Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.Biologischer Unterricht in den HchüIrN erkennen läßt, nicht sowohl -- wenigstens nicht an erster Stelle --?- zur Ge¬ Abzuweisen ist der Gedanke, daß ein Naturgeschichtslehrcr anstatt eines Biologischer Unterricht in den HchüIrN erkennen läßt, nicht sowohl — wenigstens nicht an erster Stelle —?- zur Ge¬ Abzuweisen ist der Gedanke, daß ein Naturgeschichtslehrcr anstatt eines <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0566" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/311649"/> <fw type="header" place="top"> Biologischer Unterricht in den HchüIrN</fw><lb/> <p xml:id="ID_2680" prev="#ID_2679"> erkennen läßt, nicht sowohl — wenigstens nicht an erster Stelle —?- zur Ge¬<lb/> winnung materieller Güter und Vorteile, als vielmehr zur Ermöglichung eines<lb/> sittlichen Wirkens und Schaffens, zur Erlangung und Bewahrung von Ruhe<lb/> und Frieden in sich selbst. Jene Grundlage würde unvollkommen und schwankend<lb/> sein, solange sie nicht das Verständnis für die Vorgänge in der Natur, für<lb/> das Entstehen und Vergehen ihrer Erscheinungen, erschließt. Darum ist es uns<lb/> unverständlich, wie man den naturgeschichtlichen Unterricht hat auf die mittlern<lb/> und untern Klassen beschränken können. Was soll ohne ihn die ganze Be¬<lb/> schäftigung mit dem klassischen Altertum nutzen, dessen Wesen so sehr auf der<lb/> Naturanschauung beruht, dem die Naturbetrachtung geradezu als „Weisheit"<lb/> galt. Auf völlig unsicherm Boden würde der Gymnasialzögling stehn, der in<lb/> die Welt hinausgeschickt würde ohne eine Aufklärung über den Stand der<lb/> Biologie, die im engsten Zusammenhange steht mit Glauben und Moral. Aber,<lb/> wohlgemerkt, Aufklärung verlangen wir, das heißt eine objektive Darstellung<lb/> der biologischen Forschung, ihrer Anfänge und Fortschritte und ihres jetzigen<lb/> Standes unter Darlegung der im Laufe der Zeit ausgestellten und verworfnen<lb/> Theorien und der heute einander gegenüberstehenden Hauptmeinungen ein¬<lb/> schließlich der an sie von der einen und von der andern Seite geknüpfte»<lb/> Folgerungen für den Gottesglauben und die Moral. Das wäre eine Aufgabe,<lb/> zu deren Lösung sich der naturwissenschaftliche und der Religionsunterricht ver¬<lb/> binden müßten.</p><lb/> <p xml:id="ID_2681" next="#ID_2682"> Abzuweisen ist der Gedanke, daß ein Naturgeschichtslehrcr anstatt eines<lb/> objektiven Referats seine eigne Auffassung vortragen, etwa als ein begeisterter<lb/> Anhänger Häckels nach Art des Dreyerschen „Probekandidaten" seine Schüler<lb/> in das gelobte Land des Monismus einführen dürfte. Mancher Naturforscher<lb/> mag sich der Aussicht auf den biologischen Unterricht wohl freuen, weil er<lb/> denkt, daß in ihm die freie Lehre der Wissenschaft herrschen solle. Solche<lb/> Vorstellungen sind möglich, das beweist das soeben erwähnte Theaterstück und<lb/> seine Aufnahme. Aber die Lehrfreiheit hat doch nur Sinn in Verbindung mit<lb/> der Lernfreiheit, d. h. nur da kann die freie Lehre der eignen Meinung ge¬<lb/> stattet werden, wo es freisteht, sie anzuhören oder nicht; sie für den Gymnasial¬<lb/> lehrer zu fordern, ist eine Unvernunft schon angesichts des zwar nicht gesetzlich<lb/> aber doch tatsächlich für die bessern Kreise bestehenden Zwanges zum Besuche<lb/> der Gymnasien; der Staat, der durch die Forderung des Reifezeugnisses für<lb/> viele Berufe diesen Zwang eingeführt hat, kann die Lehrfreiheit auf den Gym¬<lb/> nasien nicht dulden. Man denke sich nur ein Gymnasium, in dessen ver-<lb/> schiednen Klassen je nach der Überzeugung des einzelnen Lehrers preußische<lb/> Geschichte bald im Geiste Treitschkes, bald im Geiste Ouro Klopps gelehrt, im<lb/> Religionsunterricht bald pietistische, bald atheistische, bald okkultistische An¬<lb/> schauungen vorgetragen würden. Auch dem Gymnasiallehrer steht es frei,<lb/> seiner Überzeugung gemäß zu lehren, er muß sich aber, wenn das. was er in<lb/> der Schule vortragen soll, mit seiner Überzeugung unvereinbar ist, den Hörer</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0566]
