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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Der ägyptische Sudan

auf 12919 Köpfe. Die Nachfrage nach rein körperlichen Arbeitskräften über¬
steigt zurzeit das Angebot bei weitem; die Lohnsätze sind, namentlich in Port
Sudan, bedeutend gestiegen. Das geringe Angebot an gelernten Arbeitern
bildet eine noch größere Schwierigkeit.

Die Hauptstädte des Sudans sind meist durch bedeutende Landstriche ohne
Straßen und Wasser voneinander getrennt. Die Hebung des Handelsverkehrs
seitab vom Wasserwege des Nils ist deshalb eine Sache, die nicht nur Zeit,
sondern auch bedeutende Opfer an Geld kosten wird. Der Sudan bedarf vor
allem einer Verbesserung seiner Verkehrseinrichtungen; dieser muß späterhin
eine Erweiterung der Bewässerungsanlagen folgen. Jetzt schon Unternehmungen
dieser Art in größerm Maßstabe einzuleiten, erscheint verfrüht, weil einerseits
die Bevölkerung dafür noch keineswegs reif ist, und weil ferner die Herstellung
solcher Anlagen ohne das Vorhandensein von Eisenbahnen unüberwindliche
Schwierigkeiten birgt. Auf dem Wege des Eisenbahnbaues ist übrigens schon
ein guter Schritt nach vorwärts getan. Die Linie von Kareima nach Abu
Hamed hat die Provinz Dongola unmittelbar mit dem Meere verbunden, während
die noch viel wichtigere Linie von Port Sudan nach dem Niltale den Raum,
der seither den Sudan von der Außenwelt trennte, überbrückt und so die Bahn
für weitere Verbesserungen geebnet hat.

Der nächste Schritt besteht in der Öffnung des Gebiets Ghezireh zwischen
dem Blauen und dem Weißen Nil. Zu diesem Zwecke hat man der Regierung
des Sudans eine Summe von 5175000 Mark zur Verfügung gestellt, um
damit eine Brücke über den Blauen Nil von Halfaya nach Khartum zu bauen.
Nach Vollendung dieser unerläßlich nötigen Vorarbeit soll dann eine Eisenbahn
bis in die Mitte von Ghezireh gebaut werden mit Zweigbahnen nach dem
Blauen und dem Weißen Nil.

Das Jahr 1906 brachte im Innern nur eine Störung durch einen religiösen
Fanatiker, die bald unterdrückt wurde. Auch nach außen waren die Beziehungen
des Sudans zu seinen Nachbarn befriedigend, so besonders zwischen den
italienischen Behörden in der Kolonie Erythräa und denen des Sudans. Hier
haben Verhandlungen wegen der Ausnützung der Flüsse Gash und Seen statt¬
gefunden, die jedoch noch nicht zu Ende geführt sind. Die Beziehungen nach
Abessinien haben sich nach rascher Erledigung eines durch einen abessinischen
Banditen eingeleiteten Zwischenfalls, zu der sich beide Regierungen die Hand
reichten, sehr zufriedenstellend entwickelt. Zumal haben mehrfache Handels¬
unternehmungen günstige Fortschritte gemacht. Besonders ermutigende Berichte
liegen vor über den sudanesischen Handelsplatz Gambela auf abessinischen Gebiete,
dessen Handel sich sehr gehoben hat. Auch in Dunkur in Westabessinien wurde
von der Handelsabteilung der sudanesischen Regierung ein Markt eröffnet, der
zu guten Hoffnungen berechtigt.

Die im Jahre 1905 unterbrochner Handelsbeziehungen auf dem Nil nach
den belgischen Stationen wurden im April 1906 wieder eröffnet. Am 9. Mai


Der ägyptische Sudan

auf 12919 Köpfe. Die Nachfrage nach rein körperlichen Arbeitskräften über¬
steigt zurzeit das Angebot bei weitem; die Lohnsätze sind, namentlich in Port
Sudan, bedeutend gestiegen. Das geringe Angebot an gelernten Arbeitern
bildet eine noch größere Schwierigkeit.

Die Hauptstädte des Sudans sind meist durch bedeutende Landstriche ohne
Straßen und Wasser voneinander getrennt. Die Hebung des Handelsverkehrs
seitab vom Wasserwege des Nils ist deshalb eine Sache, die nicht nur Zeit,
sondern auch bedeutende Opfer an Geld kosten wird. Der Sudan bedarf vor
allem einer Verbesserung seiner Verkehrseinrichtungen; dieser muß späterhin
eine Erweiterung der Bewässerungsanlagen folgen. Jetzt schon Unternehmungen
dieser Art in größerm Maßstabe einzuleiten, erscheint verfrüht, weil einerseits
die Bevölkerung dafür noch keineswegs reif ist, und weil ferner die Herstellung
solcher Anlagen ohne das Vorhandensein von Eisenbahnen unüberwindliche
Schwierigkeiten birgt. Auf dem Wege des Eisenbahnbaues ist übrigens schon
ein guter Schritt nach vorwärts getan. Die Linie von Kareima nach Abu
Hamed hat die Provinz Dongola unmittelbar mit dem Meere verbunden, während
die noch viel wichtigere Linie von Port Sudan nach dem Niltale den Raum,
der seither den Sudan von der Außenwelt trennte, überbrückt und so die Bahn
für weitere Verbesserungen geebnet hat.

