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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Die Jesuiten in Oentschland

Kommunionen der Katholiken erscheine die Zahl der Konversionen geringfügig,
und die Schüler der Jesuiten seien fast ausnahmslos katholisch gewesen. Von
entscheidender Bedeutung für das Urteil über die Hofbeichtväter ist der Nach¬
weis, wie sie auf die Höfe eingewirkt und welche Resultate sie erreicht haben.
In dem religiös so erregten sechzehnten Jahrhundert, wo es sich in Deutschland
darum handelte, ob die von den Vorfahren überkommne katholische Religion
gänzlich verdrängt und vernichtet werden solle, war es klar, daß jeder Katholik,
zumal jeder katholische Priester, innerhalb der Schranken der Reichsgesetzgebung
für die Wiederherstellung der katholischen Religion in den noch katholisch ge-
bliebner ^vielmehr in den noch von katholischen Fürsten regierten^ Ländern ein¬
treten und dahin zielende Maßregeln befürworten mußte. Das haben auch die
Hofbeichtväter in Wien, Graz und München getan. Der Reichstag von 1555
hatte den protestantischen Reichsstünden das Verbot des katholischen, den katholischen
das Verbot des protestantischen Gottesdienstes anheimgegeben. Der Grundsatz,
den auf diesem Reichstage der Herzog Ott-Heinrich von Neuburg offen aussprach:
unbeschränkte Religionsfreiheit für die Protestanten und harte Beschränkung für
die Katholiken, wurde praktisch nach wie vor von den Protestanten ausgeübt,
wo sie nur immer die Macht dazu hatten. Protestantische Prediger und Ge¬
wissensräte verfochten offen den Satz, daß der Fürst im Gewissen verpflichtet
sei, die katholische Religion mit Gewalt auszurotten. j^Duhr beruft sich an dieser
Stelle auf Ritter, Janssen-Pastor, K. A. Menzel und Döllinger. Die Hinweisung
auf Menzel stimmt zwar, dagegen enthält Döllinger, Reformation II, 1 ff. gar
nichts über diesen Gegenstand. Nur die Seite 12 berührt ihn, auf der Capitos
Territorialsystem dargestellt wird.s Die Jesuitenbeichtväter befanden sich mit ihren
Ratschlägen ganz auf dem Boden des Gurker dem Namen des Augsburger Re¬
ligionsfriedens bekannten^ Neichstagsabschieds von 1555. In Wien und in Graz
handelte es sich zudem um Sein oder Nichtsein der katholischen Kirche. Wenn
irgendwo, so bewahrheitet sich hier das Wort Döllingers jDuhr zitiert: Kirche
und Kirchen 63, die Stelle steht jedoch auf Seite 70^: "So wußten die Katholiken,
Fürsten, Klerus und Volk von Anfang an mit völliger Bestimmtheit, daß sie
selber unterdrückt werden würden, sobald nur die Partei der neuen Religion sich
stark genug dazu fühle. Sie führten einen Kampf der Selbsterhaltung, indem
sie alles aufboten, das Eindringen des Protestantismus in ihr Gebiet abzu¬
wehren, den bereits eingedrungnen wieder auszustoßen. Sämtliche Reformatoren
und Theologen der neuen Kirche ließen in ihren Schriften nicht den leisesten
Zweifel über das Prinzip, daß die katholische Religion überall ausgerottet
werden müsse,, wo man die Macht dazu habe." Übrigens ist der Anteil der
Hofbeichtväter an den Maßregeln zur Wiederherstellung der katholischen Kirche
vielfach übertrieben worden; auch hier kommen zunächst die päpstlichen Nnntien
in Betracht, die unermüdlich mit Bitten, Forderungen, unter Umständen auch
mit Drohungen die lässigen katholischen Fürsten bestürmten. Von größerer
Wichtigkeit ist die Beantwortung der weitern Frage, ob es den Hofbeichtvätern


