Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches sähe und Ideale in der gegenwärtigen politischen Lage besser sichern, ob durch Man hat die Befürchtung gehegt, die Blockpolitik werde durch die Aus¬ Gumerkwürdiger Lärm hat sich neuerdings erhoben über einen Privatbrief Maßgebliches und Unmaßgebliches sähe und Ideale in der gegenwärtigen politischen Lage besser sichern, ob durch Man hat die Befürchtung gehegt, die Blockpolitik werde durch die Aus¬ Gumerkwürdiger Lärm hat sich neuerdings erhoben über einen Privatbrief <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0551" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/311632"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_2637" prev="#ID_2636"> sähe und Ideale in der gegenwärtigen politischen Lage besser sichern, ob durch<lb/> eigensinnige Hervorkehrung der trennenden Momente oder durch verständiges Nach¬<lb/> geben in allen den Fragen, deren Eigenart darauf hinweist, daß eine positive<lb/> Leistung notwendig zustande kommen muß. oder daß ein von rechts und links als<lb/> gemeinschädlich erkannter Einfluß zurückgedrängt werden soll. Trotz allen Bedenken<lb/> und Protesten in der dem Block abgeneigten Presse, trotz allen Intrigen des Zen¬<lb/> trums und trotz den wütenden Angriffen der Sozialdemokratie haben die bisherigen<lb/> Reichstagsverhandluugen nicht den Beweis der Undurchführbarkeit der Blockpolitik<lb/> geliefert, sondern gerade das Gegenteil dargetan. Das einzige Störende ist<lb/> bis jetzt die Agitation für die Reform des preußischen Wahlrechts gewesen. Man<lb/> muß aber auch hier genau unterscheiden zwischen der Agitation, die die liberalen<lb/> Parteien im Lande für eine ihrem Programm entsprechende Idee betreiben, und<lb/> die auch der Gegner als berechtigt anerkennen muß, und den Verirrungen der<lb/> Agitation, die aus der Wahlrechtsreform eine Bedingung der Blockpolitik machen<lb/> wollen und das ablehnende Verhalten der preußischen Regierung als eine Ab¬<lb/> wendung des Fürsten Bülow von seiner eignen Idee darstellen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2638"> Man hat die Befürchtung gehegt, die Blockpolitik werde durch die Aus¬<lb/> schaltung des Zentrums aus der Reihe der Parteien, auf die die Regierung in<lb/> nationalen Fragen rechnet, auf die Entwicklung der Sozialpolitik einen ungünstigen<lb/> Einfluß ausübe». In Zentrumskreisen hat man besonders im letzten Sommer alle<lb/> Minen springen lassen, um den Rücktritt des Grafen Posadowsky in diesem Sinne<lb/> zu deuten und auszubeuten. Die gegenwärtigen Beratungen im Reichstage zeigen,<lb/> daß diese Besorgnis unbegründet war. Herr v. Bethmann-Hollweg geht denselben<lb/> Weg. den Graf Posadowsky gegangen ist, und findet dabei dieselben Mitarbeiter.<lb/> Daß in seinen Ausführungen eine andre persönliche Schattierung ist, ändert so gut<lb/> wie nichts an der Sache. Man debattiert über diese Fragen genau so wie früher,<lb/> und auch das Zentrum hat darin seine sachliche Haltung um nichts geändert. So¬<lb/> eben liegt die erste Beratung des sogenannten „kleinen Befähigungsnachweises"<lb/> hinter uns. jener Bestimmungen, die das Recht, Lehrlinge auszubilden, nur den ge¬<lb/> prüften Meistern zuerkennt. Diese Borlage ist bekanntlich vom Grafen Posadowsky<lb/> schon angekündigt und vertreten worden. Bemerkenswert war auch der Verlauf<lb/> der Beratungen über die Gewerbeordnung, insbesondre die Bestimmungen über<lb/> die Heimarbeit. Ohne irgendwie unter das Schema der Blockpoliti zu fallen,<lb/> geben sie doch ein Beispiel, wie Fragen der praktischen Politik losgelöst von allen<lb/> Parteitendenzen behandelt werden können. Friedrich Naumann ist in Angelegen¬<lb/> heiten der allgemeinen Politik gewiß nicht nach jedermanns Ge chmack aber seine<lb/> neuliche Rede über die Verhältnisse der Hausindustrie war em kleines Meisterstück<lb/> aus der Schule reichhaltiger praktischer Erfahrung und ebenso scharfer wie ver¬<lb/> ständnisvoller und warmherziger Beobachtung der Wirklichkeit. Als solches wurde<lb/> die Rede auch von den, Staatssekretär und manchem entschiednen Gegner ge-<lb/> "^</p><lb/> <p xml:id="ID_2639" next="#ID_2640"> Gumerkwürdiger Lärm hat sich neuerdings erhoben über einen Privatbrief<lb/> des Kaisers an ein Mitglied des englischen Kabinetts, den Ersten Lord der Ad¬<lb/> miralität Lord Tweedmouth. Die Sache ist nach zwei Seiten hin in eressant. Erstens<lb/> zeigt es sich, wie leicht es heutzutage ist, die Öffentlichkeit um ein Nichts in Er-<lb/> regung zu versetzen, wenn nur mit der nötigen Dreistigkeit ewe ganz gewöhnliche<lb/> und harmlose Sache zu einem ganz unerhörten, nie dagewesenen Vorgang aufgebauscht<lb/> wird. Daß ein regierender Herr mit hervorragenden Persönlichkeiten eines andern<lb/> Landes gelegentlich in Briefwechsel tritt, ist etwas, woran bisher noch niemand Anstoß<lb/> genommen hat. Seit Menschengedenken ist dergleichen etwas ganz Gewöhnliches.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0551]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
