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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Der Kampf gegen die Korruption der Polizei in Newyork

Körperschaft in ihrer Tätigkeit allmählich allzusehr von den Richtlinien abge¬
wichen ist, die sie eigentlich verfolgen soll.

So ist es augenblicklich mit der Newyorker Polizei. Man weiß seit vielen
Jahren, daß sie ganz bedenklich korrumpiert ist, obwohl sie sich selbst gern als
"die Feinste" bezeichnet -- d. h. als die feinste in der ganzen Welt. Ohne
Superlative geht es nun einmal in den Vereinigten Staaten nicht, auch wenn
sie noch so unbegründet sind. Das Maß der Korruption aber, das sich all¬
mählich im Polizeiwesen der Stadt Newyork angesammelt hat, ist ein un¬
geheures. Nicht nur, daß man offen einem jeden der neuntausend Polizisten
zutraut, daß er sich durch sein Amt unrechtmäßige Ncbencinncihmen verschafft,
und daß man es als ein ganz besondres Lob betrachtet, wenn man von einem
Polizisten behaupten kann, daß er ein ehrlicher Mensch sei -- auch die
Korruption im Gerichtswesen für die infolge polizeilicher Verhaftungen not¬
wendigen Verhandlungen ist so groß, daß man nie wissen kann, ob nicht ein
Verbrecher, den ein Polizist festnimmt, in einem andern Polizisten oder einem
höhern Polizeibeamten oder gar einem Polizeirichter einen einflußreichen Be¬
schützer hat. Es ergeben sich daraus unglaubliche Folgen, wie es etwa der
Rat ist, den der bekannte Newyorker Staatsanwalt Jerome vor einigen Jahren
dem Mayor vou Chicago, Mr. Harrisvu, gab: "Machen Sie es, wie wir es
in Newyork machen. Wenn ein Polizist einen berüchtigten Verbrecher fest¬
nimmt und nicht ganz sicher ist, daß das Gericht dem Burschen eine gehörige
Strafe zuerteilt, dann fassen Sie die Gelegenheit bei der Stirnlocke, hauen Sie
dem Kerl eins über den Schädel und bringen Sie ihn gehörig verpflastert vor
die Schranken." Sogar in Chicago verwarf man diese Methode, denn Harrison
erklärte einem Interviewer, daß der Rat, Polizeigefangne schonuuglos zu be¬
handeln, einem juristischen Beamten schlecht anstehe.

Die arg zunehmende Korruption der Newyorker Polizei ist in den letzten
Jahren wiederholt, insbesondre von hohen juristischen Beamten des Landes,
auf das schärfste getadelt worden. So erhob zum Beispiel das Mitglied des
obersten Gerichtshofes Mr. Gaynor öffentlich seine Stimme gegen den "Grase"
der Polizei in Newyork. Ja es bildeten sich im November 1900 und dann
wieder im Januar 1905 direkte Sicherheitsausschüsse (Vigilkmes (üonmüttoc^)
von Newyorker Bürgern zum Schutze des persönlichen Eigentums gegen die
unverschämten Erpressungen durch die Polizei.

Im Jahre 1905 rief auch die Handelskammer den sogenannten "Neuner-
ausschuß" (Oommittes ot'Mu<z) ins Leben, der ein Programm zur gesetzlichen
Bekämpfung der Polizeikorruption entwerfen sollte. Und endlich wurde im No¬
vember 1906 ein "Fünfzigerausschuß" gebildet, der die Angelegenheit mit
aller Energie in die Hand nahm, und dem es endlich gelang, die öffentliche
Meinung über die Wichtigkeit der Frage aufzuklären. So ist denn im vorigen
Jahre von den gesetzgebenden Körperschaften des Staates Newyork ein besondres
Gesetz zur Reorganisation der Newyorker Polizei beschlossen worden, das sofort
danach vom Oberbürgermeister der Stadt und vom Gouverneur des Staates


Der Kampf gegen die Korruption der Polizei in Newyork

Körperschaft in ihrer Tätigkeit allmählich allzusehr von den Richtlinien abge¬
wichen ist, die sie eigentlich verfolgen soll.

