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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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des Marktes unabhängig und bekommt seine Arbeit auf alle Falle bezahlt. Als
Unternehmer hat er dafür keine Sicherheit. In diesen? Gedanken ist den Ein-
gebornen in Togo zum Beispiel die Abnahme ihrer Baumwolle zu einem be¬
stimmten Mindestpreis garantiert worden, eine Maßregel, die auf die Dauer
kaum durchführbar ist, sondern nur den Zweck hat. für den Anfang einmal die
Schwarzen zu regelmäßiger Produktion zu veranlassen.

Alles noch nicht unter Kultur stehende Land, das sich in der Nähe der
Küste, der künstigen Eisenbahnen und sonstiger Hauptverkehrswege befindet,
müßte im Interesse der intensiven Nutzbarmachung den Weißen vorbehalten
bleiben. Wenn der Neger auf solche Weise als selbständiger Unternehmer aus¬
geschaltet wird, so ist damit nicht gesagt, daß er für alle Zeiten in diesem Ab-
hüngigkeitsverhältnis bleiben muß. Aber man soll es ruhig der natürlichen
Entwicklung überlassen, ob vielleicht in der fernen Zukunft, wie dies in den
Baumwollgebieten der Südstaaten von Nordamerika geschehn ist, aus Plan¬
tagengroßbetrieben Volkskulturen der Neger werden.

Ein großer Teil des Landes, der für europäische Unternehmungen nicht
geeignet ist, weil er von den Hauptverkehrswegen zu entfernt liegt, verbleibt
dabei immer noch den Eingebornen, sodaß von einer "Entrechtung", die von
Überhumanen ins Feld geführt wird, keine Rede sein kann.

Es wäre ein verhängnisvoller Irrtum, wenn man die Produktion in der
Hauptsache den Eingebornen überlassen, für sie Bahnen bauen und es ihrem
Belieben anheimstellen würde, ob sie für die europäischen Unternehmungen arbeiten
wollen oder nicht. Gewiß, die Eingebornen würden dabei recht gut fahren; sie
würden, wie bisher, produzieren, soviel sie für gut finden, und hätten durch die
Bahn eine bedeutend bequemere Absatzgelegenheit. Ein großer Teil der Eingebornen
würde natürlich mit der Zeit möglichst in die Nähe der Eisenbahnen ziehn, um
deren Segnungen, die ihnen ein noch angenehmeres Leben sichern würden, zu
genießen. Der Handel würde sicherlich für Jahre hinaus florieren, aber man
kann die Zeit beinahe an den Fingern ausrechnen, wo das Land ausgepowert
wäre, und wo es nichts Gescheites mehr zu handeln gäbe. Und wer hätte den
Vorteil davon? Die Eingebornen und ein paar Handelsfirmen! Der deutsche
Steuerzahler aber, der das Geld für die Eisenbahnen und für die Verwaltung
der Kolonien aufzubringen hat, würde sich wahrscheinlich bald darüber wundern,
daß die vielgerühmten Segnungen der Kolonien ausbleiben.

Soweit darf es nicht kommen. Der Hauptwert ist vorläufig nicht auf die
Entwicklung des Handels und der Eingebornenkulturen zu legen. Vielmehr
müssen wir dafür sorgen, daß eine stetige Erzeugung der Hauptprodukte unsrer
Kolonien durch rationelle Nutzbarmachung des Landes gesichert wird, und zwar
durch Anlage von großen und kleinen Pflanzungen, Bergwerksunternehmungen,
geregelter Viehzucht usw. Wenn sich dabei Wissenschaft und Technik in den Dienst
der Erschließungstütigkeit stellen, so ist Aussicht vorhanden, daß eines Tages unsre
Kolonien Rohstofflieferanten und Absatzgebiete für die deutsche Industrie, eine


des Marktes unabhängig und bekommt seine Arbeit auf alle Falle bezahlt. Als
Unternehmer hat er dafür keine Sicherheit. In diesen? Gedanken ist den Ein-
gebornen in Togo zum Beispiel die Abnahme ihrer Baumwolle zu einem be¬
stimmten Mindestpreis garantiert worden, eine Maßregel, die auf die Dauer
kaum durchführbar ist, sondern nur den Zweck hat. für den Anfang einmal die
Schwarzen zu regelmäßiger Produktion zu veranlassen.

Alles noch nicht unter Kultur stehende Land, das sich in der Nähe der
Küste, der künstigen Eisenbahnen und sonstiger Hauptverkehrswege befindet,
müßte im Interesse der intensiven Nutzbarmachung den Weißen vorbehalten
bleiben. Wenn der Neger auf solche Weise als selbständiger Unternehmer aus¬
geschaltet wird, so ist damit nicht gesagt, daß er für alle Zeiten in diesem Ab-
hüngigkeitsverhältnis bleiben muß. Aber man soll es ruhig der natürlichen
Entwicklung überlassen, ob vielleicht in der fernen Zukunft, wie dies in den
Baumwollgebieten der Südstaaten von Nordamerika geschehn ist, aus Plan¬
tagengroßbetrieben Volkskulturen der Neger werden.

Ein großer Teil des Landes, der für europäische Unternehmungen nicht
geeignet ist, weil er von den Hauptverkehrswegen zu entfernt liegt, verbleibt
dabei immer noch den Eingebornen, sodaß von einer „Entrechtung", die von
Überhumanen ins Feld geführt wird, keine Rede sein kann.