Biologischer Unterricht in den HchüIrN
erkennen läßt, nicht sowohl — wenigstens nicht an erster Stelle —?- zur Ge¬
winnung materieller Güter und Vorteile, als vielmehr zur Ermöglichung eines
sittlichen Wirkens und Schaffens, zur Erlangung und Bewahrung von Ruhe
und Frieden in sich selbst. Jene Grundlage würde unvollkommen und schwankend
sein, solange sie nicht das Verständnis für die Vorgänge in der Natur, für
das Entstehen und Vergehen ihrer Erscheinungen, erschließt. Darum ist es uns
unverständlich, wie man den naturgeschichtlichen Unterricht hat auf die mittlern
und untern Klassen beschränken können. Was soll ohne ihn die ganze Be¬
schäftigung mit dem klassischen Altertum nutzen, dessen Wesen so sehr auf der
Naturanschauung beruht, dem die Naturbetrachtung geradezu als „Weisheit"
galt. Auf völlig unsicherm Boden würde der Gymnasialzögling stehn, der in
die Welt hinausgeschickt würde ohne eine Aufklärung über den Stand der
Biologie, die im engsten Zusammenhange steht mit Glauben und Moral. Aber,
wohlgemerkt, Aufklärung verlangen wir, das heißt eine objektive Darstellung
der biologischen Forschung, ihrer Anfänge und Fortschritte und ihres jetzigen
Standes unter Darlegung der im Laufe der Zeit ausgestellten und verworfnen
Theorien und der heute einander gegenüberstehenden Hauptmeinungen ein¬
schließlich der an sie von der einen und von der andern Seite geknüpfte»
Folgerungen für den Gottesglauben und die Moral. Das wäre eine Aufgabe,
zu deren Lösung sich der naturwissenschaftliche und der Religionsunterricht ver¬
binden müßten.
Abzuweisen ist der Gedanke, daß ein Naturgeschichtslehrcr anstatt eines
objektiven Referats seine eigne Auffassung vortragen, etwa als ein begeisterter
Anhänger Häckels nach Art des Dreyerschen „Probekandidaten" seine Schüler
in das gelobte Land des Monismus einführen dürfte. Mancher Naturforscher
mag sich der Aussicht auf den biologischen Unterricht wohl freuen, weil er
denkt, daß in ihm die freie Lehre der Wissenschaft herrschen solle. Solche
Vorstellungen sind möglich, das beweist das soeben erwähnte Theaterstück und
seine Aufnahme. Aber die Lehrfreiheit hat doch nur Sinn in Verbindung mit
der Lernfreiheit, d. h. nur da kann die freie Lehre der eignen Meinung ge¬
stattet werden, wo es freisteht, sie anzuhören oder nicht; sie für den Gymnasial¬
lehrer zu fordern, ist eine Unvernunft schon angesichts des zwar nicht gesetzlich
aber doch tatsächlich für die bessern Kreise bestehenden Zwanges zum Besuche
der Gymnasien; der Staat, der durch die Forderung des Reifezeugnisses für
viele Berufe diesen Zwang eingeführt hat, kann die Lehrfreiheit auf den Gym¬
nasien nicht dulden. Man denke sich nur ein Gymnasium, in dessen ver-
schiednen Klassen je nach der Überzeugung des einzelnen Lehrers preußische
Geschichte bald im Geiste Treitschkes, bald im Geiste Ouro Klopps gelehrt, im
Religionsunterricht bald pietistische, bald atheistische, bald okkultistische An¬
schauungen vorgetragen würden. Auch dem Gymnasiallehrer steht es frei,
seiner Überzeugung gemäß zu lehren, er muß sich aber, wenn das. was er in
der Schule vortragen soll, mit seiner Überzeugung unvereinbar ist, den Hörer
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