So ist es augenblicklich mit der Newyorker Polizei. Man weiß seit vielen
Jahren, daß sie ganz bedenklich korrumpiert ist, obwohl sie sich selbst gern als
„die Feinste" bezeichnet — d. h. als die feinste in der ganzen Welt. Ohne
Superlative geht es nun einmal in den Vereinigten Staaten nicht, auch wenn
sie noch so unbegründet sind. Das Maß der Korruption aber, das sich all¬
mählich im Polizeiwesen der Stadt Newyork angesammelt hat, ist ein un¬
geheures. Nicht nur, daß man offen einem jeden der neuntausend Polizisten
zutraut, daß er sich durch sein Amt unrechtmäßige Ncbencinncihmen verschafft,
und daß man es als ein ganz besondres Lob betrachtet, wenn man von einem
Polizisten behaupten kann, daß er ein ehrlicher Mensch sei — auch die
Korruption im Gerichtswesen für die infolge polizeilicher Verhaftungen not¬
wendigen Verhandlungen ist so groß, daß man nie wissen kann, ob nicht ein
Verbrecher, den ein Polizist festnimmt, in einem andern Polizisten oder einem
höhern Polizeibeamten oder gar einem Polizeirichter einen einflußreichen Be¬
schützer hat. Es ergeben sich daraus unglaubliche Folgen, wie es etwa der
Rat ist, den der bekannte Newyorker Staatsanwalt Jerome vor einigen Jahren
dem Mayor vou Chicago, Mr. Harrisvu, gab: „Machen Sie es, wie wir es
in Newyork machen. Wenn ein Polizist einen berüchtigten Verbrecher fest¬
nimmt und nicht ganz sicher ist, daß das Gericht dem Burschen eine gehörige
Strafe zuerteilt, dann fassen Sie die Gelegenheit bei der Stirnlocke, hauen Sie
dem Kerl eins über den Schädel und bringen Sie ihn gehörig verpflastert vor
die Schranken." Sogar in Chicago verwarf man diese Methode, denn Harrison
erklärte einem Interviewer, daß der Rat, Polizeigefangne schonuuglos zu be¬
handeln, einem juristischen Beamten schlecht anstehe.

Die arg zunehmende Korruption der Newyorker Polizei ist in den letzten
Jahren wiederholt, insbesondre von hohen juristischen Beamten des Landes,
auf das schärfste getadelt worden. So erhob zum Beispiel das Mitglied des
obersten Gerichtshofes Mr. Gaynor öffentlich seine Stimme gegen den „Grase"
der Polizei in Newyork. Ja es bildeten sich im November 1900 und dann
wieder im Januar 1905 direkte Sicherheitsausschüsse (Vigilkmes (üonmüttoc^)
von Newyorker Bürgern zum Schutze des persönlichen Eigentums gegen die
unverschämten Erpressungen durch die Polizei.

Im Jahre 1905 rief auch die Handelskammer den sogenannten „Neuner-
ausschuß" (Oommittes ot'Mu<z) ins Leben, der ein Programm zur gesetzlichen
Bekämpfung der Polizeikorruption entwerfen sollte. Und endlich wurde im No¬
vember 1906 ein „Fünfzigerausschuß" gebildet, der die Angelegenheit mit
aller Energie in die Hand nahm, und dem es endlich gelang, die öffentliche
Meinung über die Wichtigkeit der Frage aufzuklären. So ist denn im vorigen
Jahre von den gesetzgebenden Körperschaften des Staates Newyork ein besondres
Gesetz zur Reorganisation der Newyorker Polizei beschlossen worden, das sofort
danach vom Oberbürgermeister der Stadt und vom Gouverneur des Staates


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/320>, abgerufen am 22.07.2024.