Es wäre ein verhängnisvoller Irrtum, wenn man die Produktion in der
Hauptsache den Eingebornen überlassen, für sie Bahnen bauen und es ihrem
Belieben anheimstellen würde, ob sie für die europäischen Unternehmungen arbeiten
wollen oder nicht. Gewiß, die Eingebornen würden dabei recht gut fahren; sie
würden, wie bisher, produzieren, soviel sie für gut finden, und hätten durch die
Bahn eine bedeutend bequemere Absatzgelegenheit. Ein großer Teil der Eingebornen
würde natürlich mit der Zeit möglichst in die Nähe der Eisenbahnen ziehn, um
deren Segnungen, die ihnen ein noch angenehmeres Leben sichern würden, zu
genießen. Der Handel würde sicherlich für Jahre hinaus florieren, aber man
kann die Zeit beinahe an den Fingern ausrechnen, wo das Land ausgepowert
wäre, und wo es nichts Gescheites mehr zu handeln gäbe. Und wer hätte den
Vorteil davon? Die Eingebornen und ein paar Handelsfirmen! Der deutsche
Steuerzahler aber, der das Geld für die Eisenbahnen und für die Verwaltung
der Kolonien aufzubringen hat, würde sich wahrscheinlich bald darüber wundern,
daß die vielgerühmten Segnungen der Kolonien ausbleiben.

Soweit darf es nicht kommen. Der Hauptwert ist vorläufig nicht auf die
Entwicklung des Handels und der Eingebornenkulturen zu legen. Vielmehr
müssen wir dafür sorgen, daß eine stetige Erzeugung der Hauptprodukte unsrer
Kolonien durch rationelle Nutzbarmachung des Landes gesichert wird, und zwar
durch Anlage von großen und kleinen Pflanzungen, Bergwerksunternehmungen,
geregelter Viehzucht usw. Wenn sich dabei Wissenschaft und Technik in den Dienst
der Erschließungstütigkeit stellen, so ist Aussicht vorhanden, daß eines Tages unsre
Kolonien Rohstofflieferanten und Absatzgebiete für die deutsche Industrie, eine


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[0409] des Marktes unabhängig und bekommt seine Arbeit auf alle Falle bezahlt. Als Unternehmer hat er dafür keine Sicherheit. In diesen? Gedanken ist den Ein- gebornen in Togo zum Beispiel die Abnahme ihrer Baumwolle zu einem be¬ stimmten Mindestpreis garantiert worden, eine Maßregel, die auf die Dauer kaum durchführbar ist, sondern nur den Zweck hat. für den Anfang einmal die Schwarzen zu regelmäßiger Produktion zu veranlassen. Alles noch nicht unter Kultur stehende Land, das sich in der Nähe der Küste, der künstigen Eisenbahnen und sonstiger Hauptverkehrswege befindet, müßte im Interesse der intensiven Nutzbarmachung den Weißen vorbehalten bleiben. Wenn der Neger auf solche Weise als selbständiger Unternehmer aus¬ geschaltet wird, so ist damit nicht gesagt, daß er für alle Zeiten in diesem Ab- hüngigkeitsverhältnis bleiben muß. Aber man soll es ruhig der natürlichen Entwicklung überlassen, ob vielleicht in der fernen Zukunft, wie dies in den Baumwollgebieten der Südstaaten von Nordamerika geschehn ist, aus Plan¬ tagengroßbetrieben Volkskulturen der Neger werden. Ein großer Teil des Landes, der für europäische Unternehmungen nicht geeignet ist, weil er von den Hauptverkehrswegen zu entfernt liegt, verbleibt dabei immer noch den Eingebornen, sodaß von einer „Entrechtung", die von Überhumanen ins Feld geführt wird, keine Rede sein kann. Es wäre ein verhängnisvoller Irrtum, wenn man die Produktion in der Hauptsache den Eingebornen überlassen, für sie Bahnen bauen und es ihrem Belieben anheimstellen würde, ob sie für die europäischen Unternehmungen arbeiten wollen oder nicht. Gewiß, die Eingebornen würden dabei recht gut fahren; sie würden, wie bisher, produzieren, soviel sie für gut finden, und hätten durch die Bahn eine bedeutend bequemere Absatzgelegenheit. Ein großer Teil der Eingebornen würde natürlich mit der Zeit möglichst in die Nähe der Eisenbahnen ziehn, um deren Segnungen, die ihnen ein noch angenehmeres Leben sichern würden, zu genießen. Der Handel würde sicherlich für Jahre hinaus florieren, aber man kann die Zeit beinahe an den Fingern ausrechnen, wo das Land ausgepowert wäre, und wo es nichts Gescheites mehr zu handeln gäbe. Und wer hätte den Vorteil davon? Die Eingebornen und ein paar Handelsfirmen! Der deutsche Steuerzahler aber, der das Geld für die Eisenbahnen und für die Verwaltung der Kolonien aufzubringen hat, würde sich wahrscheinlich bald darüber wundern, daß die vielgerühmten Segnungen der Kolonien ausbleiben. Soweit darf es nicht kommen. Der Hauptwert ist vorläufig nicht auf die Entwicklung des Handels und der Eingebornenkulturen zu legen. Vielmehr müssen wir dafür sorgen, daß eine stetige Erzeugung der Hauptprodukte unsrer Kolonien durch rationelle Nutzbarmachung des Landes gesichert wird, und zwar durch Anlage von großen und kleinen Pflanzungen, Bergwerksunternehmungen, geregelter Viehzucht usw. Wenn sich dabei Wissenschaft und Technik in den Dienst der Erschließungstütigkeit stellen, so ist Aussicht vorhanden, daß eines Tages unsre Kolonien Rohstofflieferanten und Absatzgebiete für die deutsche Industrie, eine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/409>, abgerufen am 24.07.2024.