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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Die großen ^eercsreformen in Frankreich

willige sind "ach dein neuen Gesetz unstatthaft -- nicht gestiegen, und die Zahl
vierjährig Freiwilliger sogar etwas zurückgegangen, dafür hätten sich aber fünf¬
jährig Freiwillige, namentlich bei der Kavallerie, in sehr großer Menge gemeldet,
was zweifellos als ein Fortschritt angesehn werden müsse. Anknüpfend sodann
an die Tatsache, daß die im Gesetz vom 21. Mürz 1905 als zulässig bezeichnete
Zahl von Korporalkapitulauten bisher noch nicht erreicht sei, geht der Bericht¬
erstatter nochmals auf die Gründe für diese Erscheinung ein und weist schließlich
auf das schon seit länger als Jahresfrist von ganz Frankreich mit Spannung
erwartete Kadergesetz hiu, das eine neue Gliederung des Heeres bringe" soll
und erst vor ganz kurzer Zeit der Öffentlichkeit übergeben worden ist. Daß das
Erscheinen des neuen Gesetzes solange auf sich hat warten lassen, findet wohl
zur Genüge seine Erklärung darin, daß es den entscheidenden Stellen nicht
leicht geworden sein kann, das veränderte militärische Bild Frankreichs, wie es
durch die Einführung der zweijährigen Dienstzeit entstanden ist, ins Praktische
zu übertragen und ohne Irrtümer die nötigen Konsequenzen zu ziehn. Begründet
wird die Notwendigkeit der Neuorganisation der Armee in dem einleitenden
Dekret des Gesetzentwurfs, wie schon eben kurz angedeutet, mit der durch die
verkürzte Dienstpflicht herbeigeführten neuen militärischen Lage. Sie kommt
nach zwei Richtungen zum Ausdruck. Als nächste Folge, daß sich der bisherige
Friedensstand des Heeres für die Zukunft nicht mehr aufrecht erhalten läßt,
sondern um 45000 Mann verringert, auf nur 534000 Mann festgesetzt werde"
kann. Und als späteres, günstigeres Resultat, daß der Kader der Reserveoffiziere,
der zurzeit sehr schwach ist und große Lücken aufweist, sowie die Formation
aller Reserven auf eine sichere Grundlage gestellt werden. Der Motivenbericht
führt dann fort, daß die Verminderung des Friedenseffektivs der Armee natürlich
Opfer fordere, daß man zwar nicht, wie einige Pessimisten voreilig gemeint
hätten, große Einheiten bis zum Armeekorps hinauf auflösen müsse, daß man
aber doch die Stärke bei verschiednen Truppenteilen herabsetzen oder sogar ganz
aufgeben werde, um dafür die erforderlichen Kräfte an andern notwendigern
Stellen zu gewinnen.

Wie diese allgemeinen Grundsätze in die Praxis übertragen worden sind,
das lehrt ein Einblick in die Einzelheiten des neuen Orgauisationsgesetzes.
Was zunächst die Veränderungen bei der Infanterie anlangt, so sind sie im
großen ganzen nicht sehr bedeutend. Durch das Zusammenfassen dritter und
vierter Bataillone hat man vierzehn "me Festungsinfanterieregimenter gebildet,
wodurch die bisherige Zahl der 158 Jnfanterieregimenter auf 173 gebracht
worden ist. Daß die Mehrzahl der noch vorhandnen vierten Bataillone auf¬
gelöst werden mußte, war ja schon bekannt. Aber nähere Angaben über die
vorläufig noch beibehaltnen vierten Bataillone hat erst das Budget des Kriegs¬
ministeriums für das Jahr 1908 gebracht. Danach sollen bestehn bleiben 8 vierte
Bataillone beim 4. Korps, 4 beim 7., 5 beim 15., darunter 1 auf Korsika,
1 beim 16. u"d 4 beim 20. Korps, zusammen 22 Bataillone, außerdem aber


