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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Die ZVinterausstellung der Akademie der Aünste in Berlin

sie durch gastfreundliches und entgegenkommendes Verhalten den Fremden den
Aufenthalt in ihrer Stadt angenehm machten, wie es nicht nur ihrem Vorteil,
sondern auch slawischer Art und Sitte entsprach. Freilich darf man nicht ver¬
gessen, daß diese glänzenden Schilderungen nur relativen Wert haben. Julin
zeichnete sich gewiß durch viele Vorzüge vor andern Städten des slawischen
Ostens aus und mußte dadurch in seiner nähern und fernern Umgebung vor¬
teilhaft auffallen, aber von Pracht und Üppigkeit nach dem Maßstabe einer
höhern Kultur kann wohl schwerlich die Rede sein. Es war doch nur ein
sehr bescheidner Glanz, der von dort ausstrahlte. In einem Punkt übrigens
ließen die freudenfreundlichen Juliner nicht mit sich reden: sie duldeten kein
öffentliches Bekenntnis des Christentums. Instinktiv ahnten sie, daß ihrer
Unabhängigkeit ernste Gefahr drohe, sobald sie der von den Deutschen und
Polen bekannten Religion irgendwelchen Einfluß gewährten. Und ihr Un¬
abhängigkeitssinn und Selbstbewußtsein war groß; zweifellos ging ihr Ehrgeiz
dahin, Polen gegenüber dieselbe Rolle zu spielen wie in Rußland Pleskau
(Pskow) und Großnaugard (Nowgorod). Diesem Ziel näher zu kommen, fand
sich bald eine Gelegenheit. Um sie zu verstehn, müssen wir uns wieder den
dänischen Verhältnissen zuwenden.




Die Winterausstellung der Akademie der Künste
in Berlin

und auf dem Gebiete der bildenden Künste ist eine Blockpolitik wohl
durchzuführen. Die Berufungen von Tuaillon, Messel und Bruno
Paul in staatliche Ämter, die Ernennungen von Leistikow und
Max Kruse zu Professoren beweisen, daß die Negierung die besten Ab¬
sichten hat, die alten Gegensätze, verschärft mehr durch ungeschickte
Federn als durch die Tätigkeit der Künstler selbst, zu überbrücken. Sezessionisten
werden zu Akademikern, und in der Akademie wird den Führern der Sezession Gast¬
freundschaft gewährt. Arthur Kampf, der neue Präsident der Akademie der Künste,
scheint seine ganze unverbrauchte Kraft in den Dienst solcher Versöhnungs¬
gedanken stellen zu wollen; vor allem aber kommt es ihm darauf an, dem
seiner Leitung unterstellten etwas schläfrig gewordnen Institut die Bedeutung
zurückzuerobern, die ihm bei seiner Begründung zugedacht war. So holte er
denn die besten Männer des linken Flügels der zeitgenössischen Kunst heran,
die zweite Ausstellung der Akademie in ihren neuen Räumen am Pariser Platz
farbiger und möglichst umfassend zu gestalten. In den Sälen hängen also jetzt
Werke von Liebermann, Stuck und L. von Hofmann friedlich neben solchen von


Die ZVinterausstellung der Akademie der Aünste in Berlin

sie durch gastfreundliches und entgegenkommendes Verhalten den Fremden den
Aufenthalt in ihrer Stadt angenehm machten, wie es nicht nur ihrem Vorteil,
sondern auch slawischer Art und Sitte entsprach. Freilich darf man nicht ver¬
gessen, daß diese glänzenden Schilderungen nur relativen Wert haben. Julin
zeichnete sich gewiß durch viele Vorzüge vor andern Städten des slawischen
Ostens aus und mußte dadurch in seiner nähern und fernern Umgebung vor¬
teilhaft auffallen, aber von Pracht und Üppigkeit nach dem Maßstabe einer
höhern Kultur kann wohl schwerlich die Rede sein. Es war doch nur ein
sehr bescheidner Glanz, der von dort ausstrahlte. In einem Punkt übrigens
ließen die freudenfreundlichen Juliner nicht mit sich reden: sie duldeten kein
öffentliches Bekenntnis des Christentums. Instinktiv ahnten sie, daß ihrer
Unabhängigkeit ernste Gefahr drohe, sobald sie der von den Deutschen und
Polen bekannten Religion irgendwelchen Einfluß gewährten. Und ihr Un¬
abhängigkeitssinn und Selbstbewußtsein war groß; zweifellos ging ihr Ehrgeiz
dahin, Polen gegenüber dieselbe Rolle zu spielen wie in Rußland Pleskau
(Pskow) und Großnaugard (Nowgorod). Diesem Ziel näher zu kommen, fand
sich bald eine Gelegenheit. Um sie zu verstehn, müssen wir uns wieder den
dänischen Verhältnissen zuwenden.




