Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.Menschlichkeit welchem Verhältnis steht sie zu dem verbleibenden Rest? Man hält sie auf alle Arten, wiedergegeben hat. Und mit negativem Pronomen heißt es in Wenn nun aber der Fall eintrat, daß das erste Glied der Komposition Menschlichkeit welchem Verhältnis steht sie zu dem verbleibenden Rest? Man hält sie auf alle Arten, wiedergegeben hat. Und mit negativem Pronomen heißt es in Wenn nun aber der Fall eintrat, daß das erste Glied der Komposition <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0578" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/311661"/> <fw type="header" place="top"> Menschlichkeit</fw><lb/> <p xml:id="ID_2706" prev="#ID_2705"> welchem Verhältnis steht sie zu dem verbleibenden Rest? Man hält sie auf<lb/> den ersten Blick natürlich für ein einheitliches Wortelement. Aber dem be¬<lb/> waffneten Auge stellt sich die Sache anders dar. Die Silbe keit ist aus zwei<lb/> Elementen zusammengewachsen, aus dem durch den Buchstaben c oder k be¬<lb/> zeichneten Gutturallaut und der aus Wörtern wie Kindheit oder Christenheit<lb/> bekannten Bildungssilbe heit. Diese hat sich als selbständiges Vollwort etwa<lb/> bis zum zweiten Jahrtausend unsrer Zeitrechnung behauptet und dauert in<lb/> Mundarten bis ans den heutigen Tag, und es bedeutete die Art und Weise,<lb/> die Beschaffenheit eines Gegenstandes oder einer Person, auch die Person<lb/> selbst. So auch im Gotischen das vollere Wort IiMus, sodaß Wulfila das<lb/> griechische r^o-ry) durch aUaim daläura, das ist die Mehrzahl: auf</p><lb/> <p xml:id="ID_2707"> alle Arten, wiedergegeben hat. Und mit negativem Pronomen heißt es in<lb/> Otfrids Krist 21 viksineru Kens, d. i. »ullo nioäo, auf keine Weise, durchaus<lb/> nicht, alls tdris dsits meint die drei Personen der Trinitüt, und sbsndsit<lb/> ist 80«jali8, der Genosse. Auch in der Neuzeit kommen Wendungen vor wie:<lb/> von MN^ör man von Jugend auf oder in svKimxtW Kalt — scherzweise und so<lb/> fort. Aber in vorhistorischer Zeit muß das Wort einmal den Glanz, die<lb/> Helligkeit bedeutet haben, das beweist schon seine Verwandtschaft mit dem<lb/> Adjektivum heiter, worin sich der Grundsinn unverändert behauptet hat. Heute<lb/> lebt das alte Wort in gesonderter Existenz eigentlich nur noch in den nordischen<lb/> Sprachen fort; es stellt sich im Isländischen als Ksiär, im Schwedischen<lb/> als Keäsr, im Dänischen als dsiäsr dar, das sind die lautgesetzlichen Ent¬<lb/> sprechungen des eben erwähnten gotischen talauf. Man versteht darunter<lb/> heute „die Ehre", eine leicht begreifliche Metapher des Grundbegriffs. Das<lb/> gleichnamige Adjektivum Ksiär hat im Isländischen wenigstens die Grund¬<lb/> bedeutung des Glanzes wie das deutsche „heiter" gewahrt. Auf deutschem<lb/> Boden aber hat das alte Wort, in der Schriftsprache wenigstens, seine<lb/> Selbständigkeit völlig eingebüßt; es ist zur Bildungssilbe erstarrt und drückt<lb/> dann die Wesenheit oder den Zustand des in dem Grundworte liegende» Be¬<lb/> griffs aus. So bezeichnet Kindheit den Zustand des Kindseins, Kühnheit<lb/> den des Kühnseins usw. In gleicher Weise sind die englischen Bildungen<lb/> vliilänooä, voirikmnooä usw. zu erkläre», deren zweiter Bestandteil aus dem<lb/> angelsächsischen b.Z.6 — dsit hervorgegangen ist. Einfache Entlehnung aus dein<lb/> Niederdeutschen ist das schwedisch-dänische Kot in Ausdrücken wie kostet oder<lb/> g-rtiZKst oder almL-übst und so fort.</p><lb/> <p xml:id="ID_2708" next="#ID_2709"> Wenn nun aber der Fall eintrat, daß das erste Glied der Komposition<lb/> eines der mit der Bildungssilbe so oder lo (später i^) gebildeten Adjektiv«<lb/> wie soso oder Ksilso oder 8aslso u. a. war, so verwuchs das Suffixum uhn<lb/> mit dem gutturalen Ausland des Grundwortes zu unorganischer Einheit.<lb/> Anstatt Ksilso-Iisit, 8g.s1co-b.sit, svsob.sit sprach man, indem man das 0 zur<lb/> Bildungssilbe herüberzog, KsilsKsit, 8As1sKsit, sveksit. Der Aussprache folgte<lb/> die Schreibung, und man findet die Ligatur schon in Handschriften des drei-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0578]
