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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Deutschland und der Vatikan

brachte. Heute nun haben wir keinen einzigen deutschen Kurienkardinal, und
die ungewöhnliche Eilfertigkeit, mit der Papst Pius nach dem Tode Steinhnbers
das Protektorat über die Anima an den Spanier Merry del Val übertrug -- keine
deutsche Stimme hat das zu verhindern gesucht --, zwingt zu der Annahme,
daß an die Kreierung neuer deutscher Kurienkardinäle nicht gedacht wird. Zwölf
Kardinalshüte sind augenblicklich noch frei, und an deutschen Kandidaten für
sie fehlt es nicht, die zwar keine Protestler Z. 1a Ledochowski und Melchers
sind, aber sei es in deutschen Diözesen, sei es namentlich im Rahmen der
Kurienkongregationen und vatikanischen Einrichtungen reichlich so viel Verdienste
erworben und reichlich so viel Erkenntnis und Charakter bewiesen haben wie
die ihnen vorher und gegenwärtig bevorzugten Italiener. Wenn es wahr ist,
daß es die deutschen Bischöfe nicht fertig bringen, sich auf bestimmte Kandidaten
für das Kurienkardinalat zu einigen, so ist es nicht minder wahr, daß der
Papst auf diese Einigung nicht zu warten braucht und einwandsfreie Kandidaten
ganz in der Nähe hat. Es wird darum nur darauf ankommen, daß dem
Papste der Wunsch bestimmt genug ausgesprochen werde, daß die deutschen
Prälaten in der Reihe der Kurienkardinüle vertreten seien, damit sie kraft ihrer
autoritativen Persönlichkeit den Sonderinteressen der deutschen Katholiken
Beachtung verschaffen und den Wünschen der diplomatischen Vertreter der
deutschen Bundesstaaten die unter den im Vatikan nun einmal obwaltenden
Verhältnissen in der Regel unerläßliche Extrabetonung geben können. Es gehört
das Bedürfnis nach Kurienkardinälen überdies auch in den Plan, ein der Staats¬
regierung wie dem Vatikan gegenüber so anspruchsvoll in die Erscheinung
tretendes und so bedenkliches politisches Gebilde, wie es die Zentrumspartei
ist, einer weitern wichtigen Voraussetzung seiner Existenz zu berauben und es
dem Verschwinden näher zu bringen, sowie überdies jene Extramissionen über¬
flüssig zu machen, wie sie Freiherr von Hertling des öftern gehabt, und die
in mancher Hinsicht einen peinlichen Eindruck hinterlassen hat.

Was nun die auf der Tagesordnung stehenden innern kirchenpolitischen
Angelegenheiten betrifft, für die der Vatikan eine entscheidende Instanz ist, so
würde ihre Erledigung gewiß verhältnismäßig sehr rasch und befriedigend zu
erreichen sein, wenn die in den voraufgehenden Ausführungen bezeichneten
Personaleinrichtungen schon vorhanden wären. Da sie das aber nicht sind und
es so ohne weitres Wohl auch nicht sein werden, so muß die Erledigung auf
den gegebnen Wegen, wenngleich meines Erachtens in einer von dem bisherigen
unfruchtbaren Verfahren wesentlich abweichenden Weise in Angriff genommen
werden. Es handelt sich da um zweierlei, die Polenfrage und das Verhältnis
akademischer Lehrer zum Bischof.

Die Polenfrage ist in dem hier zu behandelnden Bereiche aktuell nur
wegen der Besetzung des Posen-Gnesener Erzbischofspostens. Es sind nun
etwa zwei Jahre, seitdem der Erzbischof von Stablewski, ein Vorkämpfer des
polnischen Nationalismus, tot ist und die preußische Regierung den löblichen


Deutschland und der Vatikan

brachte. Heute nun haben wir keinen einzigen deutschen Kurienkardinal, und
die ungewöhnliche Eilfertigkeit, mit der Papst Pius nach dem Tode Steinhnbers
das Protektorat über die Anima an den Spanier Merry del Val übertrug — keine
deutsche Stimme hat das zu verhindern gesucht —, zwingt zu der Annahme,
daß an die Kreierung neuer deutscher Kurienkardinäle nicht gedacht wird. Zwölf
Kardinalshüte sind augenblicklich noch frei, und an deutschen Kandidaten für
sie fehlt es nicht, die zwar keine Protestler Z. 1a Ledochowski und Melchers
sind, aber sei es in deutschen Diözesen, sei es namentlich im Rahmen der
Kurienkongregationen und vatikanischen Einrichtungen reichlich so viel Verdienste
erworben und reichlich so viel Erkenntnis und Charakter bewiesen haben wie
die ihnen vorher und gegenwärtig bevorzugten Italiener. Wenn es wahr ist,
daß es die deutschen Bischöfe nicht fertig bringen, sich auf bestimmte Kandidaten
für das Kurienkardinalat zu einigen, so ist es nicht minder wahr, daß der
Papst auf diese Einigung nicht zu warten braucht und einwandsfreie Kandidaten
ganz in der Nähe hat. Es wird darum nur darauf ankommen, daß dem
Papste der Wunsch bestimmt genug ausgesprochen werde, daß die deutschen
Prälaten in der Reihe der Kurienkardinüle vertreten seien, damit sie kraft ihrer
autoritativen Persönlichkeit den Sonderinteressen der deutschen Katholiken
Beachtung verschaffen und den Wünschen der diplomatischen Vertreter der
deutschen Bundesstaaten die unter den im Vatikan nun einmal obwaltenden
Verhältnissen in der Regel unerläßliche Extrabetonung geben können. Es gehört
das Bedürfnis nach Kurienkardinälen überdies auch in den Plan, ein der Staats¬
regierung wie dem Vatikan gegenüber so anspruchsvoll in die Erscheinung
tretendes und so bedenkliches politisches Gebilde, wie es die Zentrumspartei
ist, einer weitern wichtigen Voraussetzung seiner Existenz zu berauben und es
dem Verschwinden näher zu bringen, sowie überdies jene Extramissionen über¬
flüssig zu machen, wie sie Freiherr von Hertling des öftern gehabt, und die
in mancher Hinsicht einen peinlichen Eindruck hinterlassen hat.

Was nun die auf der Tagesordnung stehenden innern kirchenpolitischen
Angelegenheiten betrifft, für die der Vatikan eine entscheidende Instanz ist, so
würde ihre Erledigung gewiß verhältnismäßig sehr rasch und befriedigend zu
erreichen sein, wenn die in den voraufgehenden Ausführungen bezeichneten
Personaleinrichtungen schon vorhanden wären. Da sie das aber nicht sind und
es so ohne weitres Wohl auch nicht sein werden, so muß die Erledigung auf
den gegebnen Wegen, wenngleich meines Erachtens in einer von dem bisherigen
unfruchtbaren Verfahren wesentlich abweichenden Weise in Angriff genommen
werden. Es handelt sich da um zweierlei, die Polenfrage und das Verhältnis
akademischer Lehrer zum Bischof.

Die Polenfrage ist in dem hier zu behandelnden Bereiche aktuell nur
wegen der Besetzung des Posen-Gnesener Erzbischofspostens. Es sind nun
etwa zwei Jahre, seitdem der Erzbischof von Stablewski, ein Vorkämpfer des
polnischen Nationalismus, tot ist und die preußische Regierung den löblichen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/165>, abgerufen am 24.08.2024.