sähe und Ideale in der gegenwärtigen politischen Lage besser sichern, ob durch
eigensinnige Hervorkehrung der trennenden Momente oder durch verständiges Nach¬
geben in allen den Fragen, deren Eigenart darauf hinweist, daß eine positive
Leistung notwendig zustande kommen muß. oder daß ein von rechts und links als
gemeinschädlich erkannter Einfluß zurückgedrängt werden soll. Trotz allen Bedenken
und Protesten in der dem Block abgeneigten Presse, trotz allen Intrigen des Zen¬
trums und trotz den wütenden Angriffen der Sozialdemokratie haben die bisherigen
Reichstagsverhandluugen nicht den Beweis der Undurchführbarkeit der Blockpolitik
geliefert, sondern gerade das Gegenteil dargetan. Das einzige Störende ist
bis jetzt die Agitation für die Reform des preußischen Wahlrechts gewesen. Man
muß aber auch hier genau unterscheiden zwischen der Agitation, die die liberalen
Parteien im Lande für eine ihrem Programm entsprechende Idee betreiben, und
die auch der Gegner als berechtigt anerkennen muß, und den Verirrungen der
Agitation, die aus der Wahlrechtsreform eine Bedingung der Blockpolitik machen
wollen und das ablehnende Verhalten der preußischen Regierung als eine Ab¬
wendung des Fürsten Bülow von seiner eignen Idee darstellen.
Man hat die Befürchtung gehegt, die Blockpolitik werde durch die Aus¬
schaltung des Zentrums aus der Reihe der Parteien, auf die die Regierung in
nationalen Fragen rechnet, auf die Entwicklung der Sozialpolitik einen ungünstigen
Einfluß ausübe». In Zentrumskreisen hat man besonders im letzten Sommer alle
Minen springen lassen, um den Rücktritt des Grafen Posadowsky in diesem Sinne
zu deuten und auszubeuten. Die gegenwärtigen Beratungen im Reichstage zeigen,
daß diese Besorgnis unbegründet war. Herr v. Bethmann-Hollweg geht denselben
Weg. den Graf Posadowsky gegangen ist, und findet dabei dieselben Mitarbeiter.
Daß in seinen Ausführungen eine andre persönliche Schattierung ist, ändert so gut
wie nichts an der Sache. Man debattiert über diese Fragen genau so wie früher,
und auch das Zentrum hat darin seine sachliche Haltung um nichts geändert. So¬
eben liegt die erste Beratung des sogenannten „kleinen Befähigungsnachweises"
hinter uns. jener Bestimmungen, die das Recht, Lehrlinge auszubilden, nur den ge¬
prüften Meistern zuerkennt. Diese Borlage ist bekanntlich vom Grafen Posadowsky
schon angekündigt und vertreten worden. Bemerkenswert war auch der Verlauf
der Beratungen über die Gewerbeordnung, insbesondre die Bestimmungen über
die Heimarbeit. Ohne irgendwie unter das Schema der Blockpoliti zu fallen,
geben sie doch ein Beispiel, wie Fragen der praktischen Politik losgelöst von allen
Parteitendenzen behandelt werden können. Friedrich Naumann ist in Angelegen¬
heiten der allgemeinen Politik gewiß nicht nach jedermanns Ge chmack aber seine
neuliche Rede über die Verhältnisse der Hausindustrie war em kleines Meisterstück
aus der Schule reichhaltiger praktischer Erfahrung und ebenso scharfer wie ver¬
ständnisvoller und warmherziger Beobachtung der Wirklichkeit. Als solches wurde
die Rede auch von den, Staatssekretär und manchem entschiednen Gegner ge-
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Gumerkwürdiger Lärm hat sich neuerdings erhoben über einen Privatbrief
des Kaisers an ein Mitglied des englischen Kabinetts, den Ersten Lord der Ad¬
miralität Lord Tweedmouth. Die Sache ist nach zwei Seiten hin in eressant. Erstens
zeigt es sich, wie leicht es heutzutage ist, die Öffentlichkeit um ein Nichts in Er-
regung zu versetzen, wenn nur mit der nötigen Dreistigkeit ewe ganz gewöhnliche
und harmlose Sache zu einem ganz unerhörten, nie dagewesenen Vorgang aufgebauscht
wird. Daß ein regierender Herr mit hervorragenden Persönlichkeiten eines andern
Landes gelegentlich in Briefwechsel tritt, ist etwas, woran bisher noch niemand Anstoß
genommen hat. Seit Menschengedenken ist dergleichen etwas ganz Gewöhnliches.
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