Die Winterausstellung der Akademie der Künste
in Berlin

und auf dem Gebiete der bildenden Künste ist eine Blockpolitik wohl
durchzuführen. Die Berufungen von Tuaillon, Messel und Bruno
Paul in staatliche Ämter, die Ernennungen von Leistikow und
Max Kruse zu Professoren beweisen, daß die Negierung die besten Ab¬
sichten hat, die alten Gegensätze, verschärft mehr durch ungeschickte
Federn als durch die Tätigkeit der Künstler selbst, zu überbrücken. Sezessionisten
werden zu Akademikern, und in der Akademie wird den Führern der Sezession Gast¬
freundschaft gewährt. Arthur Kampf, der neue Präsident der Akademie der Künste,
scheint seine ganze unverbrauchte Kraft in den Dienst solcher Versöhnungs¬
gedanken stellen zu wollen; vor allem aber kommt es ihm darauf an, dem
seiner Leitung unterstellten etwas schläfrig gewordnen Institut die Bedeutung
zurückzuerobern, die ihm bei seiner Begründung zugedacht war. So holte er
denn die besten Männer des linken Flügels der zeitgenössischen Kunst heran,
die zweite Ausstellung der Akademie in ihren neuen Räumen am Pariser Platz
farbiger und möglichst umfassend zu gestalten. In den Sälen hängen also jetzt
Werke von Liebermann, Stuck und L. von Hofmann friedlich neben solchen von


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[0029] Die ZVinterausstellung der Akademie der Aünste in Berlin sie durch gastfreundliches und entgegenkommendes Verhalten den Fremden den Aufenthalt in ihrer Stadt angenehm machten, wie es nicht nur ihrem Vorteil, sondern auch slawischer Art und Sitte entsprach. Freilich darf man nicht ver¬ gessen, daß diese glänzenden Schilderungen nur relativen Wert haben. Julin zeichnete sich gewiß durch viele Vorzüge vor andern Städten des slawischen Ostens aus und mußte dadurch in seiner nähern und fernern Umgebung vor¬ teilhaft auffallen, aber von Pracht und Üppigkeit nach dem Maßstabe einer höhern Kultur kann wohl schwerlich die Rede sein. Es war doch nur ein sehr bescheidner Glanz, der von dort ausstrahlte. In einem Punkt übrigens ließen die freudenfreundlichen Juliner nicht mit sich reden: sie duldeten kein öffentliches Bekenntnis des Christentums. Instinktiv ahnten sie, daß ihrer Unabhängigkeit ernste Gefahr drohe, sobald sie der von den Deutschen und Polen bekannten Religion irgendwelchen Einfluß gewährten. Und ihr Un¬ abhängigkeitssinn und Selbstbewußtsein war groß; zweifellos ging ihr Ehrgeiz dahin, Polen gegenüber dieselbe Rolle zu spielen wie in Rußland Pleskau (Pskow) und Großnaugard (Nowgorod). Diesem Ziel näher zu kommen, fand sich bald eine Gelegenheit. Um sie zu verstehn, müssen wir uns wieder den dänischen Verhältnissen zuwenden. Die Winterausstellung der Akademie der Künste in Berlin und auf dem Gebiete der bildenden Künste ist eine Blockpolitik wohl durchzuführen. Die Berufungen von Tuaillon, Messel und Bruno Paul in staatliche Ämter, die Ernennungen von Leistikow und Max Kruse zu Professoren beweisen, daß die Negierung die besten Ab¬ sichten hat, die alten Gegensätze, verschärft mehr durch ungeschickte Federn als durch die Tätigkeit der Künstler selbst, zu überbrücken. Sezessionisten werden zu Akademikern, und in der Akademie wird den Führern der Sezession Gast¬ freundschaft gewährt. Arthur Kampf, der neue Präsident der Akademie der Künste, scheint seine ganze unverbrauchte Kraft in den Dienst solcher Versöhnungs¬ gedanken stellen zu wollen; vor allem aber kommt es ihm darauf an, dem seiner Leitung unterstellten etwas schläfrig gewordnen Institut die Bedeutung zurückzuerobern, die ihm bei seiner Begründung zugedacht war. So holte er denn die besten Männer des linken Flügels der zeitgenössischen Kunst heran, die zweite Ausstellung der Akademie in ihren neuen Räumen am Pariser Platz farbiger und möglichst umfassend zu gestalten. In den Sälen hängen also jetzt Werke von Liebermann, Stuck und L. von Hofmann friedlich neben solchen von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/29>, abgerufen am 22.07.2024.