Menschlichkeit
welchem Verhältnis steht sie zu dem verbleibenden Rest? Man hält sie auf
den ersten Blick natürlich für ein einheitliches Wortelement. Aber dem be¬
waffneten Auge stellt sich die Sache anders dar. Die Silbe keit ist aus zwei
Elementen zusammengewachsen, aus dem durch den Buchstaben c oder k be¬
zeichneten Gutturallaut und der aus Wörtern wie Kindheit oder Christenheit
bekannten Bildungssilbe heit. Diese hat sich als selbständiges Vollwort etwa
bis zum zweiten Jahrtausend unsrer Zeitrechnung behauptet und dauert in
Mundarten bis ans den heutigen Tag, und es bedeutete die Art und Weise,
die Beschaffenheit eines Gegenstandes oder einer Person, auch die Person
selbst. So auch im Gotischen das vollere Wort IiMus, sodaß Wulfila das
griechische r^o-ry) durch aUaim daläura, das ist die Mehrzahl: auf
alle Arten, wiedergegeben hat. Und mit negativem Pronomen heißt es in
Otfrids Krist 21 viksineru Kens, d. i. »ullo nioäo, auf keine Weise, durchaus
nicht, alls tdris dsits meint die drei Personen der Trinitüt, und sbsndsit
ist 80«jali8, der Genosse. Auch in der Neuzeit kommen Wendungen vor wie:
von MN^ör man von Jugend auf oder in svKimxtW Kalt — scherzweise und so
fort. Aber in vorhistorischer Zeit muß das Wort einmal den Glanz, die
Helligkeit bedeutet haben, das beweist schon seine Verwandtschaft mit dem
Adjektivum heiter, worin sich der Grundsinn unverändert behauptet hat. Heute
lebt das alte Wort in gesonderter Existenz eigentlich nur noch in den nordischen
Sprachen fort; es stellt sich im Isländischen als Ksiär, im Schwedischen
als Keäsr, im Dänischen als dsiäsr dar, das sind die lautgesetzlichen Ent¬
sprechungen des eben erwähnten gotischen talauf. Man versteht darunter
heute „die Ehre", eine leicht begreifliche Metapher des Grundbegriffs. Das
gleichnamige Adjektivum Ksiär hat im Isländischen wenigstens die Grund¬
bedeutung des Glanzes wie das deutsche „heiter" gewahrt. Auf deutschem
Boden aber hat das alte Wort, in der Schriftsprache wenigstens, seine
Selbständigkeit völlig eingebüßt; es ist zur Bildungssilbe erstarrt und drückt
dann die Wesenheit oder den Zustand des in dem Grundworte liegende» Be¬
griffs aus. So bezeichnet Kindheit den Zustand des Kindseins, Kühnheit
den des Kühnseins usw. In gleicher Weise sind die englischen Bildungen
vliilänooä, voirikmnooä usw. zu erkläre», deren zweiter Bestandteil aus dem
angelsächsischen b.Z.6 — dsit hervorgegangen ist. Einfache Entlehnung aus dein
Niederdeutschen ist das schwedisch-dänische Kot in Ausdrücken wie kostet oder
g-rtiZKst oder almL-übst und so fort.
Wenn nun aber der Fall eintrat, daß das erste Glied der Komposition
eines der mit der Bildungssilbe so oder lo (später i^) gebildeten Adjektiv«
wie soso oder Ksilso oder 8aslso u. a. war, so verwuchs das Suffixum uhn
mit dem gutturalen Ausland des Grundwortes zu unorganischer Einheit.
Anstatt Ksilso-Iisit, 8g.s1co-b.sit, svsob.sit sprach man, indem man das 0 zur
Bildungssilbe herüberzog, KsilsKsit, 8As1sKsit, sveksit. Der Aussprache folgte
die Schreibung, und man findet die Ligatur schon in Handschriften des drei-
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