Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die neue Armada -- gegen Japan

ausziehn, um Amerika gegen Japan zu decken. Die alte Monroedoktrin gilt
auch gegen Japan. Gegen die Einwandrung aus Japan richtet sich diese vor¬
läufig nicht. Aber es ist doch unverkennbar, daß alle westamerikanischen Staaten
von Chile bis Mexiko ihr ebenso ausgesetzt sind wie Kalifornien und Kanada.
Keiner von ihnen kann sich gegen die mongolische Großmacht wehren, alle blicken
nach Norden, woher allein der Schutz ihnen kommen kann. Ob aus dieser Lage
das Verlangen nach Abtretung von Kohlenstationen, nach Flottenstützpunkten
hervorgehn wird, muß eine nahe Zukunft lehren. Brasilien hat eine riesige
Küste und manche geeignete Bucht, Argentinien in seinen patagonischen Ufern
desgleichen. Vor allem kommt die Magelhaenstraße in Betracht. Hier herrscht
Chile. Für Segelschiffe ist die Magelhaenstraße wegen ihrer Windungen wenig
praktikabel, für Dampfer sehr. Zahlreiche Buchten eignen sich sehr gut zur An¬
legung von Flottenstationen. Schwieriger wird die Sache an der Westküste,
namentlich weiter nach Norden. Nördlich von Chile werden die Staaten kleiner,
die Küstenstrecken kürzer. An vorliegenden Inseln kommen nur die zu Ecuador
gehörenden Galopagosinseln in Betracht. Nördlich von Zentralamerika dehnt sich
weithin die mexikanische Küste aus: ein heißes, dürres Gestade. Die lange
Halbinsel von Niederkalifornien ist fast unfruchtbar. Nahe an ihrem Südende
liegt die Magdalenenbcn, eine Bucht, gebildet aus einem Einschnitt und mehreren
vorliegenden Inseln, vortrefflich geschützt gegen Wind und Wetter, mit mehreren
Ausgängen, also sehr geeignet zu einem Flottenstützpunkte, selbst zu einem
Kriegshafen. Der politische Instinkt der Zeitungen hat die Magdalenenbucht
sofort als einen Zukunftshafen der Vereinigten Staaten bezeichnet. Man werde
ihn von Mexiko erwerben. An Dementis hat es nicht gefehlt. Was daraus
wird, muß die Zeit lehren.

Die ganzen Verhältnisse werden sich von Grund aus umgestalten, wenn
der Panamakanal fertig wird. Die neue interozeanische Wasserstraße wird, nachdem
England sein Anrecht um der Freundschaft mit den Vereinigten Staaten willen
aufgegeben hat, ein ausschließlich nordamerikanisches Unternehmen sein. Die
ganze Republik Panama ist nur ein kleiner Setzung der Vereinigten Staaten.
Diese werden dann weniger Tage als jetzt Wochen gebrauchen, um ihre See¬
macht aus dem einen Ozean in den andern zu werfen. Colon auf dieser und
Panama auf jener Seite werden befestigte Punkte für die nordamerikanische
Flotte sein, vielleicht mehr oder weniger Kriegshafen. Das Gleichgewicht ver¬
schiebt sich dann sehr zum Nachteil Japans. Mau hat oft die Frage aufgeworfen,
ob Japan einen solchen Umschwung abwarten werde, oder ob es dem Gegner
zuvorkommen werde wie in Ostasien, wo es lieber den sofortigen Krieg entfesselte
als die Vollendung der südsibirischen Bahn abwartete.


Linn Fitger


Die neue Armada — gegen Japan

ausziehn, um Amerika gegen Japan zu decken. Die alte Monroedoktrin gilt
auch gegen Japan. Gegen die Einwandrung aus Japan richtet sich diese vor¬
läufig nicht. Aber es ist doch unverkennbar, daß alle westamerikanischen Staaten
von Chile bis Mexiko ihr ebenso ausgesetzt sind wie Kalifornien und Kanada.
Keiner von ihnen kann sich gegen die mongolische Großmacht wehren, alle blicken
nach Norden, woher allein der Schutz ihnen kommen kann. Ob aus dieser Lage
das Verlangen nach Abtretung von Kohlenstationen, nach Flottenstützpunkten
hervorgehn wird, muß eine nahe Zukunft lehren. Brasilien hat eine riesige
Küste und manche geeignete Bucht, Argentinien in seinen patagonischen Ufern
desgleichen. Vor allem kommt die Magelhaenstraße in Betracht. Hier herrscht
Chile. Für Segelschiffe ist die Magelhaenstraße wegen ihrer Windungen wenig
praktikabel, für Dampfer sehr. Zahlreiche Buchten eignen sich sehr gut zur An¬
legung von Flottenstationen. Schwieriger wird die Sache an der Westküste,
namentlich weiter nach Norden. Nördlich von Chile werden die Staaten kleiner,
die Küstenstrecken kürzer. An vorliegenden Inseln kommen nur die zu Ecuador
gehörenden Galopagosinseln in Betracht. Nördlich von Zentralamerika dehnt sich
weithin die mexikanische Küste aus: ein heißes, dürres Gestade. Die lange
Halbinsel von Niederkalifornien ist fast unfruchtbar. Nahe an ihrem Südende
liegt die Magdalenenbcn, eine Bucht, gebildet aus einem Einschnitt und mehreren
vorliegenden Inseln, vortrefflich geschützt gegen Wind und Wetter, mit mehreren
Ausgängen, also sehr geeignet zu einem Flottenstützpunkte, selbst zu einem
Kriegshafen. Der politische Instinkt der Zeitungen hat die Magdalenenbucht
sofort als einen Zukunftshafen der Vereinigten Staaten bezeichnet. Man werde
ihn von Mexiko erwerben. An Dementis hat es nicht gefehlt. Was daraus
wird, muß die Zeit lehren.