Die großen ^eercsreformen in Frankreich

willige sind »ach dein neuen Gesetz unstatthaft — nicht gestiegen, und die Zahl
vierjährig Freiwilliger sogar etwas zurückgegangen, dafür hätten sich aber fünf¬
jährig Freiwillige, namentlich bei der Kavallerie, in sehr großer Menge gemeldet,
was zweifellos als ein Fortschritt angesehn werden müsse. Anknüpfend sodann
an die Tatsache, daß die im Gesetz vom 21. Mürz 1905 als zulässig bezeichnete
Zahl von Korporalkapitulauten bisher noch nicht erreicht sei, geht der Bericht¬
erstatter nochmals auf die Gründe für diese Erscheinung ein und weist schließlich
auf das schon seit länger als Jahresfrist von ganz Frankreich mit Spannung
erwartete Kadergesetz hiu, das eine neue Gliederung des Heeres bringe» soll
und erst vor ganz kurzer Zeit der Öffentlichkeit übergeben worden ist. Daß das
Erscheinen des neuen Gesetzes solange auf sich hat warten lassen, findet wohl
zur Genüge seine Erklärung darin, daß es den entscheidenden Stellen nicht
leicht geworden sein kann, das veränderte militärische Bild Frankreichs, wie es
durch die Einführung der zweijährigen Dienstzeit entstanden ist, ins Praktische
zu übertragen und ohne Irrtümer die nötigen Konsequenzen zu ziehn. Begründet
wird die Notwendigkeit der Neuorganisation der Armee in dem einleitenden
Dekret des Gesetzentwurfs, wie schon eben kurz angedeutet, mit der durch die
verkürzte Dienstpflicht herbeigeführten neuen militärischen Lage. Sie kommt
nach zwei Richtungen zum Ausdruck. Als nächste Folge, daß sich der bisherige
Friedensstand des Heeres für die Zukunft nicht mehr aufrecht erhalten läßt,
sondern um 45000 Mann verringert, auf nur 534000 Mann festgesetzt werde»
kann. Und als späteres, günstigeres Resultat, daß der Kader der Reserveoffiziere,
der zurzeit sehr schwach ist und große Lücken aufweist, sowie die Formation
aller Reserven auf eine sichere Grundlage gestellt werden. Der Motivenbericht
führt dann fort, daß die Verminderung des Friedenseffektivs der Armee natürlich
Opfer fordere, daß man zwar nicht, wie einige Pessimisten voreilig gemeint
hätten, große Einheiten bis zum Armeekorps hinauf auflösen müsse, daß man
aber doch die Stärke bei verschiednen Truppenteilen herabsetzen oder sogar ganz
aufgeben werde, um dafür die erforderlichen Kräfte an andern notwendigern
Stellen zu gewinnen.

Wie diese allgemeinen Grundsätze in die Praxis übertragen worden sind,
das lehrt ein Einblick in die Einzelheiten des neuen Orgauisationsgesetzes.
Was zunächst die Veränderungen bei der Infanterie anlangt, so sind sie im
großen ganzen nicht sehr bedeutend. Durch das Zusammenfassen dritter und
vierter Bataillone hat man vierzehn »me Festungsinfanterieregimenter gebildet,
wodurch die bisherige Zahl der 158 Jnfanterieregimenter auf 173 gebracht
worden ist. Daß die Mehrzahl der noch vorhandnen vierten Bataillone auf¬
gelöst werden mußte, war ja schon bekannt. Aber nähere Angaben über die
vorläufig noch beibehaltnen vierten Bataillone hat erst das Budget des Kriegs¬
ministeriums für das Jahr 1908 gebracht. Danach sollen bestehn bleiben 8 vierte
Bataillone beim 4. Korps, 4 beim 7., 5 beim 15., darunter 1 auf Korsika,
1 beim 16. u»d 4 beim 20. Korps, zusammen 22 Bataillone, außerdem aber