Die Jesuiten in Oentschland

Kommunionen der Katholiken erscheine die Zahl der Konversionen geringfügig,
und die Schüler der Jesuiten seien fast ausnahmslos katholisch gewesen. Von
entscheidender Bedeutung für das Urteil über die Hofbeichtväter ist der Nach¬
weis, wie sie auf die Höfe eingewirkt und welche Resultate sie erreicht haben.
In dem religiös so erregten sechzehnten Jahrhundert, wo es sich in Deutschland
darum handelte, ob die von den Vorfahren überkommne katholische Religion
gänzlich verdrängt und vernichtet werden solle, war es klar, daß jeder Katholik,
zumal jeder katholische Priester, innerhalb der Schranken der Reichsgesetzgebung
für die Wiederherstellung der katholischen Religion in den noch katholisch ge-
bliebner ^vielmehr in den noch von katholischen Fürsten regierten^ Ländern ein¬
treten und dahin zielende Maßregeln befürworten mußte. Das haben auch die
Hofbeichtväter in Wien, Graz und München getan. Der Reichstag von 1555
hatte den protestantischen Reichsstünden das Verbot des katholischen, den katholischen
das Verbot des protestantischen Gottesdienstes anheimgegeben. Der Grundsatz,
den auf diesem Reichstage der Herzog Ott-Heinrich von Neuburg offen aussprach:
unbeschränkte Religionsfreiheit für die Protestanten und harte Beschränkung für
die Katholiken, wurde praktisch nach wie vor von den Protestanten ausgeübt,
wo sie nur immer die Macht dazu hatten. Protestantische Prediger und Ge¬
wissensräte verfochten offen den Satz, daß der Fürst im Gewissen verpflichtet
sei, die katholische Religion mit Gewalt auszurotten. j^Duhr beruft sich an dieser
Stelle auf Ritter, Janssen-Pastor, K. A. Menzel und Döllinger. Die Hinweisung
auf Menzel stimmt zwar, dagegen enthält Döllinger, Reformation II, 1 ff. gar
nichts über diesen Gegenstand. Nur die Seite 12 berührt ihn, auf der Capitos
Territorialsystem dargestellt wird.s Die Jesuitenbeichtväter befanden sich mit ihren
Ratschlägen ganz auf dem Boden des Gurker dem Namen des Augsburger Re¬
ligionsfriedens bekannten^ Neichstagsabschieds von 1555. In Wien und in Graz
handelte es sich zudem um Sein oder Nichtsein der katholischen Kirche. Wenn
irgendwo, so bewahrheitet sich hier das Wort Döllingers jDuhr zitiert: Kirche
und Kirchen 63, die Stelle steht jedoch auf Seite 70^: „So wußten die Katholiken,
Fürsten, Klerus und Volk von Anfang an mit völliger Bestimmtheit, daß sie
selber unterdrückt werden würden, sobald nur die Partei der neuen Religion sich
stark genug dazu fühle. Sie führten einen Kampf der Selbsterhaltung, indem
sie alles aufboten, das Eindringen des Protestantismus in ihr Gebiet abzu¬
wehren, den bereits eingedrungnen wieder auszustoßen. Sämtliche Reformatoren
und Theologen der neuen Kirche ließen in ihren Schriften nicht den leisesten
Zweifel über das Prinzip, daß die katholische Religion überall ausgerottet
werden müsse,, wo man die Macht dazu habe." Übrigens ist der Anteil der
Hofbeichtväter an den Maßregeln zur Wiederherstellung der katholischen Kirche
vielfach übertrieben worden; auch hier kommen zunächst die päpstlichen Nnntien
in Betracht, die unermüdlich mit Bitten, Forderungen, unter Umständen auch
mit Drohungen die lässigen katholischen Fürsten bestürmten. Von größerer
Wichtigkeit ist die Beantwortung der weitern Frage, ob es den Hofbeichtvätern