Die ganzen Verhältnisse werden sich von Grund aus umgestalten, wenn
der Panamakanal fertig wird. Die neue interozeanische Wasserstraße wird, nachdem
England sein Anrecht um der Freundschaft mit den Vereinigten Staaten willen
aufgegeben hat, ein ausschließlich nordamerikanisches Unternehmen sein. Die
ganze Republik Panama ist nur ein kleiner Setzung der Vereinigten Staaten.
Diese werden dann weniger Tage als jetzt Wochen gebrauchen, um ihre See¬
macht aus dem einen Ozean in den andern zu werfen. Colon auf dieser und
Panama auf jener Seite werden befestigte Punkte für die nordamerikanische
Flotte sein, vielleicht mehr oder weniger Kriegshafen. Das Gleichgewicht ver¬
schiebt sich dann sehr zum Nachteil Japans. Mau hat oft die Frage aufgeworfen,
ob Japan einen solchen Umschwung abwarten werde, oder ob es dem Gegner
zuvorkommen werde wie in Ostasien, wo es lieber den sofortigen Krieg entfesselte
als die Vollendung der südsibirischen Bahn abwartete.


Linn Fitger


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0271" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/311352"/>
          <fw type="header" place="top"> Die neue Armada &#x2014; gegen Japan</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1335" prev="#ID_1334"> ausziehn, um Amerika gegen Japan zu decken. Die alte Monroedoktrin gilt<lb/>
auch gegen Japan. Gegen die Einwandrung aus Japan richtet sich diese vor¬<lb/>
läufig nicht. Aber es ist doch unverkennbar, daß alle westamerikanischen Staaten<lb/>
von Chile bis Mexiko ihr ebenso ausgesetzt sind wie Kalifornien und Kanada.<lb/>
Keiner von ihnen kann sich gegen die mongolische Großmacht wehren, alle blicken<lb/>
nach Norden, woher allein der Schutz ihnen kommen kann. Ob aus dieser Lage<lb/>
das Verlangen nach Abtretung von Kohlenstationen, nach Flottenstützpunkten<lb/>
hervorgehn wird, muß eine nahe Zukunft lehren. Brasilien hat eine riesige<lb/>
Küste und manche geeignete Bucht, Argentinien in seinen patagonischen Ufern<lb/>
desgleichen. Vor allem kommt die Magelhaenstraße in Betracht. Hier herrscht<lb/>
Chile. Für Segelschiffe ist die Magelhaenstraße wegen ihrer Windungen wenig<lb/>
praktikabel, für Dampfer sehr. Zahlreiche Buchten eignen sich sehr gut zur An¬<lb/>
legung von Flottenstationen. Schwieriger wird die Sache an der Westküste,<lb/>
namentlich weiter nach Norden. Nördlich von Chile werden die Staaten kleiner,<lb/>
die Küstenstrecken kürzer. An vorliegenden Inseln kommen nur die zu Ecuador<lb/>
gehörenden Galopagosinseln in Betracht. Nördlich von Zentralamerika dehnt sich<lb/>
weithin die mexikanische Küste aus: ein heißes, dürres Gestade. Die lange<lb/>
Halbinsel von Niederkalifornien ist fast unfruchtbar. Nahe an ihrem Südende<lb/>
liegt die Magdalenenbcn, eine Bucht, gebildet aus einem Einschnitt und mehreren<lb/>
vorliegenden Inseln, vortrefflich geschützt gegen Wind und Wetter, mit mehreren<lb/>
Ausgängen, also sehr geeignet zu einem Flottenstützpunkte, selbst zu einem<lb/>
Kriegshafen. Der politische Instinkt der Zeitungen hat die Magdalenenbucht<lb/>
sofort als einen Zukunftshafen der Vereinigten Staaten bezeichnet. Man werde<lb/>
ihn von Mexiko erwerben. An Dementis hat es nicht gefehlt. Was daraus<lb/>
wird, muß die Zeit lehren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1336"> Die ganzen Verhältnisse werden sich von Grund aus umgestalten, wenn<lb/>
der Panamakanal fertig wird. Die neue interozeanische Wasserstraße wird, nachdem<lb/>
England sein Anrecht um der Freundschaft mit den Vereinigten Staaten willen<lb/>
aufgegeben hat, ein ausschließlich nordamerikanisches Unternehmen sein. Die<lb/>
ganze Republik Panama ist nur ein kleiner Setzung der Vereinigten Staaten.<lb/>
Diese werden dann weniger Tage als jetzt Wochen gebrauchen, um ihre See¬<lb/>
macht aus dem einen Ozean in den andern zu werfen. Colon auf dieser und<lb/>
Panama auf jener Seite werden befestigte Punkte für die nordamerikanische<lb/>
Flotte sein, vielleicht mehr oder weniger Kriegshafen. Das Gleichgewicht ver¬<lb/>
schiebt sich dann sehr zum Nachteil Japans. Mau hat oft die Frage aufgeworfen,<lb/>
ob Japan einen solchen Umschwung abwarten werde, oder ob es dem Gegner<lb/>
zuvorkommen werde wie in Ostasien, wo es lieber den sofortigen Krieg entfesselte<lb/>
als die Vollendung der südsibirischen Bahn abwartete.</p><lb/>
          <note type="byline"> Linn Fitger</note><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0271] Die neue Armada — gegen Japan ausziehn, um Amerika gegen Japan zu decken. Die alte Monroedoktrin gilt auch gegen Japan. Gegen die Einwandrung aus Japan richtet sich diese vor¬ läufig nicht. Aber es ist doch unverkennbar, daß alle westamerikanischen Staaten von Chile bis Mexiko ihr ebenso ausgesetzt sind wie Kalifornien und Kanada. Keiner von ihnen kann sich gegen die mongolische Großmacht wehren, alle blicken nach Norden, woher allein der Schutz ihnen kommen kann. Ob aus dieser Lage das Verlangen nach Abtretung von Kohlenstationen, nach Flottenstützpunkten hervorgehn wird, muß eine nahe Zukunft lehren. Brasilien hat eine riesige Küste und manche geeignete Bucht, Argentinien in seinen patagonischen Ufern desgleichen. Vor allem kommt die Magelhaenstraße in Betracht. Hier herrscht Chile. Für Segelschiffe ist die Magelhaenstraße wegen ihrer Windungen wenig praktikabel, für Dampfer sehr. Zahlreiche Buchten eignen sich sehr gut zur An¬ legung von Flottenstationen. Schwieriger wird die Sache an der Westküste, namentlich weiter nach Norden. Nördlich von Chile werden die Staaten kleiner, die Küstenstrecken kürzer. An vorliegenden Inseln kommen nur die zu Ecuador gehörenden Galopagosinseln in Betracht. Nördlich von Zentralamerika dehnt sich weithin die mexikanische Küste aus: ein heißes, dürres Gestade. Die lange Halbinsel von Niederkalifornien ist fast unfruchtbar. Nahe an ihrem Südende liegt die Magdalenenbcn, eine Bucht, gebildet aus einem Einschnitt und mehreren vorliegenden Inseln, vortrefflich geschützt gegen Wind und Wetter, mit mehreren Ausgängen, also sehr geeignet zu einem Flottenstützpunkte, selbst zu einem Kriegshafen. Der politische Instinkt der Zeitungen hat die Magdalenenbucht sofort als einen Zukunftshafen der Vereinigten Staaten bezeichnet. Man werde ihn von Mexiko erwerben. An Dementis hat es nicht gefehlt. Was daraus wird, muß die Zeit lehren. Die ganzen Verhältnisse werden sich von Grund aus umgestalten, wenn der Panamakanal fertig wird. Die neue interozeanische Wasserstraße wird, nachdem England sein Anrecht um der Freundschaft mit den Vereinigten Staaten willen aufgegeben hat, ein ausschließlich nordamerikanisches Unternehmen sein. Die ganze Republik Panama ist nur ein kleiner Setzung der Vereinigten Staaten. Diese werden dann weniger Tage als jetzt Wochen gebrauchen, um ihre See¬ macht aus dem einen Ozean in den andern zu werfen. Colon auf dieser und Panama auf jener Seite werden befestigte Punkte für die nordamerikanische Flotte sein, vielleicht mehr oder weniger Kriegshafen. Das Gleichgewicht ver¬ schiebt sich dann sehr zum Nachteil Japans. Mau hat oft die Frage aufgeworfen, ob Japan einen solchen Umschwung abwarten werde, oder ob es dem Gegner zuvorkommen werde wie in Ostasien, wo es lieber den sofortigen Krieg entfesselte als die Vollendung der südsibirischen Bahn abwartete. Linn Fitger

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/271
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/271>, abgerufen am 25.07.2024.