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[0454] Die großen ^eercsreformen in Frankreich willige sind »ach dein neuen Gesetz unstatthaft — nicht gestiegen, und die Zahl vierjährig Freiwilliger sogar etwas zurückgegangen, dafür hätten sich aber fünf¬ jährig Freiwillige, namentlich bei der Kavallerie, in sehr großer Menge gemeldet, was zweifellos als ein Fortschritt angesehn werden müsse. Anknüpfend sodann an die Tatsache, daß die im Gesetz vom 21. Mürz 1905 als zulässig bezeichnete Zahl von Korporalkapitulauten bisher noch nicht erreicht sei, geht der Bericht¬ erstatter nochmals auf die Gründe für diese Erscheinung ein und weist schließlich auf das schon seit länger als Jahresfrist von ganz Frankreich mit Spannung erwartete Kadergesetz hiu, das eine neue Gliederung des Heeres bringe» soll und erst vor ganz kurzer Zeit der Öffentlichkeit übergeben worden ist. Daß das Erscheinen des neuen Gesetzes solange auf sich hat warten lassen, findet wohl zur Genüge seine Erklärung darin, daß es den entscheidenden Stellen nicht leicht geworden sein kann, das veränderte militärische Bild Frankreichs, wie es durch die Einführung der zweijährigen Dienstzeit entstanden ist, ins Praktische zu übertragen und ohne Irrtümer die nötigen Konsequenzen zu ziehn. Begründet wird die Notwendigkeit der Neuorganisation der Armee in dem einleitenden Dekret des Gesetzentwurfs, wie schon eben kurz angedeutet, mit der durch die verkürzte Dienstpflicht herbeigeführten neuen militärischen Lage. Sie kommt nach zwei Richtungen zum Ausdruck. Als nächste Folge, daß sich der bisherige Friedensstand des Heeres für die Zukunft nicht mehr aufrecht erhalten läßt, sondern um 45000 Mann verringert, auf nur 534000 Mann festgesetzt werde» kann. Und als späteres, günstigeres Resultat, daß der Kader der Reserveoffiziere, der zurzeit sehr schwach ist und große Lücken aufweist, sowie die Formation aller Reserven auf eine sichere Grundlage gestellt werden. Der Motivenbericht führt dann fort, daß die Verminderung des Friedenseffektivs der Armee natürlich Opfer fordere, daß man zwar nicht, wie einige Pessimisten voreilig gemeint hätten, große Einheiten bis zum Armeekorps hinauf auflösen müsse, daß man aber doch die Stärke bei verschiednen Truppenteilen herabsetzen oder sogar ganz aufgeben werde, um dafür die erforderlichen Kräfte an andern notwendigern Stellen zu gewinnen. Wie diese allgemeinen Grundsätze in die Praxis übertragen worden sind, das lehrt ein Einblick in die Einzelheiten des neuen Orgauisationsgesetzes. Was zunächst die Veränderungen bei der Infanterie anlangt, so sind sie im großen ganzen nicht sehr bedeutend. Durch das Zusammenfassen dritter und vierter Bataillone hat man vierzehn »me Festungsinfanterieregimenter gebildet, wodurch die bisherige Zahl der 158 Jnfanterieregimenter auf 173 gebracht worden ist. Daß die Mehrzahl der noch vorhandnen vierten Bataillone auf¬ gelöst werden mußte, war ja schon bekannt. Aber nähere Angaben über die vorläufig noch beibehaltnen vierten Bataillone hat erst das Budget des Kriegs¬ ministeriums für das Jahr 1908 gebracht. Danach sollen bestehn bleiben 8 vierte Bataillone beim 4. Korps, 4 beim 7., 5 beim 15., darunter 1 auf Korsika, 1 beim 16. u»d 4 beim 20. Korps, zusammen 22 Bataillone, außerdem aber

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/454>, abgerufen am 24.08.2024.