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[0134] Die Jesuiten in Oentschland Kommunionen der Katholiken erscheine die Zahl der Konversionen geringfügig, und die Schüler der Jesuiten seien fast ausnahmslos katholisch gewesen. Von entscheidender Bedeutung für das Urteil über die Hofbeichtväter ist der Nach¬ weis, wie sie auf die Höfe eingewirkt und welche Resultate sie erreicht haben. In dem religiös so erregten sechzehnten Jahrhundert, wo es sich in Deutschland darum handelte, ob die von den Vorfahren überkommne katholische Religion gänzlich verdrängt und vernichtet werden solle, war es klar, daß jeder Katholik, zumal jeder katholische Priester, innerhalb der Schranken der Reichsgesetzgebung für die Wiederherstellung der katholischen Religion in den noch katholisch ge- bliebner ^vielmehr in den noch von katholischen Fürsten regierten^ Ländern ein¬ treten und dahin zielende Maßregeln befürworten mußte. Das haben auch die Hofbeichtväter in Wien, Graz und München getan. Der Reichstag von 1555 hatte den protestantischen Reichsstünden das Verbot des katholischen, den katholischen das Verbot des protestantischen Gottesdienstes anheimgegeben. Der Grundsatz, den auf diesem Reichstage der Herzog Ott-Heinrich von Neuburg offen aussprach: unbeschränkte Religionsfreiheit für die Protestanten und harte Beschränkung für die Katholiken, wurde praktisch nach wie vor von den Protestanten ausgeübt, wo sie nur immer die Macht dazu hatten. Protestantische Prediger und Ge¬ wissensräte verfochten offen den Satz, daß der Fürst im Gewissen verpflichtet sei, die katholische Religion mit Gewalt auszurotten. j^Duhr beruft sich an dieser Stelle auf Ritter, Janssen-Pastor, K. A. Menzel und Döllinger. Die Hinweisung auf Menzel stimmt zwar, dagegen enthält Döllinger, Reformation II, 1 ff. gar nichts über diesen Gegenstand. Nur die Seite 12 berührt ihn, auf der Capitos Territorialsystem dargestellt wird.s Die Jesuitenbeichtväter befanden sich mit ihren Ratschlägen ganz auf dem Boden des Gurker dem Namen des Augsburger Re¬ ligionsfriedens bekannten^ Neichstagsabschieds von 1555. In Wien und in Graz handelte es sich zudem um Sein oder Nichtsein der katholischen Kirche. Wenn irgendwo, so bewahrheitet sich hier das Wort Döllingers jDuhr zitiert: Kirche und Kirchen 63, die Stelle steht jedoch auf Seite 70^: „So wußten die Katholiken, Fürsten, Klerus und Volk von Anfang an mit völliger Bestimmtheit, daß sie selber unterdrückt werden würden, sobald nur die Partei der neuen Religion sich stark genug dazu fühle. Sie führten einen Kampf der Selbsterhaltung, indem sie alles aufboten, das Eindringen des Protestantismus in ihr Gebiet abzu¬ wehren, den bereits eingedrungnen wieder auszustoßen. Sämtliche Reformatoren und Theologen der neuen Kirche ließen in ihren Schriften nicht den leisesten Zweifel über das Prinzip, daß die katholische Religion überall ausgerottet werden müsse,, wo man die Macht dazu habe." Übrigens ist der Anteil der Hofbeichtväter an den Maßregeln zur Wiederherstellung der katholischen Kirche vielfach übertrieben worden; auch hier kommen zunächst die päpstlichen Nnntien in Betracht, die unermüdlich mit Bitten, Forderungen, unter Umständen auch mit Drohungen die lässigen katholischen Fürsten bestürmten. Von größerer Wichtigkeit ist die Beantwortung der weitern Frage, ob es den Hofbeichtvätern

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/134>, abgerufen am 22.07.2024.