Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.Der Marquis von Larabas Sie reichte ihm eine kleine, etwas gebräunte Hemd und lächelte ihm zu. Wir Kalt ging suchend um den Mittelpunkt herum. Pips! wiederholte er. Da lachten Jörgen und das Mädchen, während Henriksen mit den warmen Kalt speiste nicht viel, obgleich er die ganze Nacht hindurch gereist war. Das Pips! Jörgen amüsierte sich in seiner stillen Weise über die Verwirrung seines Guts¬ Nach Tisch bekam Kalt die Geschichte zu hören: Pips heiße in Wirklichkeit Diese Auslegung der Dinge jedoch wollte Kalt nicht gelten lassen. Nein, Also mußte Jörgen der Geschichte eine andre Form verleihen: Er liebe das junge Mädchen; er habe sie vor drei Wochen in einem Graben Und dn nahmst du sie zu dir herein und stehst dich jetzt schon auf "Pips" Was sollte ich tun? Ja, das kann ich dir wahrhaftig nicht sagen. Aber ich glaube beinahe, wenn Jörgen wurde rot. Fräulein Amthor ist kein Mädel. Nein, sagte Kalt trocken. Sie ist Haushälterin und soll durch freundliches Der Marquis von Larabas Sie reichte ihm eine kleine, etwas gebräunte Hemd und lächelte ihm zu. Wir Kalt ging suchend um den Mittelpunkt herum. Pips! wiederholte er. Da lachten Jörgen und das Mädchen, während Henriksen mit den warmen Kalt speiste nicht viel, obgleich er die ganze Nacht hindurch gereist war. Das Pips! Jörgen amüsierte sich in seiner stillen Weise über die Verwirrung seines Guts¬ Nach Tisch bekam Kalt die Geschichte zu hören: Pips heiße in Wirklichkeit Diese Auslegung der Dinge jedoch wollte Kalt nicht gelten lassen. Nein, Also mußte Jörgen der Geschichte eine andre Form verleihen: Er liebe das junge Mädchen; er habe sie vor drei Wochen in einem Graben Und dn nahmst du sie zu dir herein und stehst dich jetzt schon auf „Pips" Was sollte ich tun? Ja, das kann ich dir wahrhaftig nicht sagen. Aber ich glaube beinahe, wenn Jörgen wurde rot. Fräulein Amthor ist kein Mädel. Nein, sagte Kalt trocken. 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Sie<lb/> wäre freilich nicht gewohnt, einen so großen Haushalt zu führen, denn sie sei ja<lb/> noch nicht besonders alt, aber —</p><lb/> <p xml:id="ID_859"> Diese Auslegung der Dinge jedoch wollte Kalt nicht gelten lassen. Nein,<lb/> alter Freund, sagte er, leg offne Karten auf den Tisch. Du kannst ja tun und<lb/> lassen, was du willst, denn du bist ja dein eigner Herr, und sie — Pips — ist<lb/> das süßeste kleine Mädchen, das ich seit langem gesehen habe, aber dn mußt nur<lb/> jetzt nicht kommen und Räubergeschichten erzählen.</p><lb/> <p xml:id="ID_860"> Also mußte Jörgen der Geschichte eine andre Form verleihen:</p><lb/> <p xml:id="ID_861"> Er liebe das junge Mädchen; er habe sie vor drei Wochen in einem Graben<lb/> angetroffen. Sie sei Lehrerin bei einem Gutsbesitzer in Fnglebäck gewesen, der<lb/> zwei schmutzige Jungen und eine spindeldürre Nichte von achtzehn Jahren habe. Pips<lb/> und er seien gute Freunde geworden, und das habe die Besitzersfrau und die<lb/> hagere Jungfer so sehr geärgert, daß sie das arme junge Mädchen hinausgejagt<lb/> hätten. Ihre Eltern seien achtbare Leute in Kopenhagen, ihr Vater sogar ein<lb/> Grossist. Kurz gesagt, sie dürfe nun auch nicht mehr nach Hause zurück.</p><lb/> <p xml:id="ID_862"> Und dn nahmst du sie zu dir herein und stehst dich jetzt schon auf „Pips"<lb/> mit ihr! Was für ein Menschenfreund du nur bist, Jörgen! Ja, du liebst noch<lb/> deinen Nächsten!</p><lb/> <p xml:id="ID_863"> Was sollte ich tun?</p><lb/> <p xml:id="ID_864"> Ja, das kann ich dir wahrhaftig nicht sagen. Aber ich glaube beinahe, wenn<lb/> ich daheim gewesen wäre, dann hätte ich dir geraten, sie nach Hause zu schicken,<lb/> zu ihren achtbaren Eltern. Das ist jetzt natürlich zu spät. Du hast meine Zu¬<lb/> stimmung. Behalte sie bet dir, aber das will ich dir sagen, diese Geschichte mußt<lb/> du selber klären. 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Der Marquis von Larabas
Sie reichte ihm eine kleine, etwas gebräunte Hemd und lächelte ihm zu. Wir
werden sicher gute Freunde werden. Der dort fügt, Sie seien ein guter Kerl und
hätten ihn gern, und deshalb sind Sie schon jetzt mein Freund.
Kalt ging suchend um den Mittelpunkt herum.
Pips! wiederholte er.
Da lachten Jörgen und das Mädchen, während Henriksen mit den warmen
Speisen erschien.
Kalt speiste nicht viel, obgleich er die ganze Nacht hindurch gereist war. Das
junge Mädchen überwältigte ihn Wohl mit ihrer Fürsorge, und der Tisch war reich
besetzt. Aber das Ganze fand er dennoch nicht so, wie es seiner Ansicht nach hätte
sein müssen.
Pips!
Jörgen amüsierte sich in seiner stillen Weise über die Verwirrung seines Guts¬
verwalters. Dieser gestand sich freilich ohne Zögern die Vorzüge des jungen
Mädchens ein; nie hatte er ein Weib gesehen, das in solcher Reine strahlte wie
Pips. Ihr Haar war leuchtend, auch wenn die Sonne nicht darin spielte; sie
lachte mit Augen, Mund und Händen, sogar mit dem kleinen, weißen Hals über
dem Ausschnitt des Kleides. Sie überwältigte mit ihrem Lächeln wie ein Syringen-
busch im Mai. Aber dennoch! Trotz alledem!
Nach Tisch bekam Kalt die Geschichte zu hören: Pips heiße in Wirklichkeit
Fräulein Helga Amthor und wäre offizielle Haushälterin auf Steensgaard. Sie
wäre freilich nicht gewohnt, einen so großen Haushalt zu führen, denn sie sei ja
noch nicht besonders alt, aber —
Diese Auslegung der Dinge jedoch wollte Kalt nicht gelten lassen. Nein,
alter Freund, sagte er, leg offne Karten auf den Tisch. Du kannst ja tun und
lassen, was du willst, denn du bist ja dein eigner Herr, und sie — Pips — ist
das süßeste kleine Mädchen, das ich seit langem gesehen habe, aber dn mußt nur
jetzt nicht kommen und Räubergeschichten erzählen.
Also mußte Jörgen der Geschichte eine andre Form verleihen:
Er liebe das junge Mädchen; er habe sie vor drei Wochen in einem Graben
angetroffen. Sie sei Lehrerin bei einem Gutsbesitzer in Fnglebäck gewesen, der
zwei schmutzige Jungen und eine spindeldürre Nichte von achtzehn Jahren habe. Pips
und er seien gute Freunde geworden, und das habe die Besitzersfrau und die
hagere Jungfer so sehr geärgert, daß sie das arme junge Mädchen hinausgejagt
hätten. Ihre Eltern seien achtbare Leute in Kopenhagen, ihr Vater sogar ein
Grossist. Kurz gesagt, sie dürfe nun auch nicht mehr nach Hause zurück.
Und dn nahmst du sie zu dir herein und stehst dich jetzt schon auf „Pips"
mit ihr! Was für ein Menschenfreund du nur bist, Jörgen! Ja, du liebst noch
deinen Nächsten!
Was sollte ich tun?
Ja, das kann ich dir wahrhaftig nicht sagen. Aber ich glaube beinahe, wenn
ich daheim gewesen wäre, dann hätte ich dir geraten, sie nach Hause zu schicken,
zu ihren achtbaren Eltern. Das ist jetzt natürlich zu spät. Du hast meine Zu¬
stimmung. Behalte sie bet dir, aber das will ich dir sagen, diese Geschichte mußt
du selber klären. Ich bin wohl dein juristischer Konsulent und Agent in Ver-
sicherungs- und andern ernsten Sachen. Aber deine Mädelgeschichten mußt du selber
ins reine bringen.
Jörgen wurde rot. Fräulein Amthor ist kein Mädel.
Nein, sagte Kalt trocken. Sie ist Haushälterin und soll durch freundliches
Benehmen der Familie zur Gemütlichkeit und Behaglichkeit dienen. Du hättest sie
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