Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.Deutschland und der Vatikan ^ ^ Das äußere Bild unsrer Beziehungen zum Vatikan, von dem die effektiven Wie erklärt sich, daß wir von der Zeit des Fürsten Bismarck an bis auf Grenzboten I 1908 21
Deutschland und der Vatikan ^ ^ Das äußere Bild unsrer Beziehungen zum Vatikan, von dem die effektiven Wie erklärt sich, daß wir von der Zeit des Fürsten Bismarck an bis auf Grenzboten I 1908 21
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Deutschland und der Vatikan
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^^ ^^AF-U! aß der Wechsel unsers diplomatischen Vertreters beim päpstlichen
Stuhle und der gleichzeitige Wechsel des päpstlichen Nuntius in
München hauptsächlich gedacht und erfolgt sei, um einen Wandel
auch in den politischen Verhältnissen zwischen uns und dem
Papste herbeizuführen, darf man bezweifeln. Man möchte jedoch
wünschen, daß die gegebne Gelegenheit zur Einleitung eines solchen Wandels
in mancher Hinsicht nicht verabsäumt würde.
Das äußere Bild unsrer Beziehungen zum Vatikan, von dem die effektiven
Erfolge der Beziehungen keineswegs unabhängig sind, hat etwas Anomales
und Unbefriedigendes. Von deutscher Seite werden an den päpstlichen Stuhl
zwei hochgestellte Diplomaten geschickt, der eine als Vertreter des Königreichs
Preußen und einiger andrer Bundesstaaten, der andre als Vertreter des
Königreichs Bayern; der Papst andrerseits unterhält nur eine Nuntiatur
zweiter Klasse für das Königreich Bayern mit dem Sitz in München, unterläßt
also die konventionelle sowie durch die zahlreichen prinzipiellen und singulären,
persönlichen und sachlichen Angelegenheiten der katholischen Bürger Preußens
geforderte diplomatische Vertretung in Preußen. Man kommt über dieses
Verhältnis nicht hinweg, wenn man die Tatsache betont, daß sich der Münchner
Nuntius auch mit den preußischen Dingen befassen muß; im Gegenteil, es wird
in Anbetracht dieser Tatsache erst recht befremdend, daß der Münchner Nuntius
nicht einmal nötig hat, seine Person in Berlin vorstellen und seine amtlichen
Befugnisse gebührend beglaubigen zu lassen, um doch als kompetente Stelle
auch für preußische Angelegenheiten offiziös anerkannt und von amtlichen
Stellen in Anspruch genommen zu werden, ja eben dieses ist besonders be¬
fremdend, wenn man schon davon absetzn wollte, daß der Papst mit Rücksicht
auf alte, gegründete und nirgends sonst außer acht gelassene Gepflogenheiten
in Berlin durch einen besondern Nuntius vertreten sein müßte.
Wie erklärt sich, daß wir von der Zeit des Fürsten Bismarck an bis auf
den heutigen Tag mit diesem Tatbestand zufrieden gewesen sind? Die römische
Kirche, sagte Fürst Bismarck bei einer nachträglichen Kulturkampfdebatte vor
Grenzboten I 1908 21
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