv«<lb/> verwandt, wie das auch mit dem gotischen ZAteiKs und dem althochdeutscher<lb/> gelieli, d. i. oonkormis (eigentlich oontornr-i,) geschehen war. Solche Übergänge<lb/> kennen mich andre Sprachen, man denke etwa an das griechische F«At^o^<lb/> oder e^6et//til^ und das lateinische irmSNtwiinus. Auch im Deutschen ist dieser<lb/> Funktionswandel nicht unerhört. Die Adjektiv« reiolr, troum, ernst galten<lb/> ehemals als Hauptwörter, wie noch jetzt ernst in zwiefacher Funktion erscheint,<lb/> und in Wendungen wie es ist sonkäe, es ist not, es ist selinuvve empfinden<lb/> wir die gebrauchten Ausdrücke kaum noch als Substantiv«, wie denn auch in<lb/> dem Goethischen Worte: Weg du Traum, so Gold dn bist, Gold auf der Grenz¬<lb/> scheide zwischen Adjektiv und Substantiv steht, nur daß bei diesen Wörtern<lb/> die attributive Verwendung ausgeschlossen blieb (solrscle allerdings ist im Mittel¬<lb/> hochdeutschen auch als Attribut verwandt worden). War der Typus nnn ein¬<lb/> mal geschaffen, so wurde er verbreitet durch die Analogie. Alle möglichen Sub¬<lb/> stantiv«, namentlich «bstrcikte wie gönnt, I^lZ, nein, Zetallr und viele «ndre<lb/> eignen sich die neue Bildnngssilbe kiekt «n, ebenso Adjektiv« wie KiülZ, Klein,<lb/> sellvsr, leiotrt, wodurch eine Modifikation des Grundbegriffs hervorgebracht<lb/> wird, sogar zwei Adverbien «6 und vio l>e) gehn diese Verbindung ein, die<lb/> Pronomina solch und welch sind die Produkte dieser Einigung. Schließlich folgen<lb/> auch Verbalstämme der Analogie. Ausdrücke wie wulioti, veräobtliok, de-<lb/> grsikliolr usw. bezeichnen die Möglichkeit der im Verbalbegriff enthaltnen<lb/> Tätigkeit, das ist die letzte Schicht der hierher gehörigen Bildungen. Und so<lb/> wäre denn das Wort mensokliok so viel wie meuscheugleich oder menschen¬<lb/> ähnlich.</p><lb/> <p xml:id="ID_2717" next="#ID_2718"> Und das Wort menseli selbst? Auch dieses gibt sich bei näherer Betrachtung<lb/> als eine Verbindung zu erkennen, gebildet ans dem Grnndwortc irmnn und dem<lb/> Anhängsel isle. Was dieses eigentlich sagen will, ist unbekannt. Ob es ein<lb/> Vollwort war wie die beiden andern besprochnen Bildnngssilben, wissen wir<lb/> nicht. In Zusammensetzungen drückte es wohl eigentlich die Herkunft «us, w«s<lb/> nicht mir aus Adjektiven wie englisell, spanisoli, sondern auch aus andern wie</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten 1 1908 74</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0581]
Menschlichkeit
leißtuelr und vielleicht leilaod steckt, womit das den Leib bedeckende Bett¬
tuch gemeint ist. Nun denke man sich aber einen menschlichen oder tierischen
Körper als Zeichnung ans eine Fläche gebracht, dann lag es nahe genug,
das Abbild gerade so zu bezeichnen wie das Original selbst. So gelangte
ihne (Ilely zu der Bedeutung von Bild; schon in der gotischen Bibelüber¬
setzung wird inanleilca (eigentlich Menschenleib) gebraucht, um das Bild des
Kaisers auf den römischen Münzen zu bezeichnen, auch das althochdeutsche
nmnüccko oder insimliolio bekommt diesen Sinn. Das angelsächsische inanlieA
bezeichnet eine Statue, auch ein Götzenbild, und eotorNe (ebenfalls angelsächsisch)
meinte das Ebenbild, das ist die bekannte Helmzier der germanischen Krieger.
Ausdrücke wie markten, KinMoli, w!p-lion sind zunächst eines Mannes, eines
Kindes, eines Weibes Bild, konnten dann aber auch leicht zur Charakteristik
eiuer bestimmten Persönlichkeit verwandt werden; sie wurden zuletzt als Adjektiv«
verwandt, wie das auch mit dem gotischen ZAteiKs und dem althochdeutscher
gelieli, d. i. oonkormis (eigentlich oontornr-i,) geschehen war. Solche Übergänge
kennen mich andre Sprachen, man denke etwa an das griechische F«At^o^
oder e^6et//til^ und das lateinische irmSNtwiinus. Auch im Deutschen ist dieser
Funktionswandel nicht unerhört. Die Adjektiv« reiolr, troum, ernst galten
ehemals als Hauptwörter, wie noch jetzt ernst in zwiefacher Funktion erscheint,
und in Wendungen wie es ist sonkäe, es ist not, es ist selinuvve empfinden
wir die gebrauchten Ausdrücke kaum noch als Substantiv«, wie denn auch in
dem Goethischen Worte: Weg du Traum, so Gold dn bist, Gold auf der Grenz¬
scheide zwischen Adjektiv und Substantiv steht, nur daß bei diesen Wörtern
die attributive Verwendung ausgeschlossen blieb (solrscle allerdings ist im Mittel¬
hochdeutschen auch als Attribut verwandt worden). War der Typus nnn ein¬
mal geschaffen, so wurde er verbreitet durch die Analogie. Alle möglichen Sub¬
stantiv«, namentlich «bstrcikte wie gönnt, I^lZ, nein, Zetallr und viele «ndre
eignen sich die neue Bildnngssilbe kiekt «n, ebenso Adjektiv« wie KiülZ, Klein,
sellvsr, leiotrt, wodurch eine Modifikation des Grundbegriffs hervorgebracht
wird, sogar zwei Adverbien «6 und vio l>e) gehn diese Verbindung ein, die
Pronomina solch und welch sind die Produkte dieser Einigung. Schließlich folgen
auch Verbalstämme der Analogie. Ausdrücke wie wulioti, veräobtliok, de-
grsikliolr usw. bezeichnen die Möglichkeit der im Verbalbegriff enthaltnen
Tätigkeit, das ist die letzte Schicht der hierher gehörigen Bildungen. Und so
wäre denn das Wort mensokliok so viel wie meuscheugleich oder menschen¬
ähnlich.
Und das Wort menseli selbst? Auch dieses gibt sich bei näherer Betrachtung
als eine Verbindung zu erkennen, gebildet ans dem Grnndwortc irmnn und dem
Anhängsel isle. Was dieses eigentlich sagen will, ist unbekannt. Ob es ein
Vollwort war wie die beiden andern besprochnen Bildnngssilben, wissen wir
nicht. In Zusammensetzungen drückte es wohl eigentlich die Herkunft «us, w«s
nicht mir aus Adjektiven wie englisell, spanisoli, sondern auch aus andern wie
Grenzboten 1 1908 74
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |