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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Aufforstungen für unsre Kolonien

Da entsteht nun die Frage, ob sich nicht Mittel und Wege finden lassen,
auf künstlichem Wege der Natur nachzuhelfen und das Klima selbst ein wenig
feuchter zu gestalten. So verwegen eine solche Idee erscheint, so dürfte ihre
Verwirklichung dennoch nicht außerhalb des Bereiches der Möglichkeit liegen,
wenngleich sich ein praktischer Erfolg der etwa in Betracht kommenden Ma߬
nahmen erst nach Jahrzehnten zeigen könnte. Die Maßnahmen selbst aber dürften
in einer umfassenden Aufforstung bestehn.

Der bedeutende Einfluß, den das Vorkommen von Wäldern oder auch nur
größern Baumbeständen auf die Vermehrung der atmosphärischen Niederschlüge
ausübt, ist in seinen Ursachen und in seiner Tragweite wissenschaftlich vielleicht
noch nicht völlig klargestellt worden; denn so einleuchtend es auch ist, daß ein aus¬
gebreiteter Baumwuchs die Schnelligkeit der Verdunstung wesentlich fördern
muß, so wagt man dennoch kaum anzunehmen, daß diese eine Tatsache eine
klimatisch wirklich einschneidende Bedeutung sollte annehmen können, und man
ist versucht, noch andre Dinge zur Erklärung des Phänomens mit heranzuziehen.
Jedenfalls ist die Tatsache selbst nicht zu bezweifeln, und in baumarmen Gebieten
wirkt die Schaffung ausgedehnter Anpflanzungen zuweilen in ganz frappanter
Weise auf das Klima ein, und zwar speziell auf die Niederschlagsmenge.
Gerade in tropischen und in subtropischen Gegenden hat man schon seit Jahr¬
zehnten einen reichen Schatz an solchen Erfahrungen gesammelt. In der Um¬
gebung von Kairo, in Oberägypten, in Algerien (Konstantine), in Palästina
(am Bach Kidron), in Südindien, in mehreren Teilen Australiens, auf Ascension,
auf Se. Helena, auf Mauritius, in Südafrika hat man u. a. unabhängig von¬
einander die Beobachtung gemacht, daß die Aufforstung einiger Teile des Landes
günstig auf die Menge und Häufigkeit der niedergehenden Regen einwirkt. Am
frappantesten sind die Erfahrungen wohl auf Mauritius: hier hatte man früher
unter allzu großer Nässe zu leiden und entschloß sich deshalb, um dem Miß-
stand abzuhelfen, zu umfangreichen Entwaldungen. Der gewünschte Erfolg trat
auch ein, aber gleich so vollständig, daß man nunmehr über zu große Dürre
zu klagen hatte. Darauf schritt man zu Wiederaufforstungen bescheidnern Um¬
fangs, mit dem Erfolg, daß man längere Zeit später gerade die richtige Menge
von Niederschlägen empfing.

Auch in den Hauptkulturstaaten der Erde hat man vielfach eine Wirkung
der fortschreitenden Entwaldung auf das Klima in dem Sinne zu bemerken
geglaubt, daß die Niederschläge geringer wurden, und daß der Wasserstand der
Flüsse, Seen usw. sank. Es kann hier nicht erörtert werden, inwieweit diese
Beobachtungen auf Tatsachen beruhen; jedenfalls hat man in zahlreichen Ländern
systematisch Aufforstungen vorgenommen, zum Teil in der ausgesprochnen Ab¬
sicht, der vermeintlichen oder wirklichen Austrocknung Einhalt zu tun, so in
der Schweiz schon in den zwanziger Jahren, in Südrußland unter Nikolaus
dem Ersten und in den sechziger und siebziger Jahren in den Vereinigten


Aufforstungen für unsre Kolonien

Da entsteht nun die Frage, ob sich nicht Mittel und Wege finden lassen,
auf künstlichem Wege der Natur nachzuhelfen und das Klima selbst ein wenig
feuchter zu gestalten. So verwegen eine solche Idee erscheint, so dürfte ihre
Verwirklichung dennoch nicht außerhalb des Bereiches der Möglichkeit liegen,
wenngleich sich ein praktischer Erfolg der etwa in Betracht kommenden Ma߬
nahmen erst nach Jahrzehnten zeigen könnte. Die Maßnahmen selbst aber dürften
in einer umfassenden Aufforstung bestehn.

Der bedeutende Einfluß, den das Vorkommen von Wäldern oder auch nur
größern Baumbeständen auf die Vermehrung der atmosphärischen Niederschlüge
ausübt, ist in seinen Ursachen und in seiner Tragweite wissenschaftlich vielleicht
noch nicht völlig klargestellt worden; denn so einleuchtend es auch ist, daß ein aus¬
gebreiteter Baumwuchs die Schnelligkeit der Verdunstung wesentlich fördern
muß, so wagt man dennoch kaum anzunehmen, daß diese eine Tatsache eine
klimatisch wirklich einschneidende Bedeutung sollte annehmen können, und man
ist versucht, noch andre Dinge zur Erklärung des Phänomens mit heranzuziehen.
Jedenfalls ist die Tatsache selbst nicht zu bezweifeln, und in baumarmen Gebieten
wirkt die Schaffung ausgedehnter Anpflanzungen zuweilen in ganz frappanter
Weise auf das Klima ein, und zwar speziell auf die Niederschlagsmenge.
Gerade in tropischen und in subtropischen Gegenden hat man schon seit Jahr¬
zehnten einen reichen Schatz an solchen Erfahrungen gesammelt. In der Um¬
gebung von Kairo, in Oberägypten, in Algerien (Konstantine), in Palästina
(am Bach Kidron), in Südindien, in mehreren Teilen Australiens, auf Ascension,
auf Se. Helena, auf Mauritius, in Südafrika hat man u. a. unabhängig von¬
einander die Beobachtung gemacht, daß die Aufforstung einiger Teile des Landes
günstig auf die Menge und Häufigkeit der niedergehenden Regen einwirkt. Am
frappantesten sind die Erfahrungen wohl auf Mauritius: hier hatte man früher
unter allzu großer Nässe zu leiden und entschloß sich deshalb, um dem Miß-
stand abzuhelfen, zu umfangreichen Entwaldungen. Der gewünschte Erfolg trat
auch ein, aber gleich so vollständig, daß man nunmehr über zu große Dürre
zu klagen hatte. Darauf schritt man zu Wiederaufforstungen bescheidnern Um¬
fangs, mit dem Erfolg, daß man längere Zeit später gerade die richtige Menge
von Niederschlägen empfing.