Der nächste Schritt besteht in der Öffnung des Gebiets Ghezireh zwischen
dem Blauen und dem Weißen Nil. Zu diesem Zwecke hat man der Regierung
des Sudans eine Summe von 5175000 Mark zur Verfügung gestellt, um
damit eine Brücke über den Blauen Nil von Halfaya nach Khartum zu bauen.
Nach Vollendung dieser unerläßlich nötigen Vorarbeit soll dann eine Eisenbahn
bis in die Mitte von Ghezireh gebaut werden mit Zweigbahnen nach dem
Blauen und dem Weißen Nil.

Das Jahr 1906 brachte im Innern nur eine Störung durch einen religiösen
Fanatiker, die bald unterdrückt wurde. Auch nach außen waren die Beziehungen
des Sudans zu seinen Nachbarn befriedigend, so besonders zwischen den
italienischen Behörden in der Kolonie Erythräa und denen des Sudans. Hier
haben Verhandlungen wegen der Ausnützung der Flüsse Gash und Seen statt¬
gefunden, die jedoch noch nicht zu Ende geführt sind. Die Beziehungen nach
Abessinien haben sich nach rascher Erledigung eines durch einen abessinischen
Banditen eingeleiteten Zwischenfalls, zu der sich beide Regierungen die Hand
reichten, sehr zufriedenstellend entwickelt. Zumal haben mehrfache Handels¬
unternehmungen günstige Fortschritte gemacht. Besonders ermutigende Berichte
liegen vor über den sudanesischen Handelsplatz Gambela auf abessinischen Gebiete,
dessen Handel sich sehr gehoben hat. Auch in Dunkur in Westabessinien wurde
von der Handelsabteilung der sudanesischen Regierung ein Markt eröffnet, der
zu guten Hoffnungen berechtigt.

Die im Jahre 1905 unterbrochner Handelsbeziehungen auf dem Nil nach
den belgischen Stationen wurden im April 1906 wieder eröffnet. Am 9. Mai


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[0170] Der ägyptische Sudan auf 12919 Köpfe. Die Nachfrage nach rein körperlichen Arbeitskräften über¬ steigt zurzeit das Angebot bei weitem; die Lohnsätze sind, namentlich in Port Sudan, bedeutend gestiegen. Das geringe Angebot an gelernten Arbeitern bildet eine noch größere Schwierigkeit. Die Hauptstädte des Sudans sind meist durch bedeutende Landstriche ohne Straßen und Wasser voneinander getrennt. Die Hebung des Handelsverkehrs seitab vom Wasserwege des Nils ist deshalb eine Sache, die nicht nur Zeit, sondern auch bedeutende Opfer an Geld kosten wird. Der Sudan bedarf vor allem einer Verbesserung seiner Verkehrseinrichtungen; dieser muß späterhin eine Erweiterung der Bewässerungsanlagen folgen. Jetzt schon Unternehmungen dieser Art in größerm Maßstabe einzuleiten, erscheint verfrüht, weil einerseits die Bevölkerung dafür noch keineswegs reif ist, und weil ferner die Herstellung solcher Anlagen ohne das Vorhandensein von Eisenbahnen unüberwindliche Schwierigkeiten birgt. Auf dem Wege des Eisenbahnbaues ist übrigens schon ein guter Schritt nach vorwärts getan. Die Linie von Kareima nach Abu Hamed hat die Provinz Dongola unmittelbar mit dem Meere verbunden, während die noch viel wichtigere Linie von Port Sudan nach dem Niltale den Raum, der seither den Sudan von der Außenwelt trennte, überbrückt und so die Bahn für weitere Verbesserungen geebnet hat. Der nächste Schritt besteht in der Öffnung des Gebiets Ghezireh zwischen dem Blauen und dem Weißen Nil. Zu diesem Zwecke hat man der Regierung des Sudans eine Summe von 5175000 Mark zur Verfügung gestellt, um damit eine Brücke über den Blauen Nil von Halfaya nach Khartum zu bauen. Nach Vollendung dieser unerläßlich nötigen Vorarbeit soll dann eine Eisenbahn bis in die Mitte von Ghezireh gebaut werden mit Zweigbahnen nach dem Blauen und dem Weißen Nil. Das Jahr 1906 brachte im Innern nur eine Störung durch einen religiösen Fanatiker, die bald unterdrückt wurde. Auch nach außen waren die Beziehungen des Sudans zu seinen Nachbarn befriedigend, so besonders zwischen den italienischen Behörden in der Kolonie Erythräa und denen des Sudans. Hier haben Verhandlungen wegen der Ausnützung der Flüsse Gash und Seen statt¬ gefunden, die jedoch noch nicht zu Ende geführt sind. Die Beziehungen nach Abessinien haben sich nach rascher Erledigung eines durch einen abessinischen Banditen eingeleiteten Zwischenfalls, zu der sich beide Regierungen die Hand reichten, sehr zufriedenstellend entwickelt. Zumal haben mehrfache Handels¬ unternehmungen günstige Fortschritte gemacht. Besonders ermutigende Berichte liegen vor über den sudanesischen Handelsplatz Gambela auf abessinischen Gebiete, dessen Handel sich sehr gehoben hat. Auch in Dunkur in Westabessinien wurde von der Handelsabteilung der sudanesischen Regierung ein Markt eröffnet, der zu guten Hoffnungen berechtigt. Die im Jahre 1905 unterbrochner Handelsbeziehungen auf dem Nil nach den belgischen Stationen wurden im April 1906 wieder eröffnet. Am 9. Mai

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/170>, abgerufen am 24.08.2024.