Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches Über Kunst und Religion sucht sich in unsern Tagen mancher auszusprechen, Mit Bemerkungen über Religion in der Kunst klingt auch das neuste Buch W Maßgebliches und Unmaßgebliches Über Kunst und Religion sucht sich in unsern Tagen mancher auszusprechen, Mit Bemerkungen über Religion in der Kunst klingt auch das neuste Buch W <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0160" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/311241"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_737"> Über Kunst und Religion sucht sich in unsern Tagen mancher auszusprechen,<lb/> und dabei kommt dann öfter kurioses zutage. In die „Führer zur Kunst" (Ur. 9,<lb/> Paul Reff) hat sich ein Aufsah „Religion und Kunst" von Johannes Gaulke<lb/> verirrt, den man mit wachsendem Erstaunen (und Unwillen) liest, bis man am<lb/> Schlüsse des Rätsels Lösung in einer Verherrlichung Häckels findet. Hier entsprechen<lb/> den Kolumnenkopfdruckfehlern „Michelangelo", „astketisch" ebenso peinliche Gedanken¬<lb/> druckfehler im Text. Wir gesteh«, daß uns der Standpunkt und die Arbeitsweise eines<lb/> besonnenen Katholiken wie B. Steins in seinen Studien über „Neuere Dichter im<lb/> Lichte des Christentums" (Verlag von Friedrich Alber) weit sympathischer sind. Schon<lb/> eine aufrichtig teilnehmende oder abwehrende katholische Stimme über Storni, Fontane<lb/> und Raabe, über Keller, Meyer und Heyse überhaupt einmal zu hören ist Gewinn;<lb/> der Verfasser ist in den Dichtungen dieser sechs, aber auch in ihren Briefen und der<lb/> Literatur über sie bewandert, und der Spiegel des Katholizismus — mehr um<lb/> diesen als um das Christentum handelt es sich — ist, wenn man die ihm eigentüm¬<lb/> lichen blinden und blanken Stellen kennt, doch eben auch ein Spiegel. Das wenigste<lb/> Gewicht scheint uns der Schlußteil dieser Sammlung zu haben: der zu allgemein<lb/> absprechende Aussatz über Ibsen, der zu glatt anerkennende über Sienkiewitz und die<lb/> Zusammenstellungen über das Thema Christus in der neuen Literatur.</p><lb/> <p xml:id="ID_738"> Mit Bemerkungen über Religion in der Kunst klingt auch das neuste Buch<lb/> über Goethe aus. Es ist der Schlußband einer Reihe von Arbeiten von Moeller<lb/> van der Brück, die der Verfasser unter dem anspruchsvollen Gesamttitel „Die<lb/> Deutschen. Unsre Menschengeschichte" veröffentlicht hat (I. C. C. Bruns Verlag).<lb/> Wie die einzelnen Bände dieser Serie Beispiele von Verirrten Deutschen, Führenden<lb/> Deutschen, Verschwärmten Deutschen, Entscheidenden Deutschen, Gestaltenden Deutschen<lb/> vorführen, so erscheint nun hier zum Beschluß Goethe als der Verirrte, der Führende,<lb/> der Verschwcirmte usw., wobei es nicht ohne gewaltsame Drehung dieser Begriffe<lb/> abgeht. Der Wert des Buchs liegt nicht in einer objektiven Reproduktion des<lb/> Goethischen Lebensgehalts, sondern in den, Reflex von typischen modernen deutsch¬<lb/> idealistischen Bestrebungen auf das Wesen Goethes mit franker, zum Teil schiefer Kritik.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> <div> <floatingText> <body> <div type="advertisement"> <p> W<lb/> MM</p> </div> </body> </floatingText> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0160]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Über Kunst und Religion sucht sich in unsern Tagen mancher auszusprechen,
und dabei kommt dann öfter kurioses zutage. In die „Führer zur Kunst" (Ur. 9,
Paul Reff) hat sich ein Aufsah „Religion und Kunst" von Johannes Gaulke
verirrt, den man mit wachsendem Erstaunen (und Unwillen) liest, bis man am
Schlüsse des Rätsels Lösung in einer Verherrlichung Häckels findet. Hier entsprechen
den Kolumnenkopfdruckfehlern „Michelangelo", „astketisch" ebenso peinliche Gedanken¬
druckfehler im Text. Wir gesteh«, daß uns der Standpunkt und die Arbeitsweise eines
besonnenen Katholiken wie B. Steins in seinen Studien über „Neuere Dichter im
Lichte des Christentums" (Verlag von Friedrich Alber) weit sympathischer sind. Schon
eine aufrichtig teilnehmende oder abwehrende katholische Stimme über Storni, Fontane
und Raabe, über Keller, Meyer und Heyse überhaupt einmal zu hören ist Gewinn;
der Verfasser ist in den Dichtungen dieser sechs, aber auch in ihren Briefen und der
Literatur über sie bewandert, und der Spiegel des Katholizismus — mehr um
diesen als um das Christentum handelt es sich — ist, wenn man die ihm eigentüm¬
lichen blinden und blanken Stellen kennt, doch eben auch ein Spiegel. Das wenigste
Gewicht scheint uns der Schlußteil dieser Sammlung zu haben: der zu allgemein
absprechende Aussatz über Ibsen, der zu glatt anerkennende über Sienkiewitz und die
Zusammenstellungen über das Thema Christus in der neuen Literatur.
Mit Bemerkungen über Religion in der Kunst klingt auch das neuste Buch
über Goethe aus. Es ist der Schlußband einer Reihe von Arbeiten von Moeller
van der Brück, die der Verfasser unter dem anspruchsvollen Gesamttitel „Die
Deutschen. Unsre Menschengeschichte" veröffentlicht hat (I. C. C. Bruns Verlag).
Wie die einzelnen Bände dieser Serie Beispiele von Verirrten Deutschen, Führenden
Deutschen, Verschwärmten Deutschen, Entscheidenden Deutschen, Gestaltenden Deutschen
vorführen, so erscheint nun hier zum Beschluß Goethe als der Verirrte, der Führende,
der Verschwcirmte usw., wobei es nicht ohne gewaltsame Drehung dieser Begriffe
abgeht. Der Wert des Buchs liegt nicht in einer objektiven Reproduktion des
Goethischen Lebensgehalts, sondern in den, Reflex von typischen modernen deutsch¬
idealistischen Bestrebungen auf das Wesen Goethes mit franker, zum Teil schiefer Kritik.
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