Auch in den Hauptkulturstaaten der Erde hat man vielfach eine Wirkung
der fortschreitenden Entwaldung auf das Klima in dem Sinne zu bemerken
geglaubt, daß die Niederschläge geringer wurden, und daß der Wasserstand der
Flüsse, Seen usw. sank. Es kann hier nicht erörtert werden, inwieweit diese
Beobachtungen auf Tatsachen beruhen; jedenfalls hat man in zahlreichen Ländern
systematisch Aufforstungen vorgenommen, zum Teil in der ausgesprochnen Ab¬
sicht, der vermeintlichen oder wirklichen Austrocknung Einhalt zu tun, so in
der Schweiz schon in den zwanziger Jahren, in Südrußland unter Nikolaus
dem Ersten und in den sechziger und siebziger Jahren in den Vereinigten


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[0278] Aufforstungen für unsre Kolonien Da entsteht nun die Frage, ob sich nicht Mittel und Wege finden lassen, auf künstlichem Wege der Natur nachzuhelfen und das Klima selbst ein wenig feuchter zu gestalten. So verwegen eine solche Idee erscheint, so dürfte ihre Verwirklichung dennoch nicht außerhalb des Bereiches der Möglichkeit liegen, wenngleich sich ein praktischer Erfolg der etwa in Betracht kommenden Ma߬ nahmen erst nach Jahrzehnten zeigen könnte. Die Maßnahmen selbst aber dürften in einer umfassenden Aufforstung bestehn. Der bedeutende Einfluß, den das Vorkommen von Wäldern oder auch nur größern Baumbeständen auf die Vermehrung der atmosphärischen Niederschlüge ausübt, ist in seinen Ursachen und in seiner Tragweite wissenschaftlich vielleicht noch nicht völlig klargestellt worden; denn so einleuchtend es auch ist, daß ein aus¬ gebreiteter Baumwuchs die Schnelligkeit der Verdunstung wesentlich fördern muß, so wagt man dennoch kaum anzunehmen, daß diese eine Tatsache eine klimatisch wirklich einschneidende Bedeutung sollte annehmen können, und man ist versucht, noch andre Dinge zur Erklärung des Phänomens mit heranzuziehen. Jedenfalls ist die Tatsache selbst nicht zu bezweifeln, und in baumarmen Gebieten wirkt die Schaffung ausgedehnter Anpflanzungen zuweilen in ganz frappanter Weise auf das Klima ein, und zwar speziell auf die Niederschlagsmenge. Gerade in tropischen und in subtropischen Gegenden hat man schon seit Jahr¬ zehnten einen reichen Schatz an solchen Erfahrungen gesammelt. In der Um¬ gebung von Kairo, in Oberägypten, in Algerien (Konstantine), in Palästina (am Bach Kidron), in Südindien, in mehreren Teilen Australiens, auf Ascension, auf Se. Helena, auf Mauritius, in Südafrika hat man u. a. unabhängig von¬ einander die Beobachtung gemacht, daß die Aufforstung einiger Teile des Landes günstig auf die Menge und Häufigkeit der niedergehenden Regen einwirkt. Am frappantesten sind die Erfahrungen wohl auf Mauritius: hier hatte man früher unter allzu großer Nässe zu leiden und entschloß sich deshalb, um dem Miß- stand abzuhelfen, zu umfangreichen Entwaldungen. Der gewünschte Erfolg trat auch ein, aber gleich so vollständig, daß man nunmehr über zu große Dürre zu klagen hatte. Darauf schritt man zu Wiederaufforstungen bescheidnern Um¬ fangs, mit dem Erfolg, daß man längere Zeit später gerade die richtige Menge von Niederschlägen empfing. Auch in den Hauptkulturstaaten der Erde hat man vielfach eine Wirkung der fortschreitenden Entwaldung auf das Klima in dem Sinne zu bemerken geglaubt, daß die Niederschläge geringer wurden, und daß der Wasserstand der Flüsse, Seen usw. sank. Es kann hier nicht erörtert werden, inwieweit diese Beobachtungen auf Tatsachen beruhen; jedenfalls hat man in zahlreichen Ländern systematisch Aufforstungen vorgenommen, zum Teil in der ausgesprochnen Ab¬ sicht, der vermeintlichen oder wirklichen Austrocknung Einhalt zu tun, so in der Schweiz schon in den zwanziger Jahren, in Südrußland unter Nikolaus dem Ersten und in den sechziger und siebziger Jahren in den Vereinigten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/278>, abgerufen am 24.08.2024.