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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Der ägyptische Sudan

sollen, daß sie das katholische Dogmengebäude festhalten und in seinem Sinne
ihr Lehramt ausüben; aber es scheint mir unerläßlich, daß der Bischof jede
spezielle und vor allem jede direkte Kontrolle der Amtswaltung der Professoren
und selbstverständlich erst recht jedwede imperative Befugnis gegenüber Professoren
oder Studenten an den Staat oder die Universitäten abtrete. Die bisherigen
rechtlichen Festsetzungen genügen in dieser Hinsicht noch nicht, sie lassen immer
noch Raum für die von kirchlicher Seite hochgehaltne These, daß die Kirche
den Lehrern befehle, und daß der Staat nur sie bezahlen und ihnen die Lehr¬
räume freihalten dürfe. Wenn es uns ernst ist mit dem verfassungsmäßigen
Prinzip, daß die Kirche selbst in der Ordnung und Verwaltung ihrer innern
Angelegenheiten den Stantsgesetzen und der Aufsicht des Staats unterworfen
sein soll, so dürfen wir angesichts der heutigen Anspannung der bischöflichen
Autorität nicht länger säumen, wenigstens dem akademischen Lehramt eine
allseitig zulängliche und unantastbare solide Rechtsgrundlage zu geben. Die
Durchsetzung solchen Bestrebens gegenüber der römischen Kurie ist wahrlich nicht
leicht, scheinbar sogar unmöglich, und darum wird es gut sein, daß der Staat
nicht vergißt, daß es sich zuletzt nur um eine Angelegenheit seiner innern
Gesetzgebung handelt, bei der der eonZönsus xs-realm entbehrlich ist. Denn es
bleibt sehr wahr, was Fürst Vismarck in seinen "Gedanken und Erinnerungen"
(II, S. 125) geschrieben hat: "Die therapeutische Behandlung der katholischen
Kirche in einem weltlichen Staate ist aber dadurch erschwert, daß die katholische
Geistlichkeit, wenn sie ihren theoretischen Beruf voll erfüllen will, über das
kirchliche Gebiet hinaus den Anspruch auf Beteiligung an weltlicher Herrschaft
zu erheben hat, unter kirchlichen Formen eine politische Institution ist und auf
ihre Mitarbeiter die eigne Überzeugung überträgt, daß ihre Freiheit in ihrer
Herrschaft besteht, und daß die Kirche überall, wo sie nicht herrscht,
berechtigt ist, über diokletianische Verfolgung zu klagen."


Lhr. D. Pflaum


Der ägyptische Hudan
Gelo Neuschler von

!MN Wir vor einiger Zeit (vgl. Grenzboten 1907, Ur. 35 und 36)
versucht haben, an der Hand des amtlichen Berichts, den Lord
Cromer, der bis vor kurzem Englands politischer Vertreter in
Ägypten gewesen war, der britischen Negierung über seine Tätig-
! keit im Jahre 1906 eingereicht hatte, die Entwicklung Ägyptens
unter seiner Einwirkung zu schildern, so soll heute noch mit kurzen Worten
auf den zweiten Teil desselben Berichts zurückgekommen werden, der dem
ägyptischen Sudan gewidmet ist.


Der ägyptische Sudan

sollen, daß sie das katholische Dogmengebäude festhalten und in seinem Sinne
ihr Lehramt ausüben; aber es scheint mir unerläßlich, daß der Bischof jede
spezielle und vor allem jede direkte Kontrolle der Amtswaltung der Professoren
und selbstverständlich erst recht jedwede imperative Befugnis gegenüber Professoren
oder Studenten an den Staat oder die Universitäten abtrete. Die bisherigen
rechtlichen Festsetzungen genügen in dieser Hinsicht noch nicht, sie lassen immer
noch Raum für die von kirchlicher Seite hochgehaltne These, daß die Kirche
den Lehrern befehle, und daß der Staat nur sie bezahlen und ihnen die Lehr¬
räume freihalten dürfe. Wenn es uns ernst ist mit dem verfassungsmäßigen
Prinzip, daß die Kirche selbst in der Ordnung und Verwaltung ihrer innern
Angelegenheiten den Stantsgesetzen und der Aufsicht des Staats unterworfen
sein soll, so dürfen wir angesichts der heutigen Anspannung der bischöflichen
Autorität nicht länger säumen, wenigstens dem akademischen Lehramt eine
allseitig zulängliche und unantastbare solide Rechtsgrundlage zu geben. Die
Durchsetzung solchen Bestrebens gegenüber der römischen Kurie ist wahrlich nicht
leicht, scheinbar sogar unmöglich, und darum wird es gut sein, daß der Staat
nicht vergißt, daß es sich zuletzt nur um eine Angelegenheit seiner innern
Gesetzgebung handelt, bei der der eonZönsus xs-realm entbehrlich ist. Denn es
bleibt sehr wahr, was Fürst Vismarck in seinen „Gedanken und Erinnerungen"
(II, S. 125) geschrieben hat: „Die therapeutische Behandlung der katholischen
Kirche in einem weltlichen Staate ist aber dadurch erschwert, daß die katholische
Geistlichkeit, wenn sie ihren theoretischen Beruf voll erfüllen will, über das
kirchliche Gebiet hinaus den Anspruch auf Beteiligung an weltlicher Herrschaft
zu erheben hat, unter kirchlichen Formen eine politische Institution ist und auf
ihre Mitarbeiter die eigne Überzeugung überträgt, daß ihre Freiheit in ihrer
Herrschaft besteht, und daß die Kirche überall, wo sie nicht herrscht,
berechtigt ist, über diokletianische Verfolgung zu klagen."


Lhr. D. Pflaum


Der ägyptische Hudan
Gelo Neuschler von

!MN Wir vor einiger Zeit (vgl. Grenzboten 1907, Ur. 35 und 36)
versucht haben, an der Hand des amtlichen Berichts, den Lord
Cromer, der bis vor kurzem Englands politischer Vertreter in
Ägypten gewesen war, der britischen Negierung über seine Tätig-
! keit im Jahre 1906 eingereicht hatte, die Entwicklung Ägyptens
unter seiner Einwirkung zu schildern, so soll heute noch mit kurzen Worten
auf den zweiten Teil desselben Berichts zurückgekommen werden, der dem
ägyptischen Sudan gewidmet ist.


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[0168] Der ägyptische Sudan sollen, daß sie das katholische Dogmengebäude festhalten und in seinem Sinne ihr Lehramt ausüben; aber es scheint mir unerläßlich, daß der Bischof jede spezielle und vor allem jede direkte Kontrolle der Amtswaltung der Professoren und selbstverständlich erst recht jedwede imperative Befugnis gegenüber Professoren oder Studenten an den Staat oder die Universitäten abtrete. Die bisherigen rechtlichen Festsetzungen genügen in dieser Hinsicht noch nicht, sie lassen immer noch Raum für die von kirchlicher Seite hochgehaltne These, daß die Kirche den Lehrern befehle, und daß der Staat nur sie bezahlen und ihnen die Lehr¬ räume freihalten dürfe. Wenn es uns ernst ist mit dem verfassungsmäßigen Prinzip, daß die Kirche selbst in der Ordnung und Verwaltung ihrer innern Angelegenheiten den Stantsgesetzen und der Aufsicht des Staats unterworfen sein soll, so dürfen wir angesichts der heutigen Anspannung der bischöflichen Autorität nicht länger säumen, wenigstens dem akademischen Lehramt eine allseitig zulängliche und unantastbare solide Rechtsgrundlage zu geben. Die Durchsetzung solchen Bestrebens gegenüber der römischen Kurie ist wahrlich nicht leicht, scheinbar sogar unmöglich, und darum wird es gut sein, daß der Staat nicht vergißt, daß es sich zuletzt nur um eine Angelegenheit seiner innern Gesetzgebung handelt, bei der der eonZönsus xs-realm entbehrlich ist. Denn es bleibt sehr wahr, was Fürst Vismarck in seinen „Gedanken und Erinnerungen" (II, S. 125) geschrieben hat: „Die therapeutische Behandlung der katholischen Kirche in einem weltlichen Staate ist aber dadurch erschwert, daß die katholische Geistlichkeit, wenn sie ihren theoretischen Beruf voll erfüllen will, über das kirchliche Gebiet hinaus den Anspruch auf Beteiligung an weltlicher Herrschaft zu erheben hat, unter kirchlichen Formen eine politische Institution ist und auf ihre Mitarbeiter die eigne Überzeugung überträgt, daß ihre Freiheit in ihrer Herrschaft besteht, und daß die Kirche überall, wo sie nicht herrscht, berechtigt ist, über diokletianische Verfolgung zu klagen." Lhr. D. Pflaum Der ägyptische Hudan Gelo Neuschler von !MN Wir vor einiger Zeit (vgl. Grenzboten 1907, Ur. 35 und 36) versucht haben, an der Hand des amtlichen Berichts, den Lord Cromer, der bis vor kurzem Englands politischer Vertreter in Ägypten gewesen war, der britischen Negierung über seine Tätig- ! keit im Jahre 1906 eingereicht hatte, die Entwicklung Ägyptens unter seiner Einwirkung zu schildern, so soll heute noch mit kurzen Worten auf den zweiten Teil desselben Berichts zurückgekommen werden, der dem ägyptischen Sudan gewidmet ist.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/168>, abgerufen am 22.07.2024.