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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Die Mssion tai'qao Vran^Aso in lLhma

in der Lage ist, auf diesem Gebiet China die größten Dienste zu erweisen,
indem es jeden Gedanken an Landerwerb weit von sich weist und eine Politik
unbedingt loyaler, für beide Teile gleich vorteilhafter gemeinsamer Arbeit ein¬
führt." Das klingt ganz nach der Melodie, die für Marokko gesungen wird.
Wenn man aber trotzdem schließen kann, daß diesmal an der Aufrichtigkeit
der französischen Ziele nicht gezweifelt zu werden braucht, und daß die Dinge
zwischen Jndochina und China nicht denselben Gang gehn werden wie zwischen
Algerien und Marokko, so holt dieser Schluß seine hauptsächliche Begründung
aus der Feststellung, daß in China vierhundert Millionen Menschen wohnen,
und nicht wie in Marokko neun, und daß zweitens Japan nicht sehr weit
ist, das ja plötzlich das Banner "Asien den Asiaten" aufrollen kann. Und
wenn auch hier von der seit Marokko arg verpöntem pöNötrMon xg-oiLaus
die Rede ist, wie zum Beispiel erst vor ein paar Tagen in einem langen
Artikel der angesehenen und weit verbreiteten vsxßczns Oolonials, so ist es
sicher, daß in China mit dem Worte nicht der Mißbrauch getrieben werden
wird wie in Marokko, und daß mit ihm wirklich das gemeint ist, was
es besagt.

Die seit Jahren von Frankreich in China betriebne Politik "kultureller
Durchdringung", zivilisatorischer Pionierarbeit ist damit auch in voller Über¬
einstimmung. Ganz besonders seitdem unter dem Druck der antiklerikalen
Gesetzgebung in der Heimat ein totaler Umschwung der Anschauungen über
den Segen der Wirksamkeit der französischen katholischen Missionen im äußersten
Osten eingetreten ist. Nicht nur hat man in Paris gesehen, daß es den
französischen Missionaren kaum gelungen ist, die Allermiserabelften unter den
Chinesen zum Glaubenswechsel zu bewegen, sondern man empfand auch mit
wachsendem Unbehagen, daß die französischen Missionare durch ihren un¬
politischen und undiplomatischen Übereifer der Heimat mehr Scherereien und
internationale Reibereien als praktischen Nutzen brachten, daß ihnen ferner
an der Ausbreitung französischer Sprache fast gar nichts gelegen war, daß
sie vielmehr in allen ihren Schulen in Jndochina und Arran die Ein-
gebornen vom Studium des Französischen abhielten und ihnen selbst das
Studium der chinesischen Schriftsprache erschwerten. Wäre es nach den fran¬
zösischen Missionaren gegangen, so hätte bald aller Verkehr zwischen den
französischen Schutzbefohlnen und den Chinesen aufgehört. Schließlich kam
in den Augen der französischen maßgebenden Politiker als ein für die fernere
Tätigkeit der französischen Mönche im Osten erschwerender Umstand hinzu,
daß die Republik auf die Dauer nicht zu Hause antiklerikale Politik treiben
und die Orden auflösen und verjagen kann, die sie im Osten als Pioniere
für Frankreich unterstützt. So kam es denn, daß die Tätigkeit der fran¬
zösischen Mönche im Osten immer mehr eingeschränkt wird, wenn es auch zum
Beispiel in Schanghai noch einen einflußreichen Jesuitenpater Robert gibt,
der der französischen Republik arg zu schaffen macht. Und so kam es weiter,


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in der Lage ist, auf diesem Gebiet China die größten Dienste zu erweisen,
indem es jeden Gedanken an Landerwerb weit von sich weist und eine Politik
unbedingt loyaler, für beide Teile gleich vorteilhafter gemeinsamer Arbeit ein¬
führt." Das klingt ganz nach der Melodie, die für Marokko gesungen wird.
Wenn man aber trotzdem schließen kann, daß diesmal an der Aufrichtigkeit
der französischen Ziele nicht gezweifelt zu werden braucht, und daß die Dinge
zwischen Jndochina und China nicht denselben Gang gehn werden wie zwischen
Algerien und Marokko, so holt dieser Schluß seine hauptsächliche Begründung
aus der Feststellung, daß in China vierhundert Millionen Menschen wohnen,
und nicht wie in Marokko neun, und daß zweitens Japan nicht sehr weit
ist, das ja plötzlich das Banner „Asien den Asiaten" aufrollen kann. Und
wenn auch hier von der seit Marokko arg verpöntem pöNötrMon xg-oiLaus
die Rede ist, wie zum Beispiel erst vor ein paar Tagen in einem langen
Artikel der angesehenen und weit verbreiteten vsxßczns Oolonials, so ist es
sicher, daß in China mit dem Worte nicht der Mißbrauch getrieben werden
wird wie in Marokko, und daß mit ihm wirklich das gemeint ist, was
es besagt.

Die seit Jahren von Frankreich in China betriebne Politik „kultureller
Durchdringung", zivilisatorischer Pionierarbeit ist damit auch in voller Über¬
einstimmung. Ganz besonders seitdem unter dem Druck der antiklerikalen
Gesetzgebung in der Heimat ein totaler Umschwung der Anschauungen über
den Segen der Wirksamkeit der französischen katholischen Missionen im äußersten
Osten eingetreten ist. Nicht nur hat man in Paris gesehen, daß es den
französischen Missionaren kaum gelungen ist, die Allermiserabelften unter den
Chinesen zum Glaubenswechsel zu bewegen, sondern man empfand auch mit
wachsendem Unbehagen, daß die französischen Missionare durch ihren un¬
politischen und undiplomatischen Übereifer der Heimat mehr Scherereien und
internationale Reibereien als praktischen Nutzen brachten, daß ihnen ferner
an der Ausbreitung französischer Sprache fast gar nichts gelegen war, daß
sie vielmehr in allen ihren Schulen in Jndochina und Arran die Ein-
gebornen vom Studium des Französischen abhielten und ihnen selbst das
Studium der chinesischen Schriftsprache erschwerten. Wäre es nach den fran¬
zösischen Missionaren gegangen, so hätte bald aller Verkehr zwischen den
französischen Schutzbefohlnen und den Chinesen aufgehört. Schließlich kam
in den Augen der französischen maßgebenden Politiker als ein für die fernere
Tätigkeit der französischen Mönche im Osten erschwerender Umstand hinzu,
daß die Republik auf die Dauer nicht zu Hause antiklerikale Politik treiben
und die Orden auflösen und verjagen kann, die sie im Osten als Pioniere
für Frankreich unterstützt. So kam es denn, daß die Tätigkeit der fran¬
zösischen Mönche im Osten immer mehr eingeschränkt wird, wenn es auch zum
Beispiel in Schanghai noch einen einflußreichen Jesuitenpater Robert gibt,
der der französischen Republik arg zu schaffen macht. Und so kam es weiter,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/414>, abgerufen am